<strong>1933</strong>jährige Paul hört die Festveranstaltung zu Hause im Radio. Feierlich ernenntder Reichspräsident jetzt auch ganz offiziell Adolf Hitler, 43, zumReichskanzler. Der 21. März wird zum „Tag der nationalen Er<strong>neue</strong>rung“und später zum „Tag von Potsdam“ ausgerufen. Im Windsc<strong>hat</strong>ten diesesFestaktes erlässt die Reichsregierung eine Verordnung über die Bildungvon Sondergerichten 72 , denn gewöhnliche Gerichte sind hier nicht genug.Dort arbeiten ja Richter nach alten demokratischen Spielregeln.Jetzt <strong>ist</strong> das nicht mehr modern. Die bisherige mündliche Verhandlungüber den Haftbefehl <strong>ist</strong> nicht <strong>vor</strong>gesehen, eine gerichtliche Voruntersuchungerübrigt sich, und eine Beweiserhebung kann abgelehnt werden,wenn das neuartige Sondergericht „die Überzeugung gewonnen <strong>hat</strong>,dass die Beweiserhebung für die Aufklärung der Sache nicht erforderlich<strong>ist</strong>“ 73 . So wird es möglich, jemanden für den Kauf einer kommun<strong>ist</strong>ischenZeitung wegen finanzieller Unterstützung einer staatsfeindlichenOrganisation zu verurteilen. 74 <strong>Das</strong> <strong>hat</strong> mit Meinungs- und Pressefreiheitaus den Zeiten der Weimarer Republik, die von den Kommun<strong>ist</strong>en nichtsehr geschätzt wurde, nur noch sehr wenig zu tun.Einen Tag später wird das Konzentrationslagers Dachau eröffnet, so 20Kilometer nordöstlich von München, dort, wo einmal eine Pulverfabrikgewesen war. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> ein Lager für Männer aller Couleur. Neben Männernaus der KPD, der SPD und den Gewerkschaften werden dort Liberaleund Konservative eingesperrt. Kann man sich nicht die Überraschungder letztgenannten Herren <strong>vor</strong>stellen, wenn im Nachbarbett nicht ihreFrau liegt, sondern ein Mann, den sie bis gestern sehr scharf angegriffenhaben? <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> wichtig, sich das <strong>vor</strong>zustellen, wenn man verstehen will,was in diesen <strong>wenigen</strong> <strong>Jahr</strong>en in Deutschland <strong>vor</strong> sich geht. Dabei <strong>ist</strong> esein Irrtum, dass es sich um tausend <strong>Jahr</strong>e handelt. <strong>Es</strong> sind nur zwölf.Erst <strong>ist</strong> man 22 und dann <strong>ist</strong> man 34. Doch diese zwölf <strong>Jahr</strong>e, die das soweitergeht, sind mehr als genug, um Deutschland für Generationen zuprägen. Was kann dann näher liegen als eine handfeste Verschwörunggegen die braune Meute?Als Paul am 23. März das Radio anmacht, hört er Worte aus der erstenRegierungserklärung des <strong>neue</strong>n Kanzlers. Den aufrichtigen Wunsch <strong>hat</strong>72 Felix Ecke, Die braunen Gesetze. Über das Recht im Unrechtsstaat, S. 2673 Ebd., S. 4574 Ebd., S. 4526
<strong>1933</strong>er, den Frieden zu erhalten und zu festigen, die Rüstungen will er beschränkenund zu der innenpolitischen Versöhnung 75 beitragen, die sichauch Pauls Eltern erhoffen. Vater sagt auch immer, wir brauchen nichtso viele Parteien, die sich ständig angiften. Man könne jedes Problem inden Griff bekommen, wenn es von allen gemeinsam angepackt wird,und letztlich sind wir ja alle Deutsche und wollen, dass es hier wiederbesser wird. Natürlich begrüßt er, dass jetzt ein Gesetz verabschiedetwird „zur Behebung der Not von Volk und Reich“. Endlich machen dieda oben mal was für uns kleine Leute. Ermächtigungsgesetz heißt dasWunderwerk. Ausgerechnet die SPD, die noch nie was geregelt bekommen<strong>hat</strong>, stimmt dagegen. Typisch. Was helfen soll, <strong>ist</strong>, dass die Reichsregierungjetzt endlich Gesetze beschließen kann, ohne erst den Reichstagfragen zu müssen und, dass sich die Regierung jetzt nicht mehr unbedingtan die Verfassung des Reichs halten muss. 76 Wichtig <strong>ist</strong> ja auchnur, dass es besser wird. Dann macht er sich wieder an die Arbeit.Nachdem die me<strong>ist</strong>en Abgeordneten den Arm für das Gesetz gegen dieNot gehoben haben, hört man Reichskanzler Hitler: „Die Regierung dernationalen Revolution sieht es grundsätzlich als ihre Pflicht an, entsprechenddem Sinn des ihr gegebenen Vertrauensvotums des Volkes diejenigenElemente von der Einflussnahme auf die Gestaltung des Lebensder Nation fernzuhalten, die bewusst und mit Absicht diesen Weg negieren.“77 Er sagt an diesem Pult noch mehr, denn er spricht allgemein viel,und wenn, dann lange. Als er geschlossen <strong>hat</strong>, geht der Abgeordnete derSPD Otto Wels ans Rednerpult: „Aus einem Gewaltfrieden kommt keinSegen, im Innern erst recht nicht. Eine wirkliche Volksgemeinschaftlässt sich auf ihm nicht gründen. Ihre erste Voraussetzung <strong>ist</strong> gleichesRecht . . . Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei inder letzten Zeit erfahren <strong>hat</strong>, wird billigerweise niemand von ihr verlangenoder erwarten können, dass sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetzstimmt . . . Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstaggibt, <strong>ist</strong> die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewähltenVertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden wiedas jetzt geschieht, und wie es durch das <strong>neue</strong> Ermächtigungsgesetz75 Enzensberger, S. 11476 <strong>Das</strong> Dritte Reich I, S. 125f.77 Ebd., S. 12627
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