<strong>1933</strong>Nehmen wir den nächsten Zug, um rechtzeitig in München zu sein. Dortfindet am 9. März der festliche Aufmarsch von SA und SS zur Feier derMachtübernahme statt. Die bayerische Fahne wird eingeholt und dafürwird nun die Hakenkreuzfahne gehisst. Der Schüler Franz Josef Strauß*kommt von der Schule und radelt durch die Leopoldstraße, als sich dortSA- und SS-Verbände formieren. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> später Nachmittag und langsamfängt es an zu dämmern. Er begleitet den Zug durch die ganze Stadt; esgeht <strong>vor</strong>bei am Hauptpostamt, am Nationaltheater und am Gebäude derRegierung von Oberbayern. Überall, so weit er schauen kann, herrschtJubel. Der junge Mann selbst schwankt „zwischen Furcht und Hass“. 60Er sieht aber auch nur diejenigen, die auf der Straße sind. Er sieht nicht,wie viele zu Hause sind oder bei Freunden und Musik hören, um diesenJubel der anderen Hälfte der Bevölkerung nicht ertragen zu müssen.In den Hauptstädten Europas überlegt man in diesen Tagen, wie mit der<strong>neue</strong>n Regierung in Berlin gedeihlich auszukommen <strong>ist</strong>. Auf jeden Fallhoffen sie in London und Paris auf ein Ende des Alptraums von Rapallo.Der Kanzler <strong>ist</strong> ein scharfer Gegner des Bolschewismus und außer in dersowjetischen Hauptstadt hoffen alle, dass Deutschland die Beziehungenzu Moskau endlich auf Eis legt. Der römische Herrscher Mussolini bietetdem britischen Premier Ramsay MacDonald und dessen Außenmin<strong>ist</strong>erJohn Simon am 18. März <strong>1933</strong> einen „Viererpakt“ 61 an. Mussolini denktan so etwas wie ein Direktorium für Europa, das aus Großbritannien,Frankreich, Italien und Deutschland bestehen soll. Damit wäre Berlinaufgewertet und zugleich politisch eingebunden. Im Kern <strong>ist</strong> es dieselbeGrundidee wie in der innerdeutschen Diskussion. London findet das imPrinzip gut, Rom auch, von dort kam ja die Idee, Frankreich legt jedochWert darauf, dass sich der Text gegen niemanden richtet. Natürlich <strong>ist</strong>er gegen die kommun<strong>ist</strong>isch regierte Sowjetunion gerichtet und das <strong>hat</strong>gute Gründe. Unfassbar viele Emigranten haben das Land in den letztenanderthalb <strong>Jahr</strong>zehnten verlassen, sind geflohen <strong>vor</strong> den Arbeitern undBauern, die jetzt das Land dort beherrschen. Geflohen aus Angst um ihrLeben. Sie suchten und fanden auch Zuflucht in Asien, in Europa und inAmerika. In Berlin und Paris wohnen Tausende von ihnen. Viele zogenin Wohnungen in Charlottenburg ein, das die Berliner Schnauze seitdemrespektlos Charlottengrad nennt. Im <strong>neue</strong>n Russland selbst folgt seit der60 Strauß, S. 2961 Falin, S. 37; Marian Wojciechowski, Vortrag, S. 26022
<strong>1933</strong>Revolution <strong>vor</strong> fünfzehn <strong>Jahr</strong>en eine Hungersnot der nächsten und zehnoder elf Millionen 62 Arbeiter, Bauern und deren Kinder sind inzwischenan der Unterernährung gestorben. Aber all das soll der Text nicht sagen;man will Stalin in Moskau nicht noch unnötig provozieren. <strong>Es</strong> soll etwaswie ein Quartett des Friedens werden. Berlin, also Hitler, begrüßt diesesVorhaben. Zu seinem außenpolitischen Berater Joseph Goebbels sagt ernach der Unterbreitung des Angebotes, das wird ihm „Ruhe und Luft“ 63verschaffen. Er <strong>hat</strong> noch einiges <strong>vor</strong>. Und solange das im Osten passiert,<strong>hat</strong> ja auch fast niemand etwas dagegen. In diesen Tagen geht in Berlinein Brief ein, in dem eine Frau aus Riga ihre Hoffnung formuliert, dassder <strong>neue</strong> Kanzler in Berlin hoffentlich etwas gegen den Diktator in derSowjetunion ausrichten kann. Sie <strong>hat</strong> Angst, dass Stalin über kurz oderlang die baltischen Staaten wieder in den russischen Staat zurückholt. 64Am 20. März hört Paul im Radio, dass der Münchener Polizeipräsident,kommissarisch eingesetzt <strong>vor</strong>erst, Heinrich Himmler die Errichtung voneinem Konzentrationslager in der Nähe der Stadt Dachau bekannt gegeben<strong>hat</strong>. <strong>Das</strong> Wort <strong>ist</strong> Lagern entlehnt, die es Anfang des <strong>Jahr</strong>hundertsschon im Süden Afrikas gab und die vom Britischen und vom DeutschenReich in ihren dortigen Kolonien betrieben wurden. Die ersten Lager inMitteleuropa, in denen die Republik Polen zehntausende Deutsche gefangenhielt, gab es schon in den zwanziger <strong>Jahr</strong>en in Szczypiorno, BrestLitowsk und Bereza Kartuska. <strong>Das</strong> <strong>ist</strong> von Aachen bis Tilsit bekannt.Am 21. März liest Franz in den Münchener Neuesten Nachrichten: „AmMittwoch wird in der Nähe von Dachau das erste Konzentrationslagereröffnet. <strong>Es</strong> <strong>hat</strong> ein Fassungsvermögen von 5000 Menschen. Hier werdendie gesamten kommun<strong>ist</strong>ischen und – soweit notwendig – Reichsbanner,und marx<strong>ist</strong>ischen Funktionäre, die die Sicherheit Deutschlandsgefährden, zusammengezogen, da es auf die Dauer nicht möglich <strong>ist</strong>,wenn der Staatsapparat nicht so sehr belastet werden soll, die einzelnenkommun<strong>ist</strong>ischen Funktionäre in den Gerichtsgefängnissen zu lassen,während es andererseits nicht angängig <strong>ist</strong>, diese Funktionäre wieder indie Freiheit zu lassen. Bei einzelnen Versuchen, die gemacht wurden,war der Erfolg der, dass sie weiter hetzen und zu organisieren versu-62 Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 5, S. 28063 Joseph Goebbels, Die Tagebücher. Sämtliche Fragmente, Bd. II, S. 43064 Aus dem Privatarchiv des Autoren .23
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- Seite 7 und 8: 1933mit verschwindenden Ausnahmen b
- Seite 9 und 10: 1933tag über die politische Lage u
- Seite 11 und 12: 1933angegeben wurde. »Military spo
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1933le zu schreiben. O nein, jetzt
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