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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Aber wie ließ sich auf der anderen Seite dieser Ruf mit der<br />

schnöden Behandlung des jungen Grafen vereinigen? Man wird mir<br />

einwenden, das s er ihr zuwider war und dass sie von ihrem alten<br />

Herzog glänzend genug versorgt wurde, um sich einen Geliebten<br />

nach ihrem Gefallen wählen zu können. Aber warum wollte sie<br />

denn von dem liebenswürdigen geistreichen Eugen nichts wissen,<br />

und warum schien sie mir geneigt zu sein, nachdem sie mich bei<br />

unserm ersten Zusammentreffen so lächerlich gefunden hatte?<br />

Es gibt freilich unbedeutende Verhältnisse, die mehr bewirken<br />

als eine jahrelange Bewerbung, und der plötzliche Eindruck, den<br />

wir manchmal auf die Frauen machen, ist oft weit mehr geeignet,<br />

sie zu gewinnen, als die alltäglichen Versicherungen, deren sie bald<br />

überdrüssig werden.<br />

Unter den Tischgästen war ich der Einzige, der ihr Teilnahme<br />

gezeigt hatte, als sie vom Tische aufgestanden war. Ich war ihr gefolgt<br />

und hatte meine Besorgnis nicht verbergen können, und außerdem<br />

hatte sie erfahren, dass ich der Unbekannte war, der sich in<br />

ihrer Krankheit täglich nach ihr erkundigt hatte. Sie mochte also in<br />

mir einen anderen Mann sehen als jene, die sie bis dahin gekannt<br />

hatte; und vielleicht dachte sie, dass sie einer auf solche Art ausgedrückten<br />

Liebe wohl gewähren könne, was sie schon so oft gewährt<br />

hätte und daher nicht mehr allzu hoch im Werte hielt.<br />

Alle diese Mutmaßungen waren ziemlich wahrscheinlich, aber<br />

welche Ursache ihrer Einwilligung auch immer zu Grunde liegen<br />

mochte, so war doch gewiss, dass sie eingewilligt hatte. Das war<br />

alles, was ich von ihr erwarten konnte; aber ich wiederhole es Ihnen,<br />

ich suchte mir meine Liebe, vielleicht um sie mir selbst poetisch<br />

zu machen, als hoffnungslos vorzustellen, und je näher der<br />

Augenblick kam, wo ich nicht mehr zu hoffen brauchte, desto mehr<br />

zweifelte ich.<br />

<strong>Die</strong> ganze Nacht hindurch schloss ich kein Auge. Ich erkannte<br />

mich nicht mehr, mein Verstand war verwirrt. Bald war ich nicht<br />

schön, nicht reich, nicht elegant genug, um einen solchen Engel zu<br />

besitzen; bald erfüllte mich der Gedanke an diesen Besitz mit einer<br />

geckenhaften Eitelkeit. Dann fürchtete ich wieder, Margaretens Zuneigung<br />

wäre nur eine schnell vorübergehende Laune. Ein baldiger<br />

Bruch erschien mir als ein Unglück für mich, und ich dachte, es<br />

würde vielleicht besser sein, zu der verabredeten Stunde nicht zu ihr<br />

zu gehen und Paris zu verlassen. Dann ging ich wieder zu zügellosen<br />

Hoffnungen, zu grenzenlosem Vertrauen über. Ich träumte mich<br />

in eine unglaubliche Zukunft; ich stellte mir vor, dass sie mir ihre<br />

physische und moralische Heilung verdanken, dass sie immer bei<br />

mir bleiben und mich mit ihrer liebe glücklicher machen werde als<br />

ein keusches Mädchen mit den ersten Blüten jungfräulicher Zuneigung.<br />

Kurz, es wäre mir unmöglich, Ihnen die tausend Gedanken zu<br />

sagen, die mir aus dem Herzen in den Kopf stiegen und in dem<br />

Schlafe, der mich gegen Morgen befiel, nach und nach erloschen.<br />

Als ich erwachte, war es zwei Uhr. Das Wetter war herrlich. Ich<br />