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Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche

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„Die gestalterische, beratende Rolle dieser Stiftungen<br />

als Th<strong>in</strong>k Tanks habe ich dagegen sehr viel<br />

deutlicher im Ausland wahrgenommen, <strong>in</strong> Russland,<br />

<strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e, Georgien, wo sie e<strong>in</strong>e stark <strong>in</strong>tegrierende<br />

Funktion hatten und teils als Sammelbecken für<br />

NGOs fungierten, die sich über das herrschende<br />

System h<strong>in</strong>aus Gehör verschaffen wollten.“ (Sab<strong>in</strong>e<br />

Adler, Deutschlandfunk)<br />

Dem Politikbetrieb aufgrund dieser E<strong>in</strong>schätzungen<br />

e<strong>in</strong>e Beratungsabneigung zu besche<strong>in</strong>igen, wäre<br />

jedoch schlicht falsch. Zu sehr hat sich das politische<br />

Gravitationsfeld <strong>in</strong>zwischen auf e<strong>in</strong>e publikumswirksame<br />

Medienpräsenz e<strong>in</strong>gependelt, als dass Parteien<br />

und Politiker auf <strong>in</strong>dividuelle Ratschläge von Medienschaffenden<br />

komplett verzichten wollen. Seitenwechsler<br />

wie Richard Meng, Christoph Schmitz, Michael<br />

Donnermeyer und Michael Spreng haben es<br />

als ehemalige Journalisten und spätere Politikberater<br />

bzw. Pressesprecher vorgemacht, ihrem Beispiel<br />

werden spätestens zum Wahljahr 2009 weitere Kollegen<br />

folgen. Obgleich diese professionellen Grenzübertritte<br />

aus Sicht <strong>der</strong> Befragten an sich nichts<br />

Anrüchiges darstellen, solange sie offiziell und<br />

transparent vollzogen werden, weist Brigitte Fehrle<br />

von <strong>der</strong> Zeit auf e<strong>in</strong> Hauptproblem vieler Journalisten<br />

h<strong>in</strong>, die gelegentlich aus ihrer Beobachterrolle<br />

fielen und <strong>in</strong> Gesprächen mit Politikern auch schon<br />

mal (unfreiwillig) ihre Kompetenzen überschritten:<br />

Sie persönlich kenne zwar ke<strong>in</strong>e Situationen, <strong>in</strong> denen<br />

„Journalisten den Politikern sagen, wie sie es<br />

eigentlich machen müssten“, aber die Gefahr, dass<br />

Journalisten – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung auf e<strong>in</strong>en besseren<br />

Job im M<strong>in</strong>isterium? – ungefragt zu politischen Beratern<br />

würden, sei durchaus gegeben. Thomas Kröter<br />

(Frankfurter Rundschau) plädiert daher für e<strong>in</strong> klares<br />

Rollenverständnis: „Als Journalist b<strong>in</strong> ich Journalist.<br />

Als Pressesprecher o<strong>der</strong> Berater b<strong>in</strong> ich Sprecher<br />

o<strong>der</strong> Berater. Ich kann aus <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en für die an<strong>der</strong>e<br />

Rolle lernen, ich darf sie aber nicht vermischen.“<br />

4.3.3. Opportunismus o<strong>der</strong> gesellschaftliche<br />

Verantwortung? E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Lobbyisten<br />

Der im April 2008 vom ARD-Magaz<strong>in</strong> „Monitor“ publizierte<br />

Skandal um die Beschäftigung von 300 Vertretern<br />

aus Unternehmen und Verbänden <strong>in</strong> Bundesbehörden<br />

zwischen 2004 und 2006 verdeutlicht,<br />

dass E<strong>in</strong>flussnahmen durch Interessensvertreter aus<br />

<strong>der</strong> Privatwirtschaft auf die Bundespolitik e<strong>in</strong>e weitaus<br />

größere Bedeutung haben als e<strong>in</strong>zelne Kommunikations-<br />

und Politikberater. Jürgen Hogrefe, vormals<br />

Spiegel-Redakteur und <strong>in</strong>zwischen Generalbevollmächtigter<br />

des Energieversorgers EnBW, sieht <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Entscheidungsträgern<br />

aus Politik und Wirtschaft durchaus e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Verantwortung:<br />

