<strong>1933</strong>Belohnung wurde ihnen in Aussicht gestellt. Aber gerade damit fingRalls Elend an! Dieser Narr glaubte tatsächlich, man würde ihnen dieBelohnung auszahlen. Als man ihn statt dessen einige Monate später ausder SA ausschloss (wie er behauptet, weil seine Chefs zu »<strong>vor</strong>nehm« gewordenwären, in Wirklichkeit wohl, weil seine Vorstrafen selbst füreinen Angehörigen der Stabswache zu hoch erschienen), da meinte er, ermüsse auf anderem Wege zu seinem sauer verdienten Lohn kommen.Rall spekulierte auf die Schwerfälligkeit der Justiz, die sich nicht vonheute auf morgen gleichschalten ließ. Und in der Tat gab es noch Richter,die ihn allzu bereitwillig angehört hätten . . . Nur gab es auch schonReinekings, die ihn zum Teufel wünschten, ja, die gerne zur Verfügungstanden, um seiner Höllenfahrt ein wenig nachzuhelfen.“ 178 Dieser angebräunteProtokollführer Reineking „lauschte mit gemischten Gefühlen.Mächtig schlug ihm sein frisch angebräuntes Gewissen. Eine ganz primitiveReaktion trieb den SA-Mann zu immer kühneren Überlegungen.Stand nicht täglich in der gleichgeschalteten Presse zu lesen, draußen imAuslande hetzten Juden oder Emigranten, und das niederträchtigste ihrerGreuelmärchen sei die Behauptung, nicht die Kommun<strong>ist</strong>en, sonderndie Nazis hätten den Reichstag angezündet? Und jetzt sollte erschweigend mit ansehen, wie ein angeblicher Mittäter genau dasselbebehauptete und das ganze Geheimnis enthüllte? Just ihm, dem bisherunbekannten SA-Mann wurde hier ein Protokoll in die Schreibmaschinediktiert, auf das vielleicht schon in den nächsten Tagen die Augen derganzen Welt gerichtet waren. Reineking konnte es gar nicht abwarten,bis die Vernehmung beendet war. Kaum dass sich der Richter entfernt<strong>hat</strong>te, machte er sich gleichfalls auf den Weg.“ 179 Plastisch malt Giseviusaus, wie dieser Reineking zu Herrn Staatsrat, Reichstagsabgeordnetenund Gruppenführer Karl Ernst in dessen palastartiges SA-Hauptquartiergeht. Ihn amüsiert, wie groß sich der kleine Mann <strong>vor</strong>kommt, weil er diePlanung hören darf, „auf welche unauffällige Weise man des Rall habhaftwerden könne. Schließlich gestatteten sie ihm, mit dabei zu sein, alssie den geschwätzigen Kronzeugen zu sich ins Gewahrsam des BerlinerPolizeipräsidiums holten.Nun erst die nächsten Tage! Da wirbelten die Ereignisse noch toller indes kleinen Justizangestellten Kopf herum. Er wurde nicht etwa zurückgeschickt,um weiter bei seinem Amtsgerichtsrat gleichgültige Protokol-178Gisevius I, S. 91179Ebd., S. 8072
<strong>1933</strong>le zu schreiben. O nein, jetzt durfte er selber Vernehmungen diktieren,er selber durfte den Untersuchungsrichter spielen, wenigstens durfte ersich in das Verhör einmischen, wenn der Kriminalrat Geißel seine Fragenstellte. Er bekam einen Gestapoausweis, ein leibhaftiger Kriminalratnannte ihn seinen Mitarbeiter, Geld drückten sie ihm gleichfalls in dieHand, und dann schrieben sie seiner heimischen Behörde einen wohlklingendenBrief, der SA-Mann Reineking sei zu einem Schulungskursnach Berlin befohlen, bis auf Weiteres sei er aus der Justizverwaltung zubeurlauben. Auch versteht sich, dass man einen so verdienten Nationalsozial<strong>ist</strong>enunmöglich in der Uniform eines einfachen SA-Mannes herumlaufenlassen konnte. Nach <strong>wenigen</strong> Tagen zierten ihn die Abzeicheneines Sturmführers. Als dieses nicht genügte, wurde er Standartenführerim Stabe von Karl Ernst. Weiter ging es so im Text. Nach der Abholungdes Rall, dessen Vernehmung. Dann wurde der Leipziger Brief abgefangen.Danach eine Haussuchung bei der Geliebten des Rall. Fahndungdaselbst nach einer Niederschrift, die der gewiegte Verbrecher <strong>vor</strong>sorglichhinterlegt <strong>hat</strong>te.Dramatisches Zwischenspiel, weil die Geliebte schneller war als die Polizeiund das Schriftstück zerriss: das waren jene vielen kleinen Schnitzel,bei deren Zusammenkleben ich Geißel und Reineking beobachtet <strong>hat</strong>te.Sie wollten überprüfen, ob Rall bei seiner Vernehmung etwas hinzugesetztoder verschwiegen habe. Dazwischen fortlaufende Besprechungenbei Diels, ausführliche Berichterstattungen bei Karl Ernst, eingehendeBesprechungen mit den kriminal<strong>ist</strong>ischen Bearbeitern des LeipzigerProzesses. Endlich die bedeutsame Mitteilung, der Reichspropagandamin<strong>ist</strong>erGoebbels sei außerordentlich dankbar. Die Andeutung, Göring,jawohl Göring, werde diese mutige Hilfele<strong>ist</strong>ung nicht vergessen. DieZusage, Stabschef Röhm wolle anlässlich seines nächsten Besuches demStandartenführer persönlich die Hand drücken. Und zu guter Letzt einganz dickes, ein allerwichtigstes Geheimnis, in das die Großen ihn, derdoch mühselig erst dabei war, sich selber wichtig zu nehmen, einweihten:ach, dieser Reineking <strong>hat</strong>te bereits alle Maßstäbe verloren, was indieser <strong>neue</strong>n, unheimlichen Herrlichkeit noch möglich oder unmöglichwar, als sie ihn am Abschluss dieses binnen weniger Tage durchlebtenKriminalromans <strong>vor</strong> die dürre Tatsache stellten, nunmehr bliebe leidernichts anderes übrig, als diesen Rall, diesen Lumpen, diesen Verräter zubeseitigen. Selbstverständlich war Reineking mit dabei. <strong>Es</strong> ergab sichganz einfach aus dem Ablauf der Dinge; denn er <strong>hat</strong>te ja alles einge-73
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