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Die Kameliendame - GarboForever.com

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und hatte sie gezwungen, das Feld zu räumen. Margarete war aber<br />

durch diesen ärgerlichen Vorfall so tief erschüttert worden, dass<br />

man sie ohnmächtig weggetragen hatte.<br />

Olympia kam sogleich zu mir, erzählte mir, Margarete habe sie<br />

öffentlich beleidigt, und forderte mich auf, sie schriftlich darüber<br />

zur Rede zu stellen und ihr mit allem Nachdruck die gebührende<br />

Achtung gegen meine Geliebte zu empfehlen.<br />

Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass ich in diese Zumutung<br />

willigte und dieses Schreiben in den bittersten, verletzendsten<br />

Worten abfasste.<br />

<strong>Die</strong>ser Schlag war zu stark, als dass ihn die Unglückliche stillschweigend<br />

hätte ertragen können.<br />

Ich vermutete wohl, dass ich eine Antwort erhalten würde, und<br />

beschloss daher, den ganzen Tag zu Hause zu bleiben.<br />

Gegen zwei Uhr wurde die Türglocke gezogen, und ich sah Prudence<br />

eintreten.<br />

Ich fragte sie mit möglichst gleichgültiger Miene die Ursache ihres<br />

Besuchs. Aber an diesem Tage war die Duvernoy nicht in ihrer<br />

gewohnten heiteren Stimmung, und sie sagte in einem beinahe weinerlichen<br />

Ton, dass ich seit meiner Rückkehr nach Paris, nämlich<br />

seit etwa drei Wochen, keine Gelegenheit hätte vorübergehen lassen,<br />

Margarete weh zu tun; dass diese aus Gram krank geworden sei<br />

und seit dem gestrigen Vorfalle, besonders aber seit dem Empfange<br />

meines Briefes, das Bett hüten müsse.<br />

Kurz, ohne mir Vorwürfe zu machen, ließ mich Margarete um<br />

Schonung bitten, indem sie mir sagen ließ, sie habe weder genug<br />

geistige noch physische Kraft mehr, um solche Misshandlungen zu<br />

ertragen.<br />

„Wenn Fräulein Gautier“, erwiderte ich, „mich zu verabschieden<br />

für gut findet, so ist sie in ihrem Rechte, und ich kann nichts dagegen<br />

einwenden, aber nie werde ich zugeben, dass sie meine Geliebte<br />

beleidige ...“<br />

„Lieber Freund“, unterbrach mich Prudence, „Sie haben sich von<br />

einem geist- und herzlosen Mädchen betören lassen. Sie heben dieses<br />

Mädchen: Aber das ist kein Grund, eine Wehrlose zu quälen.“<br />

„Fräulein Gautier mag ihren Grafen von N*** schicken, dann<br />

sind die Parteien auf beiden Seiten gleich.“<br />

„Sie wissen sehr wohl, dass sie das nicht tut. Lassen Sie sie also<br />

in Ruhe, lieber Armand! Wenn Sie Margarete sähen, so würden Sie<br />

sich Ihres Benehmens gegen sie schämen. Sie ist totenbleich und<br />

hustet ... Es wird schwerlich noch lange mit ihr dauern.“<br />

Prudence reichte mir die Hand und setzte in bittendem Tone hinzu:<br />

„Gehen Sie zu ihr. Ihr Besuch wird ihr große Freude machen.“<br />

„Ich werde mich hüten, ich habe keine Lust, den Grafen bei ihr<br />

anzutreffen.“<br />

„Der Graf ist nie bei ihr, sie kann ihn nicht ausstehen.“<br />

„Wenn Margarete mich zu sehen und zu sprechen wünscht, so<br />

weiß sie, wo ich wohne. Sie mag zu mir kommen; aber ich werde<br />

ihre Wohnung nie mehr betreten.“<br />

„Und Sie werden sie gut empfangen?“<br />

„Das versteht sich.“<br />

„Nun, dann wird sie gewiss kommen. Werden Sie heute ausgehen?“<br />

„Ich bleibe den ganzen Abend zu Hause.“<br />

„Ich werde es ihr sagen.“<br />

Prudence entfernte sich.<br />

Ich war fest überzeugt, dass Margarete kommen würde. Ich<br />

wusste nicht, sollte ich sie lieben oder hassen?<br />

Ich schrieb nicht einmal an Olympia, dass ich diesen Abend<br />

nicht ausgehen würde. Sie war mir immer gleichgültig gewesen,<br />

und ich beobachtete sehr wenig Rücksicht gegen sie: Es vergingen<br />

oft mehrere Tage, ohne dass ich sie sah. Sie tröstete sich darüber,<br />

wie mir schien, mit einem Schauspieler von irgendeinem Boulevard-Theater.<br />

Ich ging zum Diner und kam sogleich wieder nach Hause. Ich<br />

ließ Feuer im Kamin anzünden und entließ meinen <strong>Die</strong>ner Josef<br />

Wenn sie nur ohne Begleitung kommt!, dachte ich.<br />

<strong>Die</strong> widerstreitenden Gefühle, die eine Stunde lang auf mich einstürmten,<br />

kann ich Ihnen unmöglich beschreiben; und als ich gegen<br />

neun Uhr die Türglocke hörte, war ich so ergriffen, dass ich nur mit

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