„Das Wichtigste ist, e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür herzustellen,<br />

dass die Teilhabe <strong>der</strong> Wirtschaft am politischen<br />

Prozess etwas Wünschenswertes ist und nicht etwas<br />

Destruktives. Ich sehe es so, dass wir als Unternehmen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zivilgesellschaft nicht nur gesellschaftliche<br />

Verantwortung tragen, son<strong>der</strong>n uns auch <strong>in</strong> den<br />

gesellschaftlichen Entwicklungsprozess e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

müssen. Dieses Verständnis muss die Voraussetzung<br />

dafür se<strong>in</strong>, wie wir agieren. Kommunikationsstrategien<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Teilhabe <strong>der</strong> Unternehmen<br />

an politischen Prozessen sehen so aus, dass wir erst<br />

e<strong>in</strong>mal mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reden. Das ist die simpelste<br />

Form des kommunikativen Austausches. So f<strong>in</strong>den<br />

wir heraus, was unser Gegenüber vorhat und wie es<br />

denkt. […] Ich for<strong>der</strong>e aktiv e<strong>in</strong>en Code of Conduct<br />

für die Weise, wie sich die Politik, die Öffentlichkeit<br />

und die Wirtschaft zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Benehmen setzen.<br />

Dies ist <strong>der</strong> zw<strong>in</strong>gend notwendige Prozess <strong>der</strong> Integration<br />

<strong>der</strong> Unternehmen und <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt<br />

als e<strong>in</strong> Bestandteil e<strong>in</strong>er offenen Zivilgesellschaft.<br />

Wir s<strong>in</strong>d gerade dabei, die Spielregeln dafür<br />

zu entwickeln, und ich b<strong>in</strong> aktiver Träger dieses<br />

Prozesses im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Öffnung von Unternehmen<br />

als Teilhaber am öffentlichen Geme<strong>in</strong>leben. Das ist<br />

Teil me<strong>in</strong>es Kommunikationsjobs.“ (Jürgen Hogrefe,<br />

EnBW)<br />

„Lobbyarbeit ist nichts Anrüchiges“, konstatiert auch<br />

Michael Donnermeyer, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er im Oktober<br />

2007 übernommenen Funktion als Geschäftsführer<br />

des IZ Klima nach eigener Aussage <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

dafür sorgt, e<strong>in</strong>e „bislang sehr wenig beachtete<br />

Technologie, die noch im Entstehen ist und die Nutzung<br />

von Kohle klimafreundlich ermöglicht, politisch<br />

und öffentlich so zu positionieren, dass sie <strong>in</strong> ihrer<br />

Bedeutung wahrgenommen wird.“ Träger und Grün<strong>der</strong><br />

s<strong>in</strong>d zwar unter an<strong>der</strong>em die vier größten deutschen<br />

Stromkonzerne – EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall<br />

Europe –, allerd<strong>in</strong>gs sei das IZ Klima mitnichten<br />

e<strong>in</strong> „Lobbyverband“: „Allenfalls machen wir Lobby<br />

fürs Klima, nicht für unsere Mitgliedsunternehmen“,<br />

so Donnermeyer. Um das Anliegen des Informationszentrums<br />

bekannter zu machen, vermittelt<br />

Donnermeyer „mittendr<strong>in</strong>“ im Kommunikationsgeflecht<br />

zwischen Politikern, Medien und Öffentlichkeit:<br />

„Wir s<strong>in</strong>d dafür da, die genannten Gruppen zu <strong>in</strong>formieren,<br />

sprich: <strong>in</strong> die Politik h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu kommunizieren.<br />

Das heißt konkret: Wenn irgendwo e<strong>in</strong><br />

Standort gefunden wird, wo CO2 <strong>in</strong> die Erde gebracht<br />

werden soll, dann muss die Bevölkerung vor<br />

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