<strong>1933</strong>Gerichtshofes. Und dann legt Göring los. Er brüllt. Er überschreit sich.Mit der einen Hand fuchtelt er wild in der Gegend herum. Mit demwohlparfümierten Taschentuch in der anderen Hand wischt er sich denperlenden Schweiß von der Stirn. Erst höhnt er: »In großen Zügen wirdim Braunbuch behauptet, dass mein Freund Goebbels mir diesen Planbeigebracht hätte, den Reichstag anzuzünden, und dass ich ihn dannfreudig ausgeführt hätte. <strong>Es</strong> wird weiter behauptet, dass ich diesemBrande zugesehen hätte, ich glaube, in eine blauseidene Toga gehüllt. <strong>Es</strong>fehlt nur noch, dass man behauptet, ich hätte, wie Nero beim BrandeRoms, Laute gespielt.« Dann wettert er: »<strong>Das</strong> Braunbuch <strong>ist</strong> eine Hetzschrift,die ich vernichten lasse, wo ich sie finde. Mit dieser idiotischenUntersuchung dürften wir uns überhaupt nicht befassen, denn damitverkümmern wir unsere eigenen Rechtsbegriffe.« Dann tobt der Innenmin<strong>ist</strong>er,er habe die Polizei wieder das Schießen gelehrt: »Ich übernehmedie Verantwortung. Wenn dort einer erschossen liegt, so habe ichihn erschossen.«“ 173Im Volke amüsiert man sich über Görings Uniformenfimmel wie Bolle.<strong>Es</strong> dauert gar nicht lange, da <strong>hat</strong> der Volksmund schon diesen Spruchausgeheckt: Die Trommler-Zigarettenfabrik <strong>hat</strong> eine Bilderserie unterdem Titel Göring in seinen Uniformen herausgebracht. Die Serie umfasst175 Stück – in Anspielung auf den Paragraphen für Homosexuelle.Denselben Einschlag <strong>hat</strong> der hier: Göring lässt jetzt seine Haare langwachsen. Warum? Damit er die BDM-Uniform tragen kann. Da könntewohl einer fragen, was BDM denn sei; das fragt jedoch keiner, weil jederden Bund Deutscher Mädel kennt. Und dieser <strong>ist</strong> auch schön: Hermannbestellt eine <strong>neue</strong> Uniform. „Aber diesmal ganz schlicht. Oben nur einschmaler Kragen mit drei silbernen Streifen. Und alles Übrige dannganz einfach in Gold.“ Gut, diesen einen hier hab ich noch: <strong>Es</strong> <strong>hat</strong> sichjetzt herausgestellt, dass der Göring wirklich so dick <strong>ist</strong> und nicht fünfUniformen übereinander trägt. 174Als Dimitroff sprechen darf, kommt er der Lösung noch ein gutes Stücknäher: „Ich frage, was <strong>hat</strong> der Herr Innenmin<strong>ist</strong>er am 28. Februar undin den nächsten Tagen getan, damit durch die polizeiliche Untersuchungder Weg Lubbes von Berlin nach Henningsdorf, sein Aufenthalt im dor-173Gisevius I, S. 43174Hirche, S. 78 und 8070
<strong>1933</strong>tigen Asyl, seine Bekanntschaft mit zwei anderen Leuten dort festgestelltund so die Komplizen ausfindig gemacht werden konnten?“ 175 <strong>Das</strong> warenwohl zwei Nazis, denen van der Lubbe von den Zündelabsichten erzählteund die ihn in den nächsten Tagen nicht aus den Augen ließen. Wie wäresonst auch die Abstimmung für die gleichzeitige Aktion der SA zustandegekommen? Jedenfalls fiel dem Herrn Min<strong>ist</strong>er auf Dimitroffs Frage nurein Psalm ein, der im Licht der Täterschaft dann schon wieder eine sehrinteressante Note erhält: „Ich selbst bin nicht Kriminalbeamter, sondernverantwortlicher Min<strong>ist</strong>er. Für mich war es deshalb nicht so wichtig, deneinzelnen kleinen Strolch festzustellen, sondern die Partei, die verbrecherischeWeltanschauung, die dafür verantwortlich war.“ 176„Die endlose Zeugenvernehmung klärt nichts auf, eigentlich macht sieden Kriminalfall von Tag zu Tag verworrener. Übergehen wir die berufsmäßigenLügner, ich meine die SS-Gruppenführer und <strong>neue</strong>n Polizeipräsidenten,dann <strong>ist</strong> das Merkwürdige, dass man keineswegs von lautergedungenen Zeugen reden kann. Dazu sind ihre Aussagen viel zu auseinanderliegendund ungekünstelt. Diese Leute sind me<strong>ist</strong>ens echt. Siesind typische Zeugen, wie man sie allenthalben finden kann. Keiner vondiesen Angestellten, Ehefrauen, Kellnern, Kneipwirten, Chauffeurenund Fahrstuhlführern wird ohne Weiteres seine Hand zum Meineid erheben.Sie bilden sich fest ein, mit ihren eigenen Augen gesehen zu haben,was sie jetzt so weitschweifig bezeugen. Sie wollen nicht der Verschleierungdienen, sie wollen aufklären. Sie wollen die Schuldigen dergerechten Strafe zuführen – aber gerade dadurch verwirren sie und helfensie den wahren Tätern, aus dem Blickfeld zu verschwinden.“ 177 Wersoll auch ahnen, dass mit Rall einer von ihnen plötzlich aus dem Dunkelwieder auftaucht?Was <strong>hat</strong>te Rall bewogen, der Justiz sein Herz auszuschütten? Nachdemder Auftrag erledigt war, gingen sie zu ihrem SA-Gruppenführer KarlErnst. „Als sie sich in strammer Haltung bei Karl Ernst zurückmeldeten,bekamen sie diesmal keine Flüche, sondern Worte wärmster Anerkennungzu hören. Nochmals wurden sie zur Verschwiegenheit ermahntund – das war für unseren Strolch die Hauptsache – eine beachtliche175Hirche, S. 43176Gisevius I, S. 44177Ebd., S. 4071
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