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Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...

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Infragestellung der Lebensumwelt der Gäste begreifen, die mindestens zu einem Teil aus<br />

einem städtischen Milieu stammen, in dem es selten so lautlos zugeht wie beispielsweise in<br />

der Zeit der Stille in den Gebeten. Auch der Umgang miteinander, das meist sehr offene<br />

Aufeinanderzugehen, die Möglichkeit der Gespräche <strong>und</strong> Begegnungen hinterfragen das oft<br />

zurückhaltende <strong>und</strong> anonyme Leben <strong>und</strong> Verhalten, beispielsweise in deutschen Großstädten.<br />

Das Gefühl von verrinnender, ungenutzter oder vertaner Zeit verflüchtigt sich in eingeräumte<br />

Zeit. Im Einklang mit der Zeit vergehen die Tage <strong>und</strong> ein Großteil der Zeit ist zweckfrei<br />

verstrichene Zeit, sie ist absichtslos, gegensinnig zur Leistungsgesellschaft, in der eine<br />

Leistung (fast) immer an eine Gegenleistung <strong>und</strong> gegebenenfalls an Vorleistungen geknüpft<br />

ist. Nichts weniger als die Frage nach dem Sinn <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong> des Lebens verknüpft sich<br />

mit der Infragestellung, die dem funktionsorientierten, leistungsbezogenen <strong>und</strong> unbedingt<br />

gelingen müssenden Leben, wie es Fries benannt hat, etwas entgegenzuhalten hat, nämlich die<br />

Liebe Gottes. Das Leben in Gemeinschaft <strong>und</strong> Einfachheit steht der Konsummentalität der<br />

westlichen Welt entgegen <strong>und</strong> besonders dem damit vielerorts gleichgesetzten „glücklichen<br />

Leben.“ Gerade <strong>für</strong> viele Gäste aus den westlichen Ländern ist dies eine Kontrasterfahrung<br />

<strong>und</strong> viele osteuropäische Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher machen in dieser Beziehung ebenfalls<br />

eine Erfahrung, die häufig nicht ihrer Vorstellung vom Westen entspricht. 249 Das „simplify<br />

your life“, das in der Wohlstandsgesellschaft Einzug hält berührt nur oberflächlich die in<br />

Taizé gelebte Einfachheit, die eben nicht meint Überflüssiges wieder wegzuschaffen, sondern<br />

es erst gar nicht entstehen zu lassen. 250 Speziell die Kirchen-(räume) in Taizé stehen als<br />

„Gegenorte“ – insbesondere der Stille – allen anderen gegenüber. Außerdem stehen diese<br />

Kirchen, die Dorfkirche durch die Nutzung durch die Kommunität <strong>und</strong> besonders die<br />

Versöhnungskirche dem Phänomen der sinkenden Gottesdienst-Besucherzahlen, insbesondere<br />

durch Jugendliche, entgegen. Deutlich wird ebenfalls, dass es keine immer neuen Superlative<br />

in Jugendgottesdiensten braucht, sich also Pastorinnen <strong>und</strong> Pastoren nicht mit szenischen<br />

Einlagen überschlagen müssen <strong>und</strong> dass heute noch laut <strong>und</strong> ausgiebig gesungen kann.<br />

Taizé zeigt auch, dass es noch möglich ist, ohne neuartige Technik, neueste<br />

Kommunikationsmittel <strong>und</strong> sogar ohne warmes Wasser zu leben. Sicherlich muss man die<br />

eigenen Bedingungen vor Ort mit bedenken <strong>und</strong> es geht auch gar nicht darum die genannten<br />

Dinge abzulehnen, sondern sich ihrer vermeintlichen Unentbehrlichkeit bewusst zu werden.<br />

Die Kompensationsheterotopien erschaffen nach Foucault einen völlig geordneten Realraum<br />

in einer chaotisch empf<strong>und</strong>enen Umgebung, zu der sie gewissermaßen einen Ausgleich<br />

anbieten.<br />

249 Vgl.: Nientiedt. Gott zuerst. In: Taizé – Weltdorf. S. 145.<br />

250 Vgl.: ebenda.<br />

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