Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche
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Ort <strong>in</strong>formiert werden – das ist e<strong>in</strong> Teil unserer Aufgabe.<br />
Wir müssen Journalisten auf den unterschiedlichen<br />
Ebenen <strong>in</strong>formieren, sowohl regional an den<br />
Standorten als auch auf <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Ebene, wo es<br />
um die Gesetze für diese Technologie geht. Und<br />
drittens müssen wir natürlich auch Politiker <strong>in</strong>formieren,<br />
die <strong>in</strong> ihren Wahlkreisen, <strong>in</strong> ihren Tätigkeiten<br />
nicht alles wissen können, aber über uns die Informationen<br />
über die Technik bekommen können <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Form, die sie brauchen. Dazu benutzen wir unterschiedliche<br />
Tools: Ich muss die Kommunikation anpassen,<br />
je nachdem, ob ich mit <strong>der</strong> lokalen Bevölkerung<br />
o<strong>der</strong> wissenschaftlichen Fachredakteuren <strong>der</strong><br />
FAZ spreche.“ (Michael Donnermeyer, IZ Klima)<br />
Während Außenstehende die Mechanismen solcher<br />
Lobby-Gruppen bei politischen Entscheidungsprozessen<br />
als äußerst e<strong>in</strong>flussreich e<strong>in</strong>schätzen, fühlen sich<br />
viele <strong>der</strong> von uns befragten Korrespondenten immun<br />
gegen mögliche Instrumentalisierungsversuche.<br />
Nach Ansicht von Roger Boyes, Korrespondent <strong>der</strong><br />
britischen Times und Kolumnist des Tagesspiegels,<br />
liegt das aber nicht an e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich größeren<br />
Unabhängigkeit, son<strong>der</strong>n an dem vergleichsweise<br />
niedrigen Status <strong>der</strong> Korrespondenten. Boyes gibt zu<br />
bedenken, dass zum erfolgreichen Lobby<strong>in</strong>g <strong>der</strong><br />
Verlagswirtschaft se<strong>in</strong>er Erfahrung nach durchaus<br />
kle<strong>in</strong>ere ‚Gefälligkeiten’ zwischen Politikern und <strong>der</strong><br />
Verleger- bzw. Chefredakteursebene großer Medienhäuser<br />
gehören:<br />
„Die Friede-Spr<strong>in</strong>ger-Connection ist schon existent.<br />
Und weil die SPD so langsam denkt, ist ihr das erst<br />
neulich klar geworden. Aber das ist schon <strong>in</strong>teressant.<br />
Nicht nur <strong>in</strong> den Chefredaktionen, son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>in</strong> den Vorstandsetagen ist viel los und vielleicht<br />
funktioniert Sp<strong>in</strong> Doctor<strong>in</strong>g eher auf dieser<br />
Ebene, auf <strong>der</strong> Mathias-Döpfner-Ebene, und nicht so<br />
sehr auf <strong>der</strong> Kai-Diekmann-Ebene. Ich würde an<br />
Ulrich Wilhelms Stelle auch Döpfner statt Diekmann<br />
anrufen. Es sei denn, es gäbe e<strong>in</strong>e richtige Krise.<br />
O<strong>der</strong> gar Friede Spr<strong>in</strong>ger, je nachdem, was man<br />
erreichen möchte. Und dafür bekommt man dann<br />
e<strong>in</strong>en Gefallen im Gegenzug. Wenn <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destlohn<br />
nicht durchkommt und sich die Betriebskosten <strong>in</strong><br />
Grenzen halten, muss auch etwas zurückgegeben<br />
werden.“ (Roger Boyes, Times)<br />
Auch wenn e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Befragten wie Dieter Wonka<br />
(Leipziger Volkszeitung) lakonisch feststellen: „Mich<br />
belästigen die eher selten“, s<strong>in</strong>d viele Journalisten<br />
nach Me<strong>in</strong>ung von Sprecher<strong>in</strong> Ulrike H<strong>in</strong>richs, früher<br />
