<strong>1933</strong>schen Hochschule, ging er neugierig auf die Straße und überzeugte sich,dass der Himmel blutrot gefärbt war. Daraufhin zogen die beiden immerhinin Erwägung, ob sie nicht besser zum Schauplatz der Sensationfahren sollten. Aber als der ausgesandte Adjutant meldete, die Feuerwehrsei bereits da, der Führer, Goebbels, Göring und Papen ebenfalls,es sei nichts weiter zu veranlassen, da zog Helldorf es <strong>vor</strong>, schleunigstwieder zu seinem Liebesmahl zurückzukehren. Helldorf <strong>hat</strong> mir zu verschiedenenMalen, als ich ihn später unauffällig abhörte, immer dieselbeSchilderung gegeben. Die Meinung, er müsse führend mit dabei gewesensein, <strong>ist</strong> hauptsächlich entstanden, als Lubbe während der Verhandlungdurch einen scharfen Anruf Helldorfs zu einer momentanen Reaktionveranlasst wurde. Hart angelassen, nahm Lubbe »den Kopf hoch«.Indessen glaube ich, hier wird ein forensischer Vorgang überbewertet.Helldorf unterschied sich von den andern <strong>vor</strong> dem Leipziger Senat verhörtenSA-Führern in dem einen, dass er sich mit einer gewissen gesellschaftlichenUnbefangenheit zu bewegen wusste. Jene Nonchalance, mitder er auf die Frage, ob er Lubbe bereits früher gesehen habe, zu diesemhinüberkommandierte: »Nehmen Sie den Kopf hoch!« hätten Leute wieHeines gar nicht aufgebracht. Diesen Naturburschen, die so unverfrorenin der Gegend herummordeten, war jegliches Auftreten <strong>vor</strong> Gericht undWeltpresse peinlich. Sie zeigten sich arg beklommen und schnattertenihre Meineide in strammer Halter herunter. Lubbe grob anzufahren,hätten sie <strong>vor</strong> Gericht nicht gewagt. Göring dagegen, der zweifellos nochlauter brüllen konnte als Helldorf, konzentrierte seine Stimmgewalt lieberauf Dimitroff.Bleibt die brennende Frage, wie geriet Lubbe in das teuflische Spiel?<strong>Das</strong>s dieser halbblinde Tollpatsch nicht zur Brandlegung benötigt wurde,das wissen wir längst. Hierüber brauchte uns Rall keineswegs aufzuklären.Andererseits kann dieser Lubbe nicht die ganze Zeit verlegen inder Ecke herumgestanden haben, bis die Flammen hochzüngelten. Hierklafft in der Tat eine Lücke, eine Lücke wenigstens in dem, was Rall miterlebte.Aber ganz so mager war dessen Aussage doch nicht, auch wenner über die Entdeckung Lubbes sowie über die Form seiner Mitwirkungnichts Authentischeres als Karl Ernsts unmissverständliches »Schnauzehalten!« zu berichten wusste. <strong>Es</strong> ergaben sich immerhin Anhaltspunkte.<strong>Das</strong> erste, was wir einwandfrei klärten, war die wichtige Tatsache, dassder Film auch ohne Lubbe abgelaufen wäre. Datum, Brandstifter, dieTinktur, alles war bis ins Letzte <strong>vor</strong>bereitet; da erst meldete sich dieser80
<strong>1933</strong>Zaungast des Weltgeschehens. Natürlich war er zunächst hochwillkommen.Aber ob nicht Goebbels hinterher sein Erscheinen verwünscht <strong>hat</strong>,diese Frage möchte ich offen lassen. Denn an sich war nichts anderes geplantals ein derber, faustdicker Wahlschwindel. Was sollte im Grundeanderes geschehen, als dass man ein missliebiges Gebäude niederbrannte?Ein absurder (und zunächst verblüffender) Einfall und ein hemmungsloser(dafür jeden Zweifel abwürgender) Terror: das war seit jedie braune Logik. Dieser derb-primitive Plan wurde gröblich gestört, indemder Feuerwerker Lubbe seinen Herostratenanspruch anmeldete.Gewiss, Goebbels hätte nicht Goebbels sein müssen, sollte sich nicht seineperversierte Phantasie unverzüglich in dieses unglückselige Geschöpfverkrallt haben. Prachtvoller Reklametrick! Man beschuldigt nicht nurdie deutschen Kommun<strong>ist</strong>en, nein, man lässt überdies einen leibhaftigenausländischen Bolschewiken aus dem Flammenmeer auftauchen.Und sobald man das Galgengesicht plastisch an allen Litfaßsäulen plakatiert<strong>hat</strong>, hängt man den Kerl im Volkszorn auf. Lynchjustiz nennendies die Amerikaner. Was kann dabei schon passieren?Nun, es ereignete sich zweierlei, was der verschlagene Goebbels nicht<strong>vor</strong>hergesehen <strong>hat</strong>te. Erstens gewann der durch Lubbes Verhaftung inetwa aufgeklärte Reichstagsbrand, so paradox es klingt, ein ganz anderesAussehen, als es einer Brandkatastrophe zugekommen wäre, bei derdie Polizei keine Täter gefunden hätte. Jetzt musste der Form genügtwerden, es musste zu Vernehmungen, Untersuchungsberichten undschließlich zum Prozess kommen. Je mehr aber die Öffentlichkeit beteiligtwurde, desto deutlicher wurde der Schwindel. Und jetzt arbeitete –das <strong>ist</strong> das Zweite – nicht nur Goebbels’ Phantasie weiter. Der Funkesprang prompt auf ein anderes Hirn über: auch Hitler bemächtigte sichjenes hergelaufenen Strolches, der eine so unverhoffte Plastik für dasangekündigte Volkstribunal abgab. Gleichgültig, was Hitler <strong>vor</strong>her geahntoder gewusst <strong>hat</strong>, aber in dem Augenblick, da die Flammen loderten,die Menschen zusammenströmten und plötzlich aus dem GetümmelLubbes Jammerbild auftauchte, da war er nicht mehr der Hitler von einerhalben Stunde <strong>vor</strong>her, da war er selber verzaubert, da steigerte ersich, wie in allen dramatischen Augenblicken, in seine Selbsthypnosehinein. Von dieser Sekunde an sah er einzig den großen Schauprozesssamt allem, was er, der Mann der großen Enthüllungen, der verblüfftenWelt bei dieser Gelegenheit zu sagen gedachte. Freilich, wenn auch dieursprüngliche Planung durch den holländischen Störenfried grundle-81
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