<strong>1933</strong>ren, die hohe Ehre zuteil, in h<strong>ist</strong>orischer Stunde seine Gefolgschaftstreueund seine pyrotechnischen Fähigkeiten zu beweisen.“ 164Gisevius gibt dann wieder, wie sich die jungen Männer auf ihren großenEinsatz <strong>vor</strong>bereiteten. „So viel hörte Rall bereits damals, dass es zu ihrerGastrolle im Innern des Gebäudes noch ein Gegenstück gab, irgend etwasganz anderes, womit sie nichts zu tun <strong>hat</strong>ten. Was aber damit gemeintwar, wie sich zwei verschiedene Aktionen ergänzen sollten, welchein »Ding« Karl Ernst oder der Doktor nebenher »drehen« wollten, daserzählte man ihm und seinesgleichen nicht. Diese Nachricht lasen sieerst später in der Zeitung. Und als sie sich daraufhin schüchtern zu erkundigenwagten, da wurden sie, die sich doch wahrlich als die Heldendes Tages empfanden, höchst unfreundlich angefahren.Karl Ernst fluchte sein vielsagendes: »Schnauze halten!«, worauf siesich ihr Teil dachten und auf alle weitere Kriminal<strong>ist</strong>ik verzichteten. AmBrandtage <strong>hat</strong>ten sie sich spätnachmittags in Bewegung gesetzt. ErstesZiel war eine Drogerie im Norden der Stadt. Der Drog<strong>ist</strong> war ein alterParteigenosse, ein hingebungsvoller SA-Mann, das sagt in diesem Fallealles. Zugleich verstand er sich auf sein Geschäft, auf das technische wieauf das kassenmäßige. Diesen Abend war auch er »ganz groß«.Hinwiederum war die Mixtur, die sie abholten, gar nicht so viel, wie siesich ausgemalt <strong>hat</strong>ten. Für jeden gab es von dieser kostbaren Flüssigkeitnicht mehr als ein würfelförmiges Gefäß, das sie gut in großen Rucksäcken,wie sie zum Tragen von Zeitungen gebraucht wurden, verstauenkonnten. Sie staunten ein wenig, dass das genügen sollte, aber der Drog<strong>ist</strong>musste es wissen.Gegen sechs Uhr fuhren sie <strong>vor</strong> dem Palais des Reichstagspräsidenten<strong>vor</strong>, das gegenüber dem Hauptgebäude lag und durch einen unterirdischenGang mit diesem verbunden war. <strong>Es</strong> standen dort so viele Autosherum, dass ihre Ankunft überhaupt nicht auffiel, ebenfalls nicht die komischenAkten, die sie in das Gebäude hinein trugen. Ob der Pförtnermit im Spiel war, ob er zu jenem Zeitpunkt in seiner Loge saß, ob er gerade»dienstlich« abberufen war, konnte Rall nicht sagen, er <strong>hat</strong>te nichtdarauf geachtet. Sofort gingen sie in den Keller hinunter. Dort musstensie eine ziemliche Weile warten. Irgendein verabredetes Zeichen fehltenoch. Vielleicht, dass jemand drüben nachsehen musste, ob die Luft reinwar. Vielleicht, dass es die Meldung über das »Ding« von draußen war,164Gisevius I, S. 88f.66
<strong>1933</strong>die noch ausstand. Aber plötzlich kam mit lautem Gepolter Karl Ernstherunter. Heini Gewehr – schon den Namen finde ich köstlich, ich beneideGoebbels um seine Improvisation – meldete, alles sei in Ordnung,und der Brigadeführer entließ sie mit ein paar Flüchen.Von da an ging alles wie der Wind. Sie jagten durch den viel beredetenunterirdischen Gang. »Jagten« <strong>ist</strong> ein wenig zu grob ausgedrückt; dennnatürlich vermieden sie es, unnötigen Lärm zu machen. Andererseits<strong>hat</strong>ten sie weder ihre klobigen SA-Schuhe ausgezogen, noch liefen sieauf Gummisohlen, noch <strong>hat</strong>ten sie irgendwelche sonstigen Vorkehrungengetroffen, etwa ihre SA-Kluft mit unkenntlichem Räuberzivil vertauschtoder wenigstens ihre Ausweise weggesteckt. Dies <strong>hat</strong>te seinenguten Grund. Sie waren nämlich beim Befehlsempfang so verblieben,dass sie menschlichem Ermessen nach – man <strong>hat</strong>te die Tage zu<strong>vor</strong> gutAusschau gehalten – niemanden in dem ausgestorbenen Gebäude antreffenwürden. Sollten sie trotzdem bemerkt werden – sie splittertensich in drei verschiedene Gruppen auf, eine zu viert für den Sitzungssaal,zweimal zu zweit für das Restaurant und die Wandelhallen – solltealso die eine oder die andere Gruppe wider Erwarten von jemandem gestelltwerden, so waren sie harmlose Botenläufer, die hinauf ins nationalsozial<strong>ist</strong>ischeFraktionszimmer wollten. Kam es aber zu einem unangenehmenWortwechsel, dann <strong>hat</strong>ten sie scharf zu schießen. Dies warbesser, als entdeckt zu werden. Und hinterher, nachdem die bösen Kommun<strong>ist</strong>enden Reichstag angesteckt <strong>hat</strong>ten, erhöhte es womöglich diebraune Dramatik oder die rote Ruchlosigkeit, wenn Unschuldige ihreLeben lassen mussten.“ 165Bedeutend langweiliger geht es derweil im Leipziger Reichsgericht zu.Marinus van der Lubbe, der 24 <strong>Jahr</strong>e alte Hauptangeklagte aus Holland,hinter dem die Flammen hochgeschlagen waren, als er beim Verlassendes Reichstages gestellt und verhaftet wurde, klebt wie „ein erloschenerLichtstumpf“ 166 auf der Anklagebank und schweigt. Politisch ausgedient<strong>hat</strong>te er freilich schon, als einen Tag danach die Kommun<strong>ist</strong>ische Parteiin Deutschland ausgeschaltet worden war. Von einem Kommun<strong>ist</strong>en <strong>hat</strong>der gerade fünf <strong>Jahr</strong>e ältere Hans-Bernd allerdings eine Vorstellung, diesich mit der Erscheinung dieses Wirrkopfes nicht deckt. <strong>Es</strong> bleibt auchfraglich, ob dieser jugendliche Held Kontakt mit einer kommun<strong>ist</strong>ischen165Gisevius I, S. 89f.166Ebd., S. 4067
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