68 | <strong>Kulinarium</strong> <strong>Algarve</strong> n°2 Dezember 2013WandernWildkräuterwanderungan der <strong>Algarve</strong>dieser Mann ist einPhänomen. Schonnach wenigenSätzen hat ersich eine gebanntlauschende Zuhörerschafterobert. Stunden später: Nochimmer weiß er Staunenswerteszu berichten. Manchemtut sich eine neue Welt auf,und dies durchaus auch imübertragenen Sinne.Ein sonniger, aber kühlerVorfrühlingsmorgen in denBergen von Monchique.„Martins <strong>Kulinarium</strong>“hat eingeladen zu einerKräuterwanderung unterLeitung von Professor BerndGerken. Der zierliche, schmaleMann in Lederwams und hohenWanderschuhen wirkt zäh unddurchtrainiert. Man sieht ihman, dass er die meiste Zeitseines Lebens im Freien, inder Natur verbringt. Und diesmit großem Vergnügen, miteiner Freude, die sich in seinenZügen widerspiegelt.Gut zehn Jahre ist es her, dasser den Entschluss fasste, seineEssgewohnheiten grundlegendzu ändern. Damals beschlosser, nur noch jene Nahrungzu sich zu nehmen, die inder Natur, in seiner näherenUmgebung, wächst. Nach einerkurzen Eingewöhnungsphase– „Manches war anfangsdoch sehr bitter“ – hatte seinneuer Speiseplan ihn so sehrüberzeugt und fasziniert, dasser ihn auch anderen Menschenvorstellen wollte. So wurdedenn auch diese besondereEsskultur zu einem Stützpfeilerseines Projekts „Haliotis“, dasvor allem stressgeplagtenMenschen neue Perspektiven
<strong>Kulinarium</strong> <strong>Algarve</strong> n°2 Dezember 2013 | 69vermitteln soll.Wichtigste Voraussetzungfür ein Leben aus derNatur: die Unterscheidungvon essbaren und giftigenPflanzen. Allerdings macht’sdie Natur dem Menschenleicht, denn es gibt nur sehrwenig Giftpflanzen, die derinteressierte Sammler rascherlernen kann. Und essbar ist –fast alles! Bernd Gerken machtdie Probe aufs Exempel.Zunächst greift er vor denverblüfften Teilnehmernbeherzt ins Brennnesselkraut(„Bitte immer nur einen kleinenTeil der Pflanze nehmen, auchsie will leben!“), langsamund bedächtig kaut er einigeBlätter. Weiter geht es zumLabkraut, zum Ehrenpreis,zur Gänsedistel, die übrigensim Wildsalat einen ganzbesonderen Wohlgeschmackentfaltet.Immer neue Pflanzenteilewerden herumgereichtund finden neugierigeVerkoster. Es macht Spaß,die verschiedenen Aromenund Geschmacksrichtungenherauszufinden: die mildeSüße der Vogelmiere, denmandelartigen Geschmack derjungen Weißdornblätter, dieein wenig an Äpfel erinnerndenBrombeerblätter, die typischeSchärfe der Minze…Mit trockenem Witz undviel Humor entzückt BerndGerken seine Zuhörer. Undimmer wieder unterbrichter seine kurzweiligenErklärungen mit Hinweisenauf die Vogelwelt: „Da singter wieder, der sagenhafteGartenbaumläufer… so sprichtdie Mönchsgrasmücke… ja derGirlitz, ein echtes Urviech…“Ganz vorsichtig bewegt er sichauf dem weichen, humosenWaldboden, besorgt umjunge Pflänzchen und um dieverborgene Kleintierwelt. SeineAugen leuchten, wenn er vonder wunderbaren Ordnung derNatur spricht. Den Menschensieht er als Teil der Natur, under liebt die Natur, vorbehaltlos.Nach zwei Stunden fälltes niemandem aus derGruppe mehr schwer, einenabwechslungsreichenund wohlschmeckendenWildkräutersalatzusammenzustellen,gewachsen auf wenigenQuadratmetern inmitten derSierra de Monchique.Aber das ist längst nicht alles– wie nebenbei vermitteltBernd Gerken auch wichtigesHeilkräuterwissen. „Lassteure Nahrung eure Heilmittelsein“. Diese Aufforderungdes Hippokrates hat erverinnerlicht. Die Zuhörererfahren staunend, welchphantastische Heilkraftvielen Pflanzen innewohnt.Der Esskastanie gar wirdnachgesagt, dass sie, mitZucker und Molke verarbeitet,als Ausleiter radioaktiverStrahlung hervorragendeDienste leistet – sonachweisbar seit einiger Zeitin der schwer geschädigtenTschernobyl-Region.Später dann, beimgemeinsamen vorzüglichenEssen in Martins <strong>Kulinarium</strong>,finden die gesammeltenWildkräuter hohe Anerkennung.Nicht als Salat, sondern alswürziger Wildkräutermantelan Erdäpfeln, unbedingtnachahmenswert! Wie so vielesan diesem ungewöhnlichenTag, der übereinstimmend allenTeilnehmern so viel Freudebereitet hat. Wie war noch dasLeitmotiv des Referenten? Esgeht um die Freude, um denSpaß am Leben!Text: Beate DähnkeFoto: Sasha MarquesWander- Terminefinden Sie auf der Webseitevon <strong>Kulinarium</strong> <strong>Algarve</strong> unter,,Martins <strong>Kulinarium</strong>’’ undweiter mit Kräuterschule.www.kulinariumalgarve.com/main/martins-kulinariumkraeuterschule.html