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1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

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<strong>1933</strong>die noch ausstand. Aber plötzlich kam mit lautem Gepolter Karl Ernstherunter. Heini Gewehr – schon den Namen finde ich köstlich, ich beneideGoebbels um seine Improvisation – meldete, alles sei in Ordnung,und der Brigadeführer entließ sie mit ein paar Flüchen.Von da an ging alles wie der Wind. Sie jagten durch den viel beredetenunterirdischen Gang. »Jagten« <strong>ist</strong> ein wenig zu grob ausgedrückt; dennnatürlich vermieden sie es, unnötigen Lärm zu machen. Andererseits<strong>hat</strong>ten sie weder ihre klobigen SA-Schuhe ausgezogen, noch liefen sieauf Gummisohlen, noch <strong>hat</strong>ten sie irgendwelche sonstigen Vorkehrungengetroffen, etwa ihre SA-Kluft mit unkenntlichem Räuberzivil vertauschtoder wenigstens ihre Ausweise weggesteckt. Dies <strong>hat</strong>te seinenguten Grund. Sie waren nämlich beim Befehlsempfang so verblieben,dass sie menschlichem Ermessen nach – man <strong>hat</strong>te die Tage zu<strong>vor</strong> gutAusschau gehalten – niemanden in dem ausgestorbenen Gebäude antreffenwürden. Sollten sie trotzdem bemerkt werden – sie splittertensich in drei verschiedene Gruppen auf, eine zu viert für den Sitzungssaal,zweimal zu zweit für das Restaurant und die Wandelhallen – solltealso die eine oder die andere Gruppe wider Erwarten von jemandem gestelltwerden, so waren sie harmlose Botenläufer, die hinauf ins nationalsozial<strong>ist</strong>ischeFraktionszimmer wollten. Kam es aber zu einem unangenehmenWortwechsel, dann <strong>hat</strong>ten sie scharf zu schießen. Dies warbesser, als entdeckt zu werden. Und hinterher, nachdem die bösen Kommun<strong>ist</strong>enden Reichstag angesteckt <strong>hat</strong>ten, erhöhte es womöglich diebraune Dramatik oder die rote Ruchlosigkeit, wenn Unschuldige ihreLeben lassen mussten.“ 165Bedeutend langweiliger geht es derweil im Leipziger Reichsgericht zu.Marinus van der Lubbe, der 24 <strong>Jahr</strong>e alte Hauptangeklagte aus Holland,hinter dem die Flammen hochgeschlagen waren, als er beim Verlassendes Reichstages gestellt und verhaftet wurde, klebt wie „ein erloschenerLichtstumpf“ 166 auf der Anklagebank und schweigt. Politisch ausgedient<strong>hat</strong>te er freilich schon, als einen Tag danach die Kommun<strong>ist</strong>ische Parteiin Deutschland ausgeschaltet worden war. Von einem Kommun<strong>ist</strong>en <strong>hat</strong>der gerade fünf <strong>Jahr</strong>e ältere Hans-Bernd allerdings eine Vorstellung, diesich mit der Erscheinung dieses Wirrkopfes nicht deckt. <strong>Es</strong> bleibt auchfraglich, ob dieser jugendliche Held Kontakt mit einer kommun<strong>ist</strong>ischen165Gisevius I, S. 89f.166Ebd., S. 4067

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