Fernsehreporter<strong>in</strong> bei den ZDF-Magaz<strong>in</strong>en „Kennzeichen<br />
D“ und „Frontal“, häufig <strong>der</strong> E<strong>in</strong>flussnahme von<br />
Lobby-Kreisen ausgesetzt. Diese werden zwar größ-<br />
tenteils im Gesundheitssektor vermutet, doch auch<br />
die Politikberichterstattung muss sich generell vermehrt<br />
vor <strong>in</strong>direkter Bee<strong>in</strong>flussung schützen. Mart<strong>in</strong><br />
Bialecki von <strong>der</strong> dpa erklärt:<br />
„Im Gesundheitssektor muss man zum Beispiel aufpassen<br />
wie e<strong>in</strong> Luchs. Da s<strong>in</strong>d mächtige Player unterwegs.<br />
O<strong>der</strong> Umfragen: Welche Umfrage ist von<br />
wem <strong>in</strong>itiiert und lanciert worden und wird wann<br />
veröffentlicht? Ich wun<strong>der</strong>e mich ohneh<strong>in</strong>, warum<br />
das nicht jedes Medium re<strong>in</strong>schreibt, wann e<strong>in</strong>e<br />
Umfrage geführt wurde, wie die Fehlertoleranz aussieht<br />
etc. Hat das ausschließlich Platzgründe?“ (Mart<strong>in</strong><br />
Bialecki, dpa)<br />
Demgegenüber wappnet sich die wirtschaftspolitische<br />
Berichterstattung mit e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar banalen,<br />
aber wirksamen Mittel gegen externe Instrumentalisierungsversuche.<br />
Ob Interessenvertreter, Sachverständige,<br />
Funktionäre o<strong>der</strong> Wirtschaftsanalysten zu<br />
Wort kommen: Alle Zitatgeber werden <strong>in</strong> ihren Funktionen<br />
fe<strong>in</strong> säuberlich gekennzeichnet. Carsten Lietz<br />
von Reuters sieht <strong>in</strong> dieser praktizierten Transparenz<br />
den besten Schutz journalistischer Integrität:<br />
„In Berl<strong>in</strong> machen wir es zum Beispiel so bei unserer<br />
makroökonomischen Berichterstattung, dass wir e<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Leuten anrufen – wir haben relativ umfangreiche<br />
Adressenlisten, damit wir nicht immer die<br />
gleichen anrufen – und sie nach ihrer Expertenme<strong>in</strong>ung<br />
fragen. Für den Markt ist das e<strong>in</strong>e relevante<br />
News um zu sehen, wie an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>schätzen. Aber im Text ist immer klar erkennbar,<br />
woher <strong>der</strong>jenige kommt, den wir zitieren. Für Exklusivnachrichten<br />
haben wir strenge Regeln, damit<br />
unsere Storys sicher hieb- und stichfest s<strong>in</strong>d.“ (Carsten<br />
Lietz, Reuters)<br />
4.3.4. Regierungskommunikation zwischen<br />
Nähe und Äquidistanz<br />
Knapp zehn Jahre nach dem Regierungsumzug hat<br />
sich aus Sicht <strong>der</strong> Hauptstadtjournalisten nichts so<br />
stark gewandelt wie die Kommunikationspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung und ihr Umgang mit Journalisten.<br />
Beobachtet wird diese Verän<strong>der</strong>ung vorrangig an<br />
den unterschiedlichen Charakteren <strong>der</strong> Spitzenpolitiker,<br />
denen e<strong>in</strong> prägen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Art und<br />
Weise <strong>der</strong> Regierungskommunikation zugerechnet<br />
wird. Das rot-grüne Führungsduo Gerhard Schrö<strong>der</strong><br />
und Joschka Fischer vertrat im Vergleich zu Angela<br />
Merkel dabei e<strong>in</strong>en fast konträren Kommunikationsstil:<br />
mediengewandt, <strong>in</strong>szenierungsfreudig und großformatig.<br />
Tissy Bruns er<strong>in</strong>nert sich an die Risiken<br />
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