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Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche

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5<br />

Fazit<br />

Resümee und praktische Handlungsempfehlungen<br />

Das gegenwärtige Interesse am so genannten<br />

‚Hauptstadtjournalismus’ hat bereits mehrere Publikationen<br />

nach sich gezogen, die sich allesamt po<strong>in</strong>tiert-essayistisch<br />

und e<strong>in</strong>vernehmlich-kritisch mit den<br />

medienpolitischen Konvulsionen <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er <strong>Republik</strong><br />

befassen. Wie diese Studie e<strong>in</strong>gehend dokumentiert,<br />

bietet sich zweifellos e<strong>in</strong> enormer kommunikationswissenschaftlicher<br />

Erkenntnisgew<strong>in</strong>n, wenn die<br />

Akteure <strong>in</strong> ihren vielfältigen Erfahrungs- und Arbeitskontexten<br />

selbst zu Wort kommen. Die empirischen<br />

Ergebnisse zeigen maßgebliche Probleme und<br />

Mängel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politikberichterstattung auf, sie bestätigen<br />

e<strong>in</strong>ige weit verbreitete Vorurteile, überraschen<br />

aber auch mit neuen Resultaten, die nachfolgend<br />

noch e<strong>in</strong>mal zusammengefasst werden, bevor abschließend<br />

auf e<strong>in</strong>ige Empfehlungen und Ratschläge<br />

<strong>in</strong> medienpraktischer Absicht e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

5.1 Selbstverständnis und Biografien <strong>der</strong> Akteure<br />

Die biografischen Werdegänge <strong>der</strong> befragten Hauptstadtjournalisten<br />

und Pressesprecher s<strong>in</strong>d ebenso<br />

verschieden wie die Auffassungen ihrer e<strong>in</strong>zelnen<br />

Berufsrolle(n): E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Befragten waren vor ihrer<br />

Journalisten- und Sprecherlaufbahn parteipolitisch<br />

aktiv, manche lehnten genau dies aus ethischen<br />

Gründen vehement ab, viele volontierten o<strong>der</strong> arbeiteten<br />

bereits während des Studiums journalistisch,<br />

für an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um kam <strong>der</strong> Wechsel <strong>in</strong> den <strong>Journalismus</strong><br />

bzw. <strong>in</strong>s politische Sprecheramt eher unvermittelt.<br />

Zwei Drittel <strong>der</strong> Journalisten erklärten, ihr<br />

Beruf sei schon immer ihr Ziel gewesen; <strong>der</strong> Großteil<br />

war bereits zu Schüler- und Studienzeiten journalistisch<br />

aktiv. Vier <strong>der</strong> Befragten s<strong>in</strong>d Quere<strong>in</strong>steiger,<br />

die erst e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Job ergriffen und ihre journalistische<br />

Berufung mit Verzögerung entdeckten. So<br />

arbeitete Brigitte Fehrle von <strong>der</strong> Zeit zunächst mehrere<br />

Jahre als Buchhändler<strong>in</strong>, bevor sie sich für e<strong>in</strong><br />

Studium und den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den <strong>Journalismus</strong> entschied.<br />

Ulrich Deppendorf (ARD) absolvierte nach<br />

se<strong>in</strong>em Jura-Studium die Referendariatszeit, bevor<br />

er sich beim Westdeutschen Rundfunk um e<strong>in</strong> Volontariat<br />

bewarb. Bemerkenswert ist auch, dass die<br />

überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> befragten Vertreter <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit und <strong>der</strong> Beraterbranche vor<br />

ihrer jetzigen Tätigkeit als Journalist(<strong>in</strong>n)en gearbeitet<br />

haben.<br />

Unterschiedlich fällt das Rollen-Selbstverständnis vor<br />

allem <strong>der</strong> journalistischen Akteure aus: Während<br />

sich die e<strong>in</strong>en eher als re<strong>in</strong>e Chronisten <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er<br />

<strong>Republik</strong> und Dienstleister <strong>der</strong> Öffentlichkeit verstehen,<br />

sehen sich die an<strong>der</strong>en als „Vierte Gewalt“, die<br />

den politischen Machtapparat kontrollieren wollen.<br />

Viele von ihnen begannen ihre Karriere bereits <strong>in</strong><br />

Bonn, mussten sich jedoch dem Umzug <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

beugen und mit ihren Redaktionen bzw.<br />

M<strong>in</strong>isterien mit <strong>in</strong> die Hauptstadt wechseln; nur wenige,<br />

meistens Jüngere, starteten ihre Laufbahn erst<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>ige waren zuvor Auslandskorrespondenten<br />

<strong>in</strong> europäischen Hauptstädten. Dabei haben alle<br />

ihre ursprünglichen beruflichen Ziele und Erwartungen<br />

heruntergeschraubt o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest relativiert;<br />

nur wenige haben die Verhältnisse des Hauptstadtjournalismus<br />

neuer Prägung und <strong>der</strong> politischen<br />

Kommunikation so antizipiert, wie sie heute s<strong>in</strong>d.<br />

Was (fast) sämtlichen Befragten ebenfalls geme<strong>in</strong>sam<br />

ist: Sie halten ihre Tätigkeit e<strong>in</strong>erseits für beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig und gestehen e<strong>in</strong>, selbst „wichtigtuerisch“<br />

zu se<strong>in</strong> – wenngleich sie sich nicht mit dem<br />

Prädikat des „Alpha-Journalisten“ schmücken wollen<br />

(dies sei an<strong>der</strong>en Wichtigtuern vorbehalten, vor<br />

allem den prom<strong>in</strong>enten Publizisten, Mo<strong>der</strong>atoren und<br />

Chefredakteuren). An<strong>der</strong>erseits wird beklagt, dass<br />

sich die Branche zunehmend <strong>in</strong> Alpha- und Omegatiere<br />

aufspaltet: die Medienprom<strong>in</strong>enz und die „Medienbrötler“.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Extrempole<br />

lassen sich <strong>in</strong>sgesamt fünf Hauptstadtjournalisten-Typen<br />

unterscheiden, die sich durch spezifische<br />

Arbeitsweisen und ihre Kenntlichkeit unterscheiden:<br />

� Die „Alpha-Journalisten“ stehen ganz oben <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> publizistischen Hackordnung und dom<strong>in</strong>ieren<br />

durch ihre exponierte Stellung die Deutungshoheit<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> politischen Berichterstattung.<br />

� Redaktions- und Ressortleiter von Leitmedien<br />

s<strong>in</strong>d im Berl<strong>in</strong>er Politikbetrieb hoch angesehen<br />

und rege umworben, aber außerhalb des<br />

Alltagsgeschäfts ke<strong>in</strong>e wirklichen Berühmtheiten.<br />

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