AG 4 | <strong>Partizipation</strong>spotenziale und Beteiligungsformen <strong>von</strong> jungen Flüchtlingenbeitssystem bereit sind, ihre Machtfür die Interessen der jungen Flüchtlingeeinzusetzen. Und dies in einemviel stärkeren Maß, als es bisher derFall war.• Jugendliche Flüchtlinge müssenals Teil der Jugend in diesemLand gesehen werden. ImBereich der Jugendarbeit undJugendverbandsarbeit hat sichhier einiges getan. In der Breiteder Jugendarbeit sind sie aberimmer noch eine „Rand-Zielgruppe“.• Wir brauchen eine starkeSelbstorganisation und Selbstartikulation<strong>von</strong> jugendlichenFlüchtlingen. Die Organisation„Jugendliche ohne Grenzen“ istdabei ein wichtiger <strong>Beitrag</strong> fürmich. Auch hier sehe ich diejenigen,die über Zugänge zu Entscheidungsträgernverfügen, inder Verantwortung, die Türenfür diese Jugendlichen zu öffnen.• Wir müssen uns mit dem verstecktenund offenen Rassismusauseinandersetzen.• Wir müssen aktiv auf jugendlicheFlüchtlinge zugehen, unddürfen nicht darauf warten,dass sie den Weg in unsere <strong>Ein</strong>richtungenfinden.• Die rechtlichen Rahmenbedingungenmüssen sich verändern.Der dritte Jugendintegrationsgipfel,der im April 2012 auf <strong>Ein</strong>ladungder Bundesregierung stattfand, forderteeine weniger restriktive AsylundZuwanderungspolitik! Als Beispielführten die Jugendlichen an:<strong>Ein</strong>führung einer doppelten Staatsbürgerschaft,besserer Zugang zumArbeitsmarkt, Abschaffung derResidenzpflicht für Migranten mitdem Aufenthaltsstatus »Duldung«,Abschaffung des Aufenthaltsstatus»Duldung«.Auch an diesen Forderungen ist zusehen, wie viel noch zu tun bleibt,um eine Teilhabe für junge Flüchtlingezu ermöglichen.Input: Selbstorganisationund <strong>Partizipation</strong> <strong>von</strong> undfür junge FlüchtlingeMohammed Jouni (JoG Berlin-Brandenburg)Teilhabe = Anerkennung und Autonomieals (Mit-)Bürger:• Gleiche politische, soziale undkulturelle Rechte.• Gleichberechtigte Mitwirkung inallen gesellschaftlichen Angelegenheiten.• Teilhabe ≠„Integration“.Selbstorganisation:• Selbstregulierung, Selbstverantwortung(jeder und jede gesellschaftlicheGruppe ist für sichselbst verantwortlich)• Kollektives Mittel zur Durchsetzungeigener Rechte und Interessen,Selbstermächtigung (Empowerment)benachteiligter Gruppen• EmanzipationSpezifische Bedingungen jungerFlüchtlinge:• Verweigerung <strong>von</strong> Teilhabe undSelbstbestimmung <strong>durch</strong> die „offizielle“Gesellschaft (sie sindunerwünscht und kriegen das zuspüren).• Rechtlosigkeit <strong>durch</strong> Ausländergesetze(und Behördenpraxis)und Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention.• Diskriminierung, Rassismus, hohesMaß „gruppenbezogenerMenschenfeindlichkeit“.• Erzwungene Passivität: KeineArbeitserlaubnis, keine „Schulpflicht“,paternalistische Sozialarbeiter,Residenzpflicht, Unterbringungin Lagern und Heimen.Entwicklung längerfristiger Perspektiveunmöglich bzw. unerwünscht:• Ambivalente Folgen der „Minderjährigkeit“:erhöhter Schutzanspruch(Frage der Altersgrenzen),Missachtung <strong>von</strong> Kompetenzenund verweigerte Autonomie und<strong>Partizipation</strong> (Altersdiskriminierung).50 | Dokumentation | <strong>Inklusion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Partizipation</strong>
AG 4 | <strong>Partizipation</strong>spotenziale und Beteiligungsformen <strong>von</strong> jungen FlüchtlingenDie JOG- Anfänge:2002:• Bleiberechtsinitiative <strong>von</strong> Jugendlichendes Betreuungs- und Beratungszentrumfür junge Flüchtlingeund Migranten (BBZ)• <strong>Ein</strong>satz in eigener Sache.• Großzügige Bleiberechtsregelung.2005:• Erste Aktion parallel zur IMK.• Offizielle Gründung <strong>von</strong> „Jugendlicheohne Grenzen“.• Aktionsprogramm „Hier Geblieben“mit BBZ- Bleiberechtsinitiative,FIB,, Banda Agita (Grips Theater),Pro Asyl, Flüchtlingsräte.Aktionsformen:• Gegenseitige Unterstützung• Interkulturelle Treffen.