Journalismus in der Berliner Republik - Netzwerk Recherche
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Zeiten von Schrö<strong>der</strong> zum Beispiel mit dem außenpolitischen<br />
Berater Joachim Bitterlich Kontakt zu pflegen<br />
o<strong>der</strong> auch mit se<strong>in</strong>em Vorgänger. Bei Kohl war<br />
es ebenso wenig e<strong>in</strong> Problem.“ (Ma<strong>in</strong>hard Graf Nayhauß,<br />
Bild/Bunte/Netzeitung)<br />
Bei Auslandsreisen <strong>der</strong> Kanzler<strong>in</strong> ergibt sich außerdem<br />
immer häufiger e<strong>in</strong> Streit über die mitreisenden<br />
Journalisten. „Irgendjemand hat den Airbus geschrumpft“,<br />
argwöhnt AP-Leiter Thomas Rietig. Ke<strong>in</strong>e<br />
Frage: Je<strong>der</strong> Kanzler hat se<strong>in</strong>e Günstl<strong>in</strong>ge unter<br />
den Journalisten, Merkel aber geht es nach E<strong>in</strong>schätzung<br />
<strong>der</strong> Befragten nur um die Auflage und<br />
Verbreitung <strong>der</strong> jeweiligen Medien. Unter den Nachrichtenagenturen<br />
hat sich bereits e<strong>in</strong>e Initiative zur<br />
E<strong>in</strong>for<strong>der</strong>ung des ‚Flugbegleitungs-Rechts’ für die<br />
fünf <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> tätigen Agenturen gebildet, von denen<br />
laut Rietig für gewöhnlich nur die dpa e<strong>in</strong>geladen<br />
wird. Auch die Regionalpresse fühlt sich häufig benachteiligt<br />
– Thomas Wittke spricht von e<strong>in</strong>er „95prozentigen<br />
Ausschlussquote“:<br />
„Man kündigt diese Reisen gar nicht erst an. Man<br />
telefoniert mit se<strong>in</strong>er favorisierten Klientel, und konfrontiert<br />
die geneigte Öffentlichkeit dann damit, dass<br />
Ste<strong>in</strong>meier heute <strong>in</strong> den Nahen Osten fliegt. Da ist<br />
demokratische Selektion ausgeschlossen, das ist<br />
e<strong>in</strong>e Klüngelwirtschaft, die schon unter Joschka Fischer<br />
begonnen hat. […] Wir als Regionalzeitungen<br />
laufen zunehmend gegen Stahlwände. Auch bei den<br />
Flugbegleitungen: Von den Regionalzeitungen, also<br />
e<strong>in</strong>em Pressetypus, <strong>der</strong> 90 Prozent <strong>der</strong> Medienlandschaft<br />
<strong>in</strong> Deutschland repräsentiert, darf meistens<br />
nur e<strong>in</strong>er mit. Wo bleibt da bitteschön e<strong>in</strong>e agenturunabhängige,<br />
eigenständige Berichterstattung <strong>in</strong> den<br />
regionalen Medien, wenn die Politik so gespielt wird!<br />
Und wenn man dieses Problem anspricht, dann zeigt<br />
man nur im Presseamt mit dem F<strong>in</strong>ger nach oben<br />
und sagt: ,Die will das so‘.“ (Thomas Wittke, Bonner<br />
General-Anzeiger)<br />
Kritiker wie Wittke sehen demgegenüber die Journalisten<br />
<strong>der</strong> Spr<strong>in</strong>ger-Presse und die Quotenbr<strong>in</strong>ger<br />
unter den TV-Redaktionen klar im Vorteil; während<br />
Regionalzeitungen zunehmend gegen Stahlwände<br />
laufen, habe Merkel das „Bild, BamS, Glotze“-Pr<strong>in</strong>zip<br />
perfektioniert.<br />
4.3.5. Die SMS-Revolution<br />
Wenn dpa-Bürochef Mart<strong>in</strong> Bialecki erklärt, dass er<br />
und se<strong>in</strong>e Kollegen „Drähte legen“, dann me<strong>in</strong>t er<br />
Politiker, die bereit s<strong>in</strong>d, sich als Informanten zur<br />
Verfügung zu stellen. Entsprechende Kontakte wer-<br />
