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Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...

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estimmt werden, denn die Kommunität sollte Raum <strong>für</strong> anderes Leben bieten, als <strong>für</strong> das,<br />

welches bisher als absurd <strong>und</strong> unverständlich erfahren wurde.<br />

Durch die steigende Zahl der Gäste, besonders der nicht-katholischen, brauchten die Brüder<br />

eine Alternative <strong>für</strong> ihre kleine „provisorische Kapelle“ im Haus <strong>und</strong> traten mit dem<br />

damaligen Bischof Lebrun in Kontakt <strong>und</strong> stellten ihn vor die Wahl entweder ein<br />

„Simultaneum“ in der Kirche einrichten zu dürfen, (wodurch eben heterotopisch Räume<br />

nebeneinander gestellt würden), oder eine neue protestantische Kirche zu bauen – was ihnen<br />

sehr widerstrebte. Er entschied sich mit folgender Begründung <strong>für</strong> ersteres: „Taizé hat heute<br />

73 Einwohner. Es ist ein sterbendes <strong>und</strong> entchristlichtes Dorf.“ 200 Mit dieser Aussage ist<br />

unterstrichen, dass sich das Dorf Taizé zur damaligen Zeit in einer Krise befand – es gab dort<br />

kaum noch dörfliches <strong>und</strong> noch weniger damit verknüpftes <strong>kirchliche</strong>s Leben. Die Kirche<br />

lässt sich in ihrem neu entstandenen Kontext eher als „Abweichungsheterotopie“ bestimmen,<br />

denn sie bot – ehemals römisch-katholisch genutzt – der Kommunität, einer protestantischen<br />

Mönchsgemeinschaft, in den folgenden Jahren Raum <strong>für</strong> Gebete <strong>und</strong> Gottesdienste, in einer<br />

zwar „entchristlichten“, aber dennoch katholisch geprägten Umgebung. Die Kirche hatte in<br />

ihrem vormaligen Ensemble, in dem sie sich räumlich auch heute noch befindet, ihre Funktion<br />

verloren, denn als dezidiert christliches Gebäude wurde sie kaum noch gebraucht. Doch mit<br />

der Kommunität, deren Lebendigkeit <strong>und</strong> Vergrößerung sie Entfaltungsraum eröffnete, stellte<br />

sie sich als „Gegenort“ in einer „sterbenden“ Umgebung dar, der sie räumlich selbst<br />

angehörte.<br />

Foucault dachte bei „Abweichungsheterotopien“ an „Orte, an denen man Menschen<br />

unterbringt, deren Verhalten vom Durchschnitt oder von der geforderten Norm abweicht.“ 201<br />

Das ist hier im eigentlichen Sinne nicht gegeben, auch wenn die Brüder als protestantische<br />

Gemeinschaft die ersten waren, die seit der Reformation ein Leben nach dem Vorbild von<br />

römisch-katholischen <strong>und</strong> orthodoxen Mönchen lebten. 202 Da die Kirche nicht <strong>für</strong> diese<br />

„Abweichung“ errichtet wurde <strong>und</strong> noch weniger dazu dienen sollte, die Brüder wieder in die<br />

umliegende Ordnung zu integrieren, blieb sie vielmehr in die Bezüge der Kommunität <strong>und</strong><br />

baulich in das Dorf eingeb<strong>und</strong>en.<br />

200 Vgl.: ebenda. S. 32. Nachricht vom 22. Mai 1948.<br />

201 Vgl.: Foucault. Von anderen Räumen. S. 322.<br />

202 Vgl.: Stökl. Taizé. S. 9.<br />

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