• Verhinderung <strong>von</strong> Abschiebungen.• Teilnahme an Fachtagungen undSeminaren.• Forderungen an Politiker herantragen.• DEMO, Kundgebungen, Mahnwachen.• Organisation <strong>von</strong> Infoveranstaltungenfür Presse, Schulen, andereOrganisationen.• Vernetzungstreffen (3-4 mal imJahr).• Jugendkonferenzen parallel zuder IMK.Selbstorganisationspotenziale:• Lebenserfahrungen (die jungeDeutsche nicht machen müssen)= viele Ressourcen.• Sprachkompetenzen.• Authentizität: Vorurteile werdenabgebaut und Jugendlicheentwickeln sich. Sie stellen sichvor, sie rebellieren, sie ändernihre Situation.• Frühere Erfahrung <strong>von</strong> Verantwortungsübernahmein der Herkunftsgesellschaft:Viele habensich politisch engagiert. VieleBegleitete übernehmen die Rolledes Vaters bzw. der Mutter.• Hohe Motivation, etwas zu lernen.• Kenntnis und Berufung auf Kinder-und Menschenrechte, allerdingsmeist zu wenig oder garnicht vorhanden.• Positive Gruppenerfahrungen(Jungen, Mädchen).• Erfahrung <strong>von</strong> Solidarität (z.B.Schulklasse, Freunde, Lehrer).• Beratungs- und Unterstützungsangebote<strong>durch</strong> Organisationen,nicht aus Nächstenliebe, sondernpolitische Arbeit, Kontaktezur Verfügung stellen, pädagogischeArbeit, Reflexion der Arbeitin der Gruppe.• Wichtig sind professionelle Betreuer_innen,die Raum bietenund ermutigen.• Internet, eigene Medien, Medienpräsenz.Kontakt:www.jogspace.netwww.twitter.com/jogspacewww.facebook.com/jogspacewww.hier.geblieben.netE-Mail: jog@jogspace.netModeration: Marissa Turac (AG 5, <strong>BBE</strong>)Nach ausführlichen Impulsreferaten<strong>von</strong> Mohammed Jouni und RenateJanßen zu den <strong>Partizipation</strong>spotenzialenund Beteiligungsformen <strong>von</strong>jungen Flüchtlingen werden im Folgendendie wesentlichen Ergebnisseder Arbeitsgruppe festgehalten.Gefordert wird:• <strong>Ein</strong> Perspektivwechsel hin zu einerressourcenorientierten Flüchtlingsarbeit.• Die volle Anwendung des KinderundJugendhilfegesetzes auf unbegleiteteminderjährige Flüchtlinge(UMF).• <strong>Ein</strong>e Anpassung der deutschenRechtslage an die UN-Kinderrechtskonvention.Im <strong>Ein</strong>zelnen:Verstärkter Fokus auf das Kindeswohl,Handlungsfähigkeit derunbegleiteten minderjährigenFlüchtlinge auf 18 Jahre heraufsetzen,Inobhutnahme <strong>durch</strong> dasJugendamt auch im Flughafenverfahren,keine Überstellungenim Dublin II Verfahren, keine Anwendungdes Asylbewerberleistungsgesetzes,keine Abschiebehaftund keine Abschiebung.Darüber hinaus werden folgende integrationspolitischenForderungenformuliert:• Bundesweite Zuständigkeit <strong>von</strong>Integrationsbeauftragten auch fürFlüchtlinge (insbesondere fürKinder und Jugendliche).• Verstärkte Berücksichtigung <strong>von</strong>unbegleiteten minderjährigenFlüchtlingen bei integrationspolitischenEntscheidungen undMaßnahmen.• Bundesweite Aufhebung der Residenzpflicht.• Freier Zugang zu Bildungsangeboten.• Bewegungsfreiheit auf europäischerEbene.• <strong>Ein</strong>beziehung des soziales Engagementsund Integrationswillensjunger Flüchtlinge in aufenthaltsrechtlichenFragen.In Bezug auf das Kinder- und Jugendhilfesystemwird Folgendesformuliert:• <strong>Partizipation</strong> <strong>von</strong> jungen Flüchtlingenist möglich und nötig – auchunter den bestehenden rechtlichenRahmenbedingungen.• Das deutsche Jugendhilfesystemsowie <strong>Ein</strong>richtungen und Institutionen,die sich an Jugendlicherichten, wie z.B. Freiwiligenagenturen,Freiwilligendienste etc.,müssen junge Flüchtlinge alsihre Zielgruppe erkennen undsich dieser verstärkt öffnen.• <strong>Ein</strong>e starke Selbstorganisationund Selbstartikulation <strong>von</strong> jungenFlüchtlingen braucht starkePartner, die ihnen die Zugängezu Entscheidungsträgern öffnen.Dokumentation | <strong>Inklusion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Partizipation</strong> | 51