<strong>1933</strong>Der Doktor sei im Bilde gewesen, wegen der Polizei sei mit Göring gesprochenworden; diese zwei Andeutungen flocht er ein – und mehrwerden ihm weder Karl Ernst noch Heini Gewehr, Goebbels und Göringschon ganz bestimmt nicht, auf die Nase gebunden haben. Auch diesesBubenstück können wir uns gar nicht primitiv genug <strong>vor</strong>stellen. <strong>Es</strong> warenkeine ideal gesinnten Männer, die etwa beratend zusammen saßenund sich den Kopf zerbrachen, wie man für die entscheidende Reichstagswahlletztmals gut Kulissen schieben könne. Nein, da heckte derReichspropagandaleiter einen üblen Wahlschlager aus, da regelte er dasWeitere mit seinem Kollegen Göring und dann wurde die ganze schmierigeGeschichte zuständigkeitshalber den unteren Funktionären übergeben.Die mochten zusehen, wie sie die geeigneten Verbrecher fanden,die dummdre<strong>ist</strong> und skrupellos genug waren, sich zu solch einer Schurkereiherzugeben. Rall tat nur, was ihm befohlen war, mehr nicht. Rallwusste nur so viel, wie er unbedingt wissen musste, mehr nicht. Erkonnte also nur ausplaudern, woran er selber mitgewirkt <strong>hat</strong>te. Allenfallskonnte er noch die zehn Namen seiner Kumpane angeben; er tat esauch, doch habe ich sie nicht sämtlich erfahren. Übrigens, was könntenwir schon viel damit anfangen? Karl Ernst, Heini Gewehr, Rall, meinesWissens war auch Schweinebacke darunter: die restlichen Burschendürfen wir uns mit einiger Phantasie getrost hinzudenken. »Abholen«wird sie sowieso keine Polizei mehr, weil sie inzwischen alle tot sind. Dieme<strong>ist</strong>en überlebten nicht den 30. Juni [1934]. Der Letzte, der über Bordging, war Heini Gewehr. Er fiel im Osten – als Polizeioffizier.Andererseits genügten Ralls spärliche Angaben vollauf, um sozusagendas Gespräch in Gang zu bringen. Denn weder Karl Ernst noch Kielsnoch Reineking noch Geißel, um nur diese vier zu nennen, <strong>hat</strong>ten bloßmit den Augen gezwinkert und stumm des Verräters Liquidierung beschlossen.Im Gegenteil <strong>hat</strong>ten sie, sobald sie einträchtig beim Umtrunkbeieinander saßen, nochmals ihre Memoiren von der Brandnacht rekapituliert.Und darum erhielten Nebe und ich genug Anhaltspunkte, umuns auf dem Wege über Reineking eine einigermaßen genaue Vorstellungvon den tieferen Zusammenhängen der Tat zu machen. Diese oderjene harmlosen Rückfragen bei anderen Beteiligten rundeten das Bildab. <strong>Das</strong> für uns Sensationellste – nur zögernd ließen wir uns überzeugen– war, dass nicht Göring, sondern Goebbels der eigentliche Reichstagsbrandstifterwar. Goebbels <strong>hat</strong>te den ersten Gedanken gehabt. Goebbels<strong>hat</strong>te die Vorbesprechungen mit Karl Ernst geführt. Goebbels <strong>hat</strong>te die78
<strong>1933</strong>Auslese der Kolonne überwacht. Goebbels <strong>hat</strong>te die Räume bezeichnet,wo es am schnellsten brennen würde. Goebbels <strong>hat</strong>te die Durchführungder Tat »vereinfacht«, indem er darauf bestand, etwaige Tatzeugen solltenkurzerhand niedergeknallt werden. Goebbels <strong>hat</strong>te sich verbürgt, imGruppenhauptquartier oder im Reichstagspräsidentenpalais werde niemandHaussuchung halten. Goebbels <strong>hat</strong>te sich stark gemacht, jedesVorgehen gegen die eigenen Leute würde als verleumderischer Anschlaggegen die Bewegung gebrandmarkt werden. Goebbels <strong>hat</strong>te folgerichtigdie Idee vertreten, bei dieser »Rechtslage« brauche man nicht bloß dieKommun<strong>ist</strong>en zu beschuldigen, ebenso großmütig könne man die Aufklärungdes Verbrechens der Polizei übergeben.Goebbels <strong>hat</strong>te klar erkannt, was in diesem Zusammenhang die Mundtotmachungder gesamten Linkspresse bedeutete. Goebbels <strong>hat</strong>te deshalbschroff auf diese scharfen Notverordnungen gedrungen. Goebbels<strong>hat</strong>te hierüber eingehend mit Göring verhandelt. Goebbels <strong>hat</strong>te dabeigeheimnisvoll angedeutet, der Führer sehe ein, es müsse irgend etwasDurchschlagendes geschehen, vielleicht ein Attentatsversuch, vielleichtein Brand, doch Hitler wünsche überrascht zu werden.Und Goebbels <strong>hat</strong>te es alsdann übernommen, seinen Führer für diesePosse »fertig zu machen«, ihn für seinen Tobsuchtsanfall in der Brandnachtgut zu präparieren. Erinnern wir uns, dass man gerade bei Goebbelszum Abendessen saß, als die Nachricht von dem Brande denReichskanzler überraschte? Göring <strong>hat</strong>te zu alledem lediglich sein Plazetgegeben. Der Vorschlag des Reichspropagandaleiters <strong>hat</strong>te ihm eingeleuchtet.Am me<strong>ist</strong>en <strong>hat</strong>te ihm gefallen, dass von ihm so gut wie keineMitwirkung erwartet wurde. <strong>Das</strong> Palais samt dem Durchgang wollte ergerne zur Verfügung stellen, aber wenn im Übrigen Goebbels und KarlErnst das Ding allein drehen wollten, um so angenehmer für ihn. Aufdiese Weise konnte er Hitlers oder Hindenburgs Reaktion abwarten.Und dass er ohne Wimpernzucken jeden, auch den verlogensten, Anlassbenutzen würde, um auf die Marx<strong>ist</strong>en loszuprügeln, nun darauf konntesich Goebbels ohnehin verlassen. Gewiss, Göring ging auf das ihm angetrageneSpiel ein; er besprach sich <strong>vor</strong>sorglich mit Diels, ein paar Andeutungenmachte er Daluege. Im großen Ganzen aber ließ er die Dingeauf sich zukommen. Helldorf war überhaupt nicht beteiligt. DieserGruppenführer saß gerade in einem Luxuslokal bei Sekt und Kaviar, alsdie Sirenen heulten und es plötzlich hieß, der Reichstag brenne. Zusammenmit seinem SA-Kameraden von Arnim, dem Rektor der Techni-79
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