24.11.2012 Aufrufe

Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche

Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche

Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ort <strong>in</strong>formiert werden – das ist e<strong>in</strong> Teil unserer Aufgabe.<br />

Wir müssen Journalisten auf den unterschiedlichen<br />

Ebenen <strong>in</strong>formieren, sowohl regional an den<br />

Standorten als auch auf <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Ebene, wo es<br />

um die Gesetze für diese Technologie geht. Und<br />

drittens müssen wir natürlich auch Politiker <strong>in</strong>formieren,<br />

die <strong>in</strong> ihren Wahlkreisen, <strong>in</strong> ihren Tätigkeiten<br />

nicht alles wissen können, aber über uns die Informationen<br />

über die Technik bekommen können <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Form, die sie brauchen. Dazu benutzen wir unterschiedliche<br />

Tools: Ich muss die Kommunikation anpassen,<br />

je nachdem, ob ich mit <strong>der</strong> lokalen Bevölkerung<br />

o<strong>der</strong> wissenschaftlichen Fachredakteuren <strong>der</strong><br />

FAZ spreche.“ (Michael Donnermeyer, IZ Klima)<br />

Während Außenstehende die Mechanismen solcher<br />

Lobby-Gruppen bei politischen Entscheidungsprozessen<br />

als äußerst e<strong>in</strong>flussreich e<strong>in</strong>schätzen, fühlen sich<br />

viele <strong>der</strong> von uns befragten Korrespondenten immun<br />

gegen mögliche Instrumentalisierungsversuche.<br />

Nach Ansicht von Roger Boyes, Korrespondent <strong>der</strong><br />

britischen Times und Kolumnist des Tagesspiegels,<br />

liegt das aber nicht an e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich größeren<br />

Unabhängigkeit, son<strong>der</strong>n an dem vergleichsweise<br />

niedrigen Status <strong>der</strong> Korrespondenten. Boyes gibt zu<br />

bedenken, dass zum erfolgreichen Lobby<strong>in</strong>g <strong>der</strong><br />

Verlagswirtschaft se<strong>in</strong>er Erfahrung nach durchaus<br />

kle<strong>in</strong>ere ‚Gefälligkeiten’ zwischen Politikern und <strong>der</strong><br />

Verleger- bzw. Chefredakteursebene großer Medienhäuser<br />

gehören:<br />

„Die Friede-Spr<strong>in</strong>ger-Connection ist schon existent.<br />

Und weil die SPD so langsam denkt, ist ihr das erst<br />

neulich klar geworden. Aber das ist schon <strong>in</strong>teressant.<br />

Nicht nur <strong>in</strong> den Chefredaktionen, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>in</strong> den Vorstandsetagen ist viel los und vielleicht<br />

funktioniert Sp<strong>in</strong> Doctor<strong>in</strong>g eher auf dieser<br />

Ebene, auf <strong>der</strong> Mathias-Döpfner-Ebene, und nicht so<br />

sehr auf <strong>der</strong> Kai-Diekmann-Ebene. Ich würde an<br />

Ulrich Wilhelms Stelle auch Döpfner statt Diekmann<br />

anrufen. Es sei denn, es gäbe e<strong>in</strong>e richtige Krise.<br />

O<strong>der</strong> gar Friede Spr<strong>in</strong>ger, je nachdem, was man<br />

erreichen möchte. Und dafür bekommt man dann<br />

e<strong>in</strong>en Gefallen im Gegenzug. Wenn <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destlohn<br />

nicht durchkommt und sich die Betriebskosten <strong>in</strong><br />

Grenzen halten, muss auch etwas zurückgegeben<br />

werden.“ (Roger Boyes, Times)<br />

Auch wenn e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Befragten wie Dieter Wonka<br />

(Leipziger Volkszeitung) lakonisch feststellen: „Mich<br />

belästigen die eher selten“, s<strong>in</strong>d viele Journalisten<br />

nach Me<strong>in</strong>ung von Sprecher<strong>in</strong> Ulrike H<strong>in</strong>richs, früher<br />

