Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche
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Angefragt wurden außerdem e<strong>in</strong>e Reihe weiterer<br />
Journalisten und Vertreter <strong>der</strong> Politik, die ihre Mitwirkung<br />
an e<strong>in</strong>em Interview allerd<strong>in</strong>gs aufgrund<br />
term<strong>in</strong>licher Engpässe bzw. <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen aus personalpolitischen<br />
Unsicherheiten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er grundsätzlichen<br />
Skepsis gegenüber <strong>der</strong> wissenschaftlichempirischen<br />
Untersuchung ihrer Tätigkeit abgesagt<br />
haben. Darunter befanden sich folgende Personen:<br />
Ulrich Wilhelm (Regierungssprecher), Matthias Barner<br />
(Pressesprecher CDU), Matthias Geyer (Der<br />
Spiegel), Hans-Ulrich Jörges (Stern), Kurt Kister<br />
(Süddeutsche Zeitung), Georg Mascolo (Der Spiegel),<br />
Mathias Müller von Blumencron (Der Spiegel),<br />
Matthias Machnig (Staatssekretär BMU), Matthias<br />
Graf von Kielmansegg (Planungsstab Bundeskanzleramt)<br />
und Bernd Ulrich (Die Zeit).<br />
Alle Interviews wurden persönlich von den Autoren<br />
durchgeführt (Face-to-Face-Gespräch) und elektronisch<br />
aufgezeichnet. Die Stärke solcher Interviews<br />
ist geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> ihre Ergiebigkeit durch die persönliche<br />
Qualität des Kontakts zwischen Befragten und Befragern,<br />
wodurch die Gesprächssituation durch e<strong>in</strong>e<br />
weniger rout<strong>in</strong>ierte bzw. standardisierte, als vielmehr<br />
durch ernsthafte und <strong>in</strong>teraktive Atmosphäre<br />
gekennzeichnet ist (vgl. Gray [u.a.] 2007: 128). Die<br />
Interviews fanden zum überwiegenden Teil im alltäglichen<br />
Arbeitsumfeld <strong>der</strong> Journalisten statt, vornehmlich<br />
<strong>in</strong> den jeweiligen Redaktionsbüros, Newsrooms,<br />
Besprechungszimmern o<strong>der</strong> Kant<strong>in</strong>en. Durch<br />
zusätzliche Besuche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespressekonferenz<br />
konnten sich die Autoren auf diese Weise e<strong>in</strong> vergleichsweise<br />
genaues atmosphärisches Gesamtbild<br />
zu den praktischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im Hauptstadtjournalismus<br />
verschaffen. In wenigen Fällen<br />
wurde von den Befragten e<strong>in</strong>e alternative Gesprächsumgebung<br />
auf „neutralem Boden“ wie e<strong>in</strong>em<br />
Café o<strong>der</strong> dem Institut für Medien- und Kommunikationspolitik<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Fasanenstrasse vorgezogen.<br />
Die Befragungsmethode <strong>in</strong> Form qualitativer Intensiv-Interviews<br />
machte es möglich, flexibel auf den<br />
jeweiligen Gesprächsverlauf zu reagieren. Gleichzeitig<br />
wurde damit e<strong>in</strong>e gewisse Vergleichbarkeit ermöglicht.<br />
Die Schwerpunkte <strong>der</strong> Interviews bestanden<br />
– analog zu den Forschungsfragen – aus den<br />
maßgeblichen Kritikpunkten, mit denen die Hauptstadtjournalisten<br />
oftmals konfrontiert werden: Der<br />
Leitfaden griff den jeweiligen (biografischen) Zugang<br />
des Experten zum Thema und dessen „journalistisches<br />
Selbstverständnis“ bzw. dessen Selbste<strong>in</strong>schätzung<br />
<strong>der</strong> eigenen Arbeit auf (1) sowie die<br />
Themenbereiche Leitmedien/Agenda Sett<strong>in</strong>g (2),<br />
Politische Kommunikation (3), <strong>Recherche</strong> (4) und<br />
Medienpolitische Defizite (5). Die Aufnahmen <strong>der</strong><br />
Gespräche, <strong>der</strong>en Dauer zwischen ca. 45 und 90<br />
M<strong>in</strong>uten variierte, wurden von den Autoren transkribiert<br />
und standen so <strong>der</strong> Analyse zur Verfügung.<br />
