Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...
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Altarraum, der im Osten „die Zukunft […] repräsentiert“ 234 , dann könnte man daraus ein<br />
Zukunftssymbol interpretieren, das bereits durch die Brüder in der Gegenwart präsent ist. Sie<br />
nehmen die Einheit der Kirche gleichnishaft vorweg. 235 Außerdem bleibt der symbolisch<br />
abgegrenzte Raum der Brüder meistens frei, wenn diese ihn nach dem Abendgebet verlassen<br />
haben – als ob sie weiterhin anwesend wären. Jeden Samstagabend findet die „Nacht der<br />
Lichter“ statt, zu der alle beim Betreten der Versöhnungskirche eine kleine Kerze bekommen.<br />
Diese werden gegen Ende des Gebets entzündet, das Licht wird von den Brüdern aus durch<br />
die gesamte Kirche weitergegeben – ein Geben <strong>und</strong> Nehmen. „Es wandert <strong>und</strong> erfüllt den<br />
weiten Raum.“ 236 Alles taucht ein in ein Lichtermeer <strong>und</strong> es entsteht ein Gefühl von Wärme,<br />
Geborgenheit <strong>und</strong> Hoffnung, bei mir war es jedenfalls so. Und Klang- <strong>und</strong> Lichtraum<br />
vermischen sich im weiteren Verlauf des Gebetes. Nach jedem Abendgebet bleiben einige<br />
Brüder in der Kirche, platzieren sich verteilt im Raum <strong>und</strong> sind ansprechbar <strong>und</strong> schaffen <strong>für</strong><br />
eine begrenzte Zeit einen konkreten dialogischen Kommunikationsraum zu den Gästen, die<br />
mit ihnen sprechen möchten.<br />
Fasst man mit Raschzok „den Gottesdienst selbst als Raum […] in dem es zur Begegnung mit<br />
dem lebendigen Gott kommt“ 237 , dann lassen sich ihm die eben entfalteten Räume zuordnen.<br />
In diesem Begegnungsraum, als einem Kommunikationsraum, der jedes Mal neu entsteht 238<br />
<strong>und</strong> dem auch die „inneren Abenteuer“ zuzuordnen sind, gibt es akustische Räume, aus<br />
Gesang, Bibelwort <strong>und</strong> Stille, optische Räume, aus Licht, Farben <strong>und</strong> Anordnungen <strong>und</strong> aus<br />
menschlicher Präsenz, die ihrerseits ineinander verwoben sind <strong>und</strong> zusätzlich noch in<br />
Beziehung zum physisch materiellen Außenraum stehen. Durch Interaktion, durch das<br />
gemeinsame Handeln – mit allen vorhandenen materiellen, leiblichen <strong>und</strong> symbolischen<br />
Elementen – entsteht im gemeinsamen Gebet ein Raum, den man mit Löw als komplexes<br />
„Beziehungsgeschehen“ bezeichnen kann. 239 Hinweisen möchte ich noch auf das symbolisch-<br />
räumliche Nebeneinanderstellen in Taizé, denn von der Krypta aus, in der morgens vor dem<br />
Gebet ein katholischer Gottesdienst gefeiert wird <strong>und</strong> deren Zugang sich etwas versteckt<br />
befindet, führt ein kleiner Gang zu einer noch versteckteren griechisch-orthodoxen Kapelle.<br />
Von außen sind orthodoxe Doppelkreuze auf den Zwiebeltürmchen der Versöhnungskirche<br />
erkennbar <strong>und</strong> im Kirchenraum befinden sich, wie bereits erwähnt, einige Ikonen. Dadurch<br />
234 Nach Grünberg. In: Woydack. Der räumliche Gott. S. 68.<br />
235 Vgl.: Stökl. Taizé. S. 9.<br />
236 Seiterich-Kreuzkamp. Die Ikonen <strong>und</strong> das Kreuz. In: Taizé. Den Geist Gottes atmen. S. 26.<br />
237 Raschzok, Klaus. Der Feier Raum geben. In: Klie. Der Religion Raum geben. S. 125.<br />
238 Vgl.: Erne. Neue Wahrnehmung des Kirchenraumes im Protestantismus. S. 46.<br />
239 Vgl.: Wüthrich, Matthias D. Raumtheoretische Erwägungen zum Kirchenraum. In: Sigrist, Christoph (Hg.).<br />
Kirchen Macht Raum. Beiträge zu einer kontroversen Debatte. Zürich 2010. S. 85.<br />
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