Fernsehreporter<strong>in</strong> bei den ZDF-Magaz<strong>in</strong>en „Kennzeichen<br />

D“ und „Frontal“, häufig <strong>der</strong> E<strong>in</strong>flussnahme von<br />

Lobby-Kreisen ausgesetzt. Diese werden zwar größ-<br />

tenteils im Gesundheitssektor vermutet, doch auch<br />

die Politikberichterstattung muss sich generell vermehrt<br />

vor <strong>in</strong>direkter Bee<strong>in</strong>flussung schützen. Mart<strong>in</strong><br />

Bialecki von <strong>der</strong> dpa erklärt:<br />

„Im Gesundheitssektor muss man zum Beispiel aufpassen<br />

wie e<strong>in</strong> Luchs. Da s<strong>in</strong>d mächtige Player unterwegs.<br />

O<strong>der</strong> Umfragen: Welche Umfrage ist von<br />

wem <strong>in</strong>itiiert und lanciert worden und wird wann<br />

veröffentlicht? Ich wun<strong>der</strong>e mich ohneh<strong>in</strong>, warum<br />

das nicht jedes Medium re<strong>in</strong>schreibt, wann e<strong>in</strong>e<br />

Umfrage geführt wurde, wie die Fehlertoleranz aussieht<br />

etc. Hat das ausschließlich Platzgründe?“ (Mart<strong>in</strong><br />

Bialecki, dpa)<br />

Demgegenüber wappnet sich die wirtschaftspolitische<br />

Berichterstattung mit e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar banalen,<br />

aber wirksamen Mittel gegen externe Instrumentalisierungsversuche.<br />

Ob Interessenvertreter, Sachverständige,<br />

Funktionäre o<strong>der</strong> Wirtschaftsanalysten zu<br />

Wort kommen: Alle Zitatgeber werden <strong>in</strong> ihren Funktionen<br />

fe<strong>in</strong> säuberlich gekennzeichnet. Carsten Lietz<br />

von Reuters sieht <strong>in</strong> dieser praktizierten Transparenz<br />

den besten Schutz journalistischer Integrität:<br />

„In Berl<strong>in</strong> machen wir es zum Beispiel so bei unserer<br />

makroökonomischen Berichterstattung, dass wir e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Leuten anrufen – wir haben relativ umfangreiche<br />

Adressenlisten, damit wir nicht immer die<br />

gleichen anrufen – und sie nach ihrer Expertenme<strong>in</strong>ung<br />

fragen. Für den Markt ist das e<strong>in</strong>e relevante<br />

News um zu sehen, wie an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>schätzen. Aber im Text ist immer klar erkennbar,<br />

woher <strong>der</strong>jenige kommt, den wir zitieren. Für Exklusivnachrichten<br />

haben wir strenge Regeln, damit<br />

unsere Storys sicher hieb- und stichfest s<strong>in</strong>d.“ (Carsten<br />

Lietz, Reuters)<br />

4.3.4. Regierungskommunikation zwischen<br />

Nähe und Äquidistanz<br />

Knapp zehn Jahre nach dem Regierungsumzug hat<br />

sich aus Sicht <strong>der</strong> Hauptstadtjournalisten nichts so<br />

stark gewandelt wie die Kommunikationspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung und ihr Umgang mit Journalisten.<br />

Beobachtet wird diese Verän<strong>der</strong>ung vorrangig an<br />

den unterschiedlichen Charakteren <strong>der</strong> Spitzenpolitiker,<br />

denen e<strong>in</strong> prägen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Art und<br />

Weise <strong>der</strong> Regierungskommunikation zugerechnet<br />

wird. Das rot-grüne Führungsduo Gerhard Schrö<strong>der</strong><br />

und Joschka Fischer vertrat im Vergleich zu Angela<br />

Merkel dabei e<strong>in</strong>en fast konträren Kommunikationsstil:<br />

mediengewandt, <strong>in</strong>szenierungsfreudig und großformatig.<br />

Tissy Bruns er<strong>in</strong>nert sich an die Risiken<br />

47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!