Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...
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Gegenstandsbereich als: „Heterotopologie“, denn diesen „vollkommen anderen Räumen“ –<br />
die er „Heterotopien“ nennt – ist sie vorbehalten. 29 Damit klammert er die Utopien aus <strong>und</strong><br />
möchte so nur noch wirklich ortlose Orte bezeichnet wissen.<br />
Der Heterotopie-Begriff ist keine Wortschöpfung Foucaults, sondern entstammt ursprünglich<br />
der Medizin, dort bezeichnet er die „Entstehung von Gewebe an einem falschen Ort […].“ 30<br />
Bevor ich die fünf Merkmale <strong>und</strong> die innerste Substanz 31 , anhand derer Foucault seine<br />
Heterotopologie skizziert, knapp nachzeichne, möchte ich darauf hinweisen, dass er bereits<br />
wenige Monate nach seinem Radiovortrag, nicht mehr von einer „Wissenschaft“, sondern von<br />
einer „systematischen Beschreibung“ spricht. Möglicherweise steht diese Verschiebung im<br />
Zusammenhang mit dem <strong>für</strong> Foucault überraschenden Anklang, den seine Ausführungen bei<br />
Architekten fanden, wie es der bereits erwähnte Brief an Defert andeutet.<br />
Zuerst postuliert Foucault, dass es sich bei Heterotopien um eine gesellschaftliche Konstante<br />
handelt. Jede Gesellschaft schüfe sie, jene seien aber an sich wandelbar <strong>und</strong> nicht universell.<br />
Er nennt zwei Formen, die Krisen- <strong>und</strong> Abweichungsheterotopien, wobei erstere seiner<br />
Meinung nach durch letztere weitestgehend abgelöst wurden. Die Krisenheterotopien<br />
zeichnen sich dadurch aus, dass sie Abweichendem Raum geben, dabei denkt Foucault an<br />
biologische Krisen, beispielsweise die Geburt, während Abweichungsheterotopien<br />
Abweichendes an einem Ort konzentrieren, um es wieder in die umliegende Ordnung zu<br />
integrieren, dazu führt er neben Psychiatrien interessanterweise auch Altenheime an, die auf<br />
der Grenze der beiden Ausprägungen liegen, denn dieses biologisch bedingte zunehmende<br />
Nichtstun gelte in unserer Gesellschaft als abweichendes Verhalten.<br />
Zweitens beschäftigt er sich mit der Veränderung der Funktion einer Heterotopie durch die<br />
jeweilige Gesellschaft in der Zeit. Der Friedhof habe einen solchen Bedeutungswandel<br />
erfahren <strong>und</strong> sich vom zentralen Ort in der Stadt, an ihren Rand verlagert, deshalb ist er nicht<br />
länger der „heilige <strong>und</strong> unsterbliche Geist der Stadt, sondern die ‚andere Stadt’ in der jede<br />
Familie ihre dunkle Bleibe besitzt.“<br />
Drittens beschreibt er die heterotopische Eigenschaft des Nebeneinanderstellens von<br />
üblicherweise unvereinbaren Räumen an einem Ort. Foucault nennt das Theater, das Kino <strong>und</strong><br />
hebt besonders den Garten hervor, als wohl älteste Heterotopie dieser Art, der die kleinste<br />
Parzelle der Welt <strong>und</strong> zugleich die ganze Welt sei.<br />
29 Foucault. Die Heterotopien. S. 11.<br />
30 Vgl.: Warning, Rainer. Heterotopien als Räume ästhetischer Erfahrung. München 2009, S. 12.<br />
31 Foucault beschreibt sechs Gr<strong>und</strong>sätze. Ich möchte in dieser Arbeit von fünf Merkmalen <strong>und</strong> der innersten<br />
Substanz ausgehen, da die fünf ersten Gr<strong>und</strong>sätze meines Erachtens eher Ausprägungen der Heterotopien sind<br />
<strong>und</strong> der sechste Gr<strong>und</strong>satz die Wirkung beschreibt, die sie in ihrer Umgebung haben, das was sie ausmacht.<br />
Die folgenden Ausführungen zur Heterotopologie stammen aus: Foucault. Von anderen Räumen. S. 321-327.<br />
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