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Die Kameliendame - GarboForever.com

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ches Frühstück hatten. Ich sage dies nicht etwa aus Dankbarkeit für<br />

das Glück, das ich dort gefunden, aber Bougival hat, ungeachtet<br />

seines schlechten Rufes, eine ungemein reizende Lage. Ich habe<br />

viele Reisen gemacht: Ich habe Großartigeres, aber nichts Anziehenderes<br />

gesehen als dieses kleine Dorf, das so malerisch am Fuße<br />

des grünen Hügels liegt.<br />

Frau Arnould schlug eine Spazierfahrt auf dem Wasser vor. Ein<br />

hübscher Kahn war bereit, und wir nahmen den Vorschlag mit<br />

Freude an.<br />

Unglücklicherweise brannte die Sonne sehr heiß, und dass Zurückprallen<br />

der Strahlen von dem Wasser tat den Augen weh. Wir<br />

legten bei der Insel Croissy an und setzten uns in den Schatten.<br />

Man hat die bebe immer mit dem Landleben in Verbindung gebracht,<br />

und mit Recht; denn nichts bildet eine so passende Umgebung<br />

des geliebten Gegenstandes wie der reine blaue Himmel, die<br />

duftenden Blumen, die idyllischen Baumgruppen, die reizenden<br />

Einöden in Feld und Wald. Wie innig man auch ein weibliches Wesen<br />

liebt, wie großes Vertrauen man auch zu ihr hat, und wie sicher<br />

auch die Gewähr für die Zukunft ist, welche die Vergangenheit bietet,<br />

so ist man doch immer eifersüchtig. Wer je wahrhaft geliebt hat,<br />

muss das Bedürfnis gefühlt haben, das Wesen, dem man ganz leben<br />

will, von der Welt abzusondern. Wie gleichgültig auch der geliebte<br />

Gegenstand gegen seine Umgebung sei, so scheint er doch durch<br />

die Berührung mit Menschen und Sachen an Reiz und Zauber zu<br />

verlieren. Ich empfand das mehr als jeder andere, meine Liebe war<br />

kein gewöhnliches Gefühl, ich liebte so innig und feurig, wie nur<br />

ein menschliches Wesen lieben kann, aber es war eine Buhlerin, die<br />

ich liebte, und daher konnte ich mir in Paris bei jedem Schritt ein<br />

Mann begegnen der ihr Geliebter gewesen war oder es morgen werden<br />

konnte, und dies zerriss mir das Herz, trieb aber auch meine<br />

Leidenschaft auf den höchsten Grad.<br />

Auf dem Lande hingegen, mitten unter Leuten, die wir nie gesehen<br />

hatten und die sich um uns nicht kümmerten, umgeben von der<br />

herrlichen Frühlingsnatur, weitab vom Geräusche der Stadt, konnte<br />

ich meine Liebe verbergen und ohne Beschämung und Besorgnis<br />

heben.<br />

<strong>Die</strong> Buhlerin verschwand nach und nach. Ich hatte nicht mehr<br />

Margarete Gautier, die Fille entretenue, vor Augen, sondern ein reizendes<br />

junges Mädchen, das meine liebe erwiderte und zufällig<br />

Margarete hieß. <strong>Die</strong> Vergangenheit hatte keine Gestalten, die Zukunft<br />

keine Wolken mehr. <strong>Die</strong> Sonne beleuchtete meine Geliebte,<br />

wie sie die keuscheste Braut beleuchtet hätte. Wir lustwandelten<br />

beide auf der freundlichen Insel, die ausdrücklich gemacht zu sein<br />

scheint, um an Verse Lamartines oder an Melodien Scudos zu erinnern.<br />

Margarete trug ein weißes Kleid, sie lehnte sich an meinen<br />

Arm und wiederholte mir am Abend unter dem Sternenhimmel die<br />

Worte, die sie mir tags zuvor gesagt hatte. Das geräuschvolle Treiben<br />

der Welt dauerte in der Ferne fort, ohne auf das lachende Bild<br />

unserer Jugend und unserer liebe einen trüben Schatten zu werfen.<br />

<strong>Die</strong>sen Traum träumte ich, indem ich die glühenden Sonnenstrahlen,<br />

die sich durch das Laubdach stahlen, sinnend betrachtete<br />

und, in dem langen, üppigen Grase liegend, meinen Gedanken freien<br />

Lauf ließ und mich den freudigsten Hoffnungen hingab.<br />

Von der Stelle, wo wir uns befanden, bemerkte ich am Ufer ein<br />

wunderhübsches Landhaus, umgeben von grünen Rasenplätzen und<br />

malerischen Baumgruppen. <strong>Die</strong> Außentreppe war ganz von blühenden<br />

Schlingpflanzen bedeckt, die sich bis zum ersten Stock hinauf<br />

erstreckten. Eine breite Allee von Kastanienbäumen führte vom Ufer<br />

zu dem ungewohnt scheinenden Hause.<br />

Je länger ich das Haus betrachtete, desto schwerer ward es mir,<br />

meine Blicke von ihm abzuwenden. Endlich konnte ich mich des<br />

Gedankens nicht entschlagen, die reizende Besitzung sei mein. Ich<br />

sah Margarete und mich, wie wir am Tage in den schattigen Laubgängen<br />

auf und ab gingen und abends auf dem Rasen saßen, der<br />

sich wie ein Teppich hinter dem Hause ausbreitete, und fragte mich,<br />

ob irdische Wesen jemals so glücklich wären wie wir.<br />

Ich sah Margarete an, sie war der Richtung meines Blickes und<br />

vielleicht auch meiner Gedanken gefolgt, denn auch sie betrachtete<br />

das Haus, das uns gleichsam anlächelte und sich anzubieten schien.<br />

„Welch ein hübsches Haus“, sagte sie zu mir.<br />

„Wo?“, fragte Prudence.

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