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Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...

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4.2.6 Der Gottesdienstraum: Räume im Raum – drittes Merkmal<br />

Glockenläuten. Aus allen Richtungen strömen Menschen in kleinen Gruppen oder alleine auf<br />

die Versöhnungskirche zu. Die Stimmung ist zumeist fröhlich <strong>und</strong> ausgelassen, Gespräche in<br />

verschiedensten Sprachen fließen ineinander. An den kleineren Eingängen staut es sich, neben<br />

den Türen steht jemand <strong>und</strong> hält ein großes weißes Schild mit schwarzer Schrift – Silence –<br />

die Schritte werden zwangsläufig langsamer <strong>und</strong> beim Eintreten in die Versöhnungskirche<br />

verstummen die meisten Gespräche. Man bekommt ein Liederheft <strong>und</strong> nimmt sich<br />

gegebenenfalls ein Tuch um freie Schultern zu bedecken. Der Übergang vom Außen- in den<br />

Gottesdienstraum erfolgt hier nicht direkt über einen physischen Schwellenraum 215 ,<br />

wenngleich die Eingänge doch wie „Schleusen“ wirken, so wird die Schwelle hier eher, durch<br />

die Stille <strong>und</strong> die Vorbereitung durch die Annahme des Liederheftes <strong>und</strong> zusätzlich einer<br />

kleinen weißen Kerze am Samstagabend, inszeniert. Häufig ist der weite Raum bereits gut<br />

gefüllt <strong>und</strong> viele Besucher haben auf dem braunen Teppich Platz genommen, dessen Fläche<br />

sich in Sitzbereiche <strong>und</strong> kleine Wege gliedert, die mit weißem Klebeband markiert sind <strong>und</strong><br />

sich durch den gesamten Raum ziehen. Man platziert sich wo man möchte. Das Licht ist je<br />

nach Tageszeit verschieden, aber immer auf eine eigene Art feierlich gedämpft, im Altarraum<br />

brennen viele Kerzen, die orangefarbenen Segeltücher, die sich in der Apsis aufspannen<br />

wechselwirken mit dem einfallenden Außen- <strong>und</strong> dem Kerzenlicht. Von den Seiten kurz unter<br />

der Decke fällt das Licht durch einen schmalen Streifen bunter Glasfenster. Peripher befinden<br />

sich noch die angestrahlten Ikonen, die zum Lichtspiel beitragen. Es ist ruhig, vereinzelt<br />

flüsternde Stimmen, eine erwartungsfrohe Atmosphäre breitet sich aus. Der von hinten nach<br />

vorne leicht abfallende Raum erinnert an einen Kinosaal, nur gibt es keine Sitze <strong>und</strong> keine<br />

Leinwand. Dennoch ist der Blick aller meist nach vorne, zum Altarraum gerichtet. Die Brüder<br />

in ihren weißen Gewändern betreten die Kirche, meist zu zweit nebeneinander ziehen sie<br />

nacheinander in einen <strong>für</strong> sie abgetrennten Bereich <strong>und</strong> füllen diesen noch freien Raum im<br />

vorderen Mittelteil der Kirche auf, wobei sie sich zu je zwei langen Zweierreihen an den<br />

Seiten platzieren – kniend, wie im Fersensitz auf Gebetshockern, bek<strong>und</strong>en sie „den immer<br />

Größeren“ 216 – so, dass ein Zwischenraum im Gegenüber zum Altar entsteht, um den Weg<br />

von der Gegenwart in die Zukunft zu öffnen. 217 In ihrem Bereich sitzend treffen sich die<br />

Brüder „zu ihrer Gebetszeit inmitten einer jeweils hinzukommenden Gemeinde.“ 218 In Taizé<br />

215<br />

Vgl.: auch Woydack. Der räumliche Gott. Zum Übergangsraum/ zur Schwelle. S. 50.<br />

216<br />

Dufner. Kirchen verstehen. S. 29.<br />

217<br />

Vgl.: nach Grünberg: „Der Weg auf der Ost-West-Achse ist die Gegenwart.“ In: Woydack. Der räumliche<br />

Gott. S. 68.<br />

218<br />

Kreuels. Singende Meditation. In: Nientiedt. Taizé. S. 125.<br />

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