den – oft auch kurzfristig – vor entscheidenden Ausschusssitzungen<br />
o<strong>der</strong> Verhandlungsrunden geknüpft,<br />
dann wird gewartet, bis es „Piep“ macht. Die Mobiltelefonie,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Versenden von SMS, ist<br />
zum Grundpfeiler <strong>der</strong> politischen Kommunikation<br />
geworden und dabei mehr als e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Kommunikationsmittel<br />
zum Zweck, son<strong>der</strong>n gleichsam Ausdruck<br />
e<strong>in</strong>es Wandels vom persönlichen Austausch zu<br />
e<strong>in</strong>er schnellen und zugleich unverb<strong>in</strong>dlichen Gesprächskultur,<br />
wie Ex-RTL-Chefkorrespondent Gerhard<br />
Hofmann glaubt:<br />
„Die SMS ist deshalb so hilfreich, weil sie nicht den<br />
gesellschaftlich relevanten, konventionellen Charakter<br />
e<strong>in</strong>es Briefes beziehungsweise Faxes hat, den<br />
bzw. das man eigentlich beantworten ,muss‘ und wo<br />
es ke<strong>in</strong> Affront ist, wenn man es nicht macht. Bei<br />
<strong>der</strong> SMS kann je<strong>der</strong> so tun, als habe er sie nicht<br />
gekriegt. Ich simse mit Politikern, mit Kollegen, mit<br />
Büroleitern, mit Pressesprechern, mit Leuten <strong>in</strong> M<strong>in</strong>isterien,<br />
im Bundestag, Mitarbeitern von Abgeordneten<br />
usw. Ich nutze die SMS wesentlich mehr als<br />
die E-Mail und fast mehr als das Telefon. Angenommen,<br />
es eilt das Gerücht durch Berl<strong>in</strong>, natürlich<br />
,re<strong>in</strong> theoretisch‘, dass Franz Müntefer<strong>in</strong>g sich mit<br />
dem Gedanken trägt, zurückzutreten; dann würde<br />
man zunächst versuchen, se<strong>in</strong>en Sprecher zu erreichen,<br />
um zu fragen, was an <strong>der</strong> Information dran<br />
ist. Und dann schickt man die Frage, was an dem<br />
Gerücht wahr ist, als SMS an 25 bis 30 Kollegen,<br />
Abgeordnete und an<strong>der</strong>e Insi<strong>der</strong>, und e<strong>in</strong>ige reagieren.<br />
Das ist e<strong>in</strong> Riesenvorteil, e<strong>in</strong>e knappe Frage<br />
gleichzeitig 30 Menschen stellen zu können.“ (Gerhard<br />
Hoffmann, RTL/ n-tv)<br />
In Berl<strong>in</strong> seien die neuen <strong>in</strong>formellen Kommunikationskanäle<br />
auch deshalb so wichtig, weil sich Journalisten<br />
und Politiker nur noch selten über den Weg<br />
laufen, erklärt Holger Schmale:<br />
„In Bonn waren wir im Pressehaus am Tulpenfeld,<br />
gegenüber lag das Abgeordnetenhochhaus, wo auch<br />
die Grünen saßen. Ich konnte aus me<strong>in</strong>em Fenster<br />
sehen, wenn Joschka Fischer aufbrach, um <strong>in</strong> die<br />
Fraktionssitzung zu gehen, und konnte ihn dann<br />
gemütlich unten abpassen und e<strong>in</strong> Gespräch beg<strong>in</strong>nen.<br />
Das ist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> völlig unmöglich. […] SMS<br />
bestimmt die Kommunikation <strong>in</strong>sofern, als wir dadurch<br />
jetzt aus noch laufenden Sitzungen Informationen<br />
zugespielt bekommen. Dafür müssen Sie<br />
dann aber mit manchen Leuten <strong>in</strong> wirklich gutem<br />
Kontakt stehen und aufpassen, ob man damit nicht<br />
doch <strong>in</strong>strumentalisiert wird. Häufig ist es ja so, dass<br />
<strong>der</strong> Politiker, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Information raus lässt, e<strong>in</strong><br />
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