3.3 Analyse und Interpretation<br />
Als Grundvoraussetzung für die lückenlose Analyse<br />
<strong>der</strong> Interviews haben wir die Tonaufnahmen vollständig<br />
transkribiert. Dabei wurde auf e<strong>in</strong>e annähernd<br />
wörtliche Wie<strong>der</strong>gabe des Gesprächsverlaufs<br />
geachtet. Gleichwohl wurden vere<strong>in</strong>zelt abgebrochene<br />
Formulierungen und auffällige Redundanzen im<br />
Gesprächskontext zusammengefasst o<strong>der</strong> weggelassen.<br />
Auf Wunsch fast aller Befragten wurde ihnen<br />
die Möglichkeit <strong>der</strong> Autorisierung e<strong>in</strong>geräumt, so<br />
dass e<strong>in</strong>e nachträgliche Bearbeitung und Freigabe<br />
des Interviews als wichtiger Faktor zur Bewertung<br />
<strong>der</strong> Äußerungen zu berücksichtigen war – und im<br />
(seltenen) Fall von s<strong>in</strong>nentstellenden Än<strong>der</strong>ungen<br />
und Streichungen die betreffenden Interview-<br />
Passagen für die thematische Analyse nicht verwendet<br />
werden konnten. Nach <strong>der</strong> (zwangsläufigen)<br />
Autorisierung wurden solche Aussagen, die für die<br />
Analyse relevant waren, hervorgehoben und nach<br />
den thematischen Schwerpunkten des Interview-<br />
Leitfadens sortiert. Darüber h<strong>in</strong>aus wurden zusätzliche<br />
Fragen, die im Fragebogen zunächst nicht berücksichtig<br />
worden waren, und die sich spontan<br />
während <strong>der</strong> Interviews ergaben, ergänzt.<br />
Danach haben wir die betreffenden Aussagen empirisch<br />
analysiert, zunächst durch die Suche nach<br />
Stichworten und durch Zuordnung zu den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Problembereichen. Für die eigentliche Interpretation<br />
wurden beson<strong>der</strong>s die wie<strong>der</strong>holt angesprochenen<br />
Themen hervorgehoben sowie s<strong>in</strong>guläre und ungewöhnliche<br />
Äußerungen gekennzeichnet. Abschließend<br />
haben wir die Aussagen unter Berücksichtigung<br />
unserer Vorüberlegungen und <strong>der</strong> Forschungsfragen<br />
<strong>in</strong>terpretiert. Bei <strong>der</strong> schriftlichen Ausarbeitung<br />
<strong>der</strong> Studie wurden die maßgeblich angesprochenen<br />
Themen um Interviewauszüge ergänzt, die<br />
sich durch ihre Deutlichkeit bei <strong>der</strong> Beschreibung<br />
e<strong>in</strong>es Problembereichs o<strong>der</strong> durch ihre beson<strong>der</strong>e<br />
Orig<strong>in</strong>alität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Wahrnehmung auszeichnen.<br />
Zitate und Zitatblöcke sollen das Verständnis<br />
des erhobenen Interview-Materials veranschaulichen<br />
und vermeiden helfen, dass die Analyse<br />
durch Komprimierung und Kategorisierung zu stark<br />
vere<strong>in</strong>facht wird.<br />
Die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen qualitativen Verfahren gewonnenen<br />
Aussagen s<strong>in</strong>d nicht repräsentativ. Sie sollen<br />
lediglich e<strong>in</strong> tieferes Verständnis <strong>der</strong> Arbeitssituationen<br />
<strong>der</strong> Hauptstadtjournalisten ermöglichen. Bei den<br />
angeführten Zitaten handelt es sich also ke<strong>in</strong>eswegs<br />
um allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dliche Tatsachenbehauptungen,<br />
son<strong>der</strong>n grundsätzlich um <strong>in</strong>dividuelle Wahrnehmungen<br />
<strong>der</strong> befragten Person, <strong>der</strong>en Wahrheitsgehalt<br />
ebenso streitbar ist wie ihr Geltungsanspruch.<br />
Außerdem besteht bei persönlich geführten Interviews<br />
das latente Risiko, dass es zu dem ungewünschten<br />
Effekt e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> Antworten<br />
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