<strong>1933</strong>Reichstagsgebäude abgespielt <strong>hat</strong>? Dabei läuft die Sache zunächst wieein ganz gewöhnlicher Kriminalfall, zumal die Polizei einen der Brandstifteram Tatort verhaften konnte.“ 47Hans-Bernd Gisevius <strong>hat</strong>te <strong>vor</strong> einer Woche seinen 29. Geburtstag. Derjunge Mann <strong>hat</strong>te in Berlin und München studiert und in Marburg promoviert.Jetzt will er zur Polizei. Schon deshalb interessiert ihn der Fall.Ihm fällt <strong>vor</strong> allem auf, dass Hermann Göring am Abend des Brandes„keine Volksversammlung abhält“ 48 , sondern sofort zur Stelle <strong>ist</strong>. Sonst<strong>ist</strong> er immer im Land unterwegs; am 5. März soll der Reichstag ja neugewählt werden. Der Beamte in spe bemerkt ebenfalls, dass nur wenigeMinuten nach der Tat schon der <strong>neue</strong> Reichskanzler da <strong>ist</strong>. „Adolf Hitleraß gerade bei Joseph Goebbels zur Nacht, als die aufregende Nachrichtvon der Brandkatastrophe eintraf – wie gut, dass er heute Abend gleichfallskeine Wahlversammlung abhält, ebenso sein sonst so redelustigerPropagandachef. Unentwegt starrt der Führer, um ihn herum eine ScharMin<strong>ist</strong>er und Beamte, auf das brennende Gebäude. Augenscheinlich <strong>ist</strong>dieser Me<strong>ist</strong>er der Selbstsuggestion von dem Schauspiel außergewöhnlichgepackt. Von Minute zu Minute steigert sich seine Erregung. Mit leidenschaftlichenWorten erteilt er Göring alle polizeilichen Vollmachten.In dieser Nacht verkündet man die berühmten Notverordnungen vom28. Februar <strong>1933</strong>. Sie sind ausgesprochene Notstandsverordnungen undwerden »zum Schutze von Volk und Staat« gegen »kommun<strong>ist</strong>ische Anschläge«erlassen. Sie sind also dem Sinn und Wortlaut nach reine Kommun<strong>ist</strong>enverordnungen.“49 Und das, be<strong>vor</strong> man wirklich herausgefunden<strong>hat</strong>te, wer van der Lubbe eigentlich <strong>ist</strong>.Doch die <strong>neue</strong> Innenpolitik hier bekommen auch die Sozialdemokratenzu spüren. „Umgehend verbietet Göring auf Grund der <strong>neue</strong>n Paragraphenihre gesamte Presse. Sie mögen sich trösten: nicht lange müssensie allein bleiben. Sehr schnell werden sämtliche übrigen Parteien mitder gleichen Willkür Bekanntschaft machen. Aber während die Linkedamals noch die Möglichkeit <strong>hat</strong>, in ihren Wahlversammlungen zu protestieren,während es Blätter der demokratischen Mitte gibt, die dieseProteste abdrucken, während es einstweilen noch eine sehr gewichtige47 Gisevius I, S. 1348 Ebd., S. 1849 Ebd., S. 18f.18
<strong>1933</strong>Möglichkeit gibt, den öffentlichen Unwillen kundzutun, nämlich diekommende Reichstagswahl, wird es später höchstens noch schriftlicheBeschwerden geben, die in den Papierkorb wandern oder ihre Verfasserins Konzentrationslager bringen. Jedwede richterliche Nachprüfung derstaatlichen Eingriffe hört auf. Wer ahnt am Morgen nach diesem h<strong>ist</strong>orischenBrandabend beim Lesen der Notverordnungen, dass einzig mitdiesen <strong>wenigen</strong> Bestimmungen die Revolution legalisiert werden wird?Aber es <strong>ist</strong> so. Juden und Chr<strong>ist</strong>en, Stahlhelmer und Logenbrüder, Zentrumsleuteund Deutschnationale, Gesangsvereine und Konsumgenossenschaften,sie alle werden mit der Zeit jenes <strong>neue</strong> Polizeirecht kennenlernen, das aus dem verwirrenden Flammenmeer am Königsplatz denSchein der Berechtigung ableitet, ein ganzes Sechzig-Millionen-Volkdem Terror auszuliefern.“ 50 Erst im September beginnt der Strafprozessim Reichsgericht zu Leipzig.In dieser Atmosphäre läuft am 5. März die Wahl zum Reichstag an. <strong>Es</strong><strong>ist</strong> Sonntagmorgen in München. Am Abend geht der 18-jährige FranzJosef Strauß mit seinem Vater zur Versammlung der Bayerischen Volksparteiin den Mathäser-Bräu. Dort sagt der Vorsitzende der Partei, FritzSchäffer*, der die Versammlung leitet, jetzt gebe es keinen Zweifel mehr,Nationalsozial<strong>ist</strong>en und Deutschnationale hätten die Mehrheit. Danachsagt Schäffer einen Satz, den Franz nicht vergisst: „Meine lieben Parteifreunde,jetzt kommt eine furchtbare Zeit. Morgen beginnt die Karwochefür Deutschland. Diese Karwoche wird einen Karfreitag für Deutschlandbringen. Wir sind gläubige Chr<strong>ist</strong>en. Nach dem Karfreitag kommtdie Auferstehung, der Ostersonntag.“ Der Franz erlebt Fritz Schäffer alseindrucksvollen Redner mit sonorer Stimme, der plastisch formulierenkann und ein Me<strong>ist</strong>er der deutschen Sprache <strong>ist</strong>. Lähmende Stille breitetsich unter den drei- bis vierhundert Zuhörern aus und dann löst sich dieVersammlung auf. „Bedrückt, schweigend ging ich mit meinem Vaternach Hause, die Stimmung war unheimlich.“ 51Die erste außenpolitische Reaktion auf die deutschen Wahlergebnissefällt harsch aus. Gleich am Montag verstärkt Marschall Piłsudski PolensTruppen im Fre<strong>ist</strong>aat Danzig, den Polen sowieso gern für sich will. Nachdem relativen Wahlsieg der NSDAP wird in Warschau befürchtet, dass50 Gisevius I, S. 1951 Strauß, S. 2919
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