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1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

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<strong>1933</strong>Einer anderer, der diesen Tag aber in Berlin erlebt, <strong>ist</strong> Raimund Pretzel,25. Morgens um zehn erhält er ein Telegramm: „Komm bitte, wenn dukannst. Frank.“ 95 Der junge Deutsche setzt sich auf die Vorortbahn undfährt dorthin, wo Frank Landau wohnt. „Er war mein bester und ältesterFreund. Wir kannten uns seit der untersten Gymnasialklasse. Wir <strong>hat</strong>tenzusammen im »Rennbund Altpreußen« Rennen gelaufen und späterin »richtigen« Sportclubs. Wir <strong>hat</strong>ten zusammen studiert und warenjetzt Referendare. Wir <strong>hat</strong>ten so ziemlich jedes knabenhafte Hobby undjede knabenhafte Schwärmerei gemeinsam gehabt. Wir <strong>hat</strong>ten einanderunsere ersten literarischen Versuche <strong>vor</strong>gelesen, und wir taten dies mitunseren schon ernsthafteren literarischen Bemühungen – wir fühltenuns beide »eigentlich« mehr als Literaten denn als Referendare. Inmanchen <strong>Jahr</strong>en <strong>hat</strong>ten wir uns tagtäglich gesehen, und wir waren gewohnt,alles miteinander zu teilen – einschließlich sogar unserer Liebesgeschichten,die wir <strong>vor</strong>einander ohne das Gefühl der Indiskretion auszubreitenpflegten.“ 96Der Vater von Frank <strong>ist</strong> Arzt und zu boykottieren. Pretzel kommt in demMoment nicht der Gedanke, dass Franks Vater im Weltkrieg sicher auchfür sein Vaterland gekämpft <strong>hat</strong>. Der Jude. Für Deutschland. Die Situation<strong>ist</strong> derart absurd, dass dem jungen Mann die Gedanken vergehenund ganz andere kommen. Er will hier weg. „Die jüdischen Geschäfte –es gab ziemlich viele in den östlichen Straßen – standen offen, <strong>vor</strong> denLadentüren standen breitbeinig aufgepflanzt SA-Leute. An die Schaufensterwaren Unflätigkeiten geschmiert, und die Ladeninhaber <strong>hat</strong>tensich me<strong>ist</strong>ens unsichtbar gemacht.“ 97 Diese Szenen überall im Land spaltendieses Volk. Ein Teil begrüßt, was hier beginnt, und ein anderer Teilsteht hilflos einer gesetzlich sanktionierten Gesetzlosigkeit gegenüber.Wie groß sind die beiden Teile? Lässt sich die Linie ziehen, wo jemanddie NSDAP wählt? 44 Prozent nach dem Verbot der KPD und den Rundfunkredendes Friedenskanzlers? 37 Prozent im Juli 1932? Muss mandie 32 Prozent im November 1932 ansetzen? Oder <strong>ist</strong> das zu einfach?Hans-Bernd Gisevius, der in Nürnberg 1946 als Zeuge auftritt, meint,für körperliche Gewalt gegen die Juden hätte Hitler nicht einmal in derPartei eine Mehrheit gehabt. Gleichlautend wird sich in Nürnberg 194695 Sebastian Haffner, Zwischen den Kriegen, S. 5396 Ebd., S. 5397 Haffner., S. 5433

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