Die Kameliendame - GarboForever.com
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meine niedergeschlagenen Gefühle sich früher oder später auf eine<br />
gewaltsame, vielleicht gefährliche Weise wieder erheben würden.<br />
Ohne sich das Ansehen zu geben, als ob er mich trösten wollte, bot<br />
er alles auf, mich zu zerstreuen.<br />
Meine Schwester, die natürlich nicht wusste, was meine Rückkehr<br />
veranlasst hatte, konnte sich nicht erklären, warum ich, der<br />
einst so heitere, lebensfrohe Mensch, auf einmal so düster und<br />
nachdenklich geworden war.<br />
Zuweilen wurde ich in meiner Traurigkeit durch den unruhigen<br />
Bück meines Vaters überrascht. Dann reichte ich ihm die Hand und<br />
drückte ihm die seinige, gleichsam um ihn wegen des Kummers,<br />
den ich ihm verursachte, stillschweigend um Verzeihung zu bitten.<br />
So verfloss ein Monat. Margaretens Bild verfolgte mich unablässig.<br />
Ich hatte sie zu innig geliebt, als dass sie mir auf einmal hätte<br />
gleichgültig werden können. <strong>Die</strong>ses Gefühl war noch keineswegs in<br />
mir erloschen. Ich musste sie entweder lieben oder hassen, und ich<br />
fühlte das Bedürfnis, sie bald wiederzusehen.<br />
<strong>Die</strong>ses Verlangen wurde plötzlich in mir rege und bemächtigte<br />
sich meines ganzen Wesens mit der ungestümen Gewalt des Willens,<br />
der sich in einem seit langer Zeit machtlosen Körper endlich<br />
wieder geltend machte. Es war keine unbestimmte Sehnsucht, die<br />
mich erfüllte; ich hegte nicht etwa den Wunsch, Margarete in ferner<br />
Zukunft, in einem Monat, in acht Tagen wiederzusehen – ich wollte<br />
und musste sie sogleich sehen, und die Zeit, die ich zu der Reise<br />
nach Paris brauchte, schien mir unendlich lang für meine Wünsche.<br />
Ich zeigte daher meinem Vater an, dass ich in wichtigen Geschäften<br />
nach Paris reisen müsse, versprach aber, in wenigen Tagen zurückzukehren.<br />
Mein Vater erriet ohne Zweifel den Beweggrund dieses Entschlusses,<br />
denn er suchte mich zum Bleiben zu bewegen. Aber er<br />
sah wohl ein, dass die Vereitelung dieses Wunsches in meinem<br />
reizbaren Zustande verderbliche Folgen für mich haben könne, und<br />
gab nach. Obwohl er die wahre Ursache meiner Abreise mit keinem<br />
Wort berührte, gab er doch nicht undeutlich zu erkennen, dass er sie<br />
erraten, und bat mich fast mit Tränen, bald nach C*** zurückzukommen.<br />
Vor meiner Ankunft in Paris fand ich keinen Schlaf Was ich dort<br />
eigentlich wollte? Ich wusste es nicht, nur das wusste ich, dass ich<br />
mich vor allem nach Margarete umsehen musste.<br />
Ich begab mich in meine Wohnung, um meine Reisekleider<br />
abzulegen. Da das Wetter schön war, so ging ich in die Champs<br />
Elysées.<br />
Nach einer halben Stunde bemerkte ich Margaretens Wagen. Sie<br />
hatte ihre Pferde zurückgekauft, denn das Fuhrwerk war dasselbe<br />
wie früher, nur fuhr die Kutsche ganz langsam, und Margarete saß<br />
nicht darin.<br />
Kaum hatte ich diese Abwesenheit bemerkt, so erblickte ich<br />
Margarete, die in Begleitung einer mir unbekannten Dame zu Fuß<br />
die Allee herabkam.<br />
Margarete erblasste, als sie an mir vorüberging, und ihre Gesichtszüge<br />
schienen krampfhaft zu zucken. Mein Herz pochte ungestüm,<br />
aber es gelang mir doch, meine äußere Ruhe zu bewahren,<br />
und ich grüßte meine frühere Geliebte mit kalter Höflichkeit. Gleich<br />
darauf trat sie an den Wagen und stieg mit ihrer Begleiterin ein.<br />
<strong>Die</strong>ses unerwartete Zusammentreffen musste einen erschütternden<br />
Eindruck auf Margarete gemacht haben. Ohne Zweifel hatte sie<br />
von meiner Abreise erfahren und war dadurch über die Folgen unseres<br />
Bruches beruhigt worden. Als sie aber plötzlich mein blasses<br />
Gesicht erblickte, hatte sie gewiss eingesehen, dass meine Rückkehr<br />
einen Zweck hatte, und bückte nun voll Erwartung und Besorgnis<br />
auf meine weiteren Schritte.<br />
Hätte ich Margarete augenblicklich leidend wiedergefunden, hätte<br />
ich ihr, um mich an ihr zu rächen, zu Hilfe kommen können, so<br />
würde ich ihr vielleicht verziehen haben und würde gewiss nicht auf<br />
den Gedanken gekommen sein, ihr weh zu tun. Aber ich fand sie<br />
schöner als je wieder. Ein anderer hatte ihr den Prunk zurückgegeben,<br />
den ich ihr nicht gewähren konnte. Unser Zerwürfnis, das von<br />
ihr veranlasst worden war, nahm folglich den Schein des Eigennutzes<br />
an. Ich war in meinem Selbstgefühl wie in meiner Liebe gedemütigt.<br />
Sie sollte büßen für den Schmerz, den sie mir verursacht<br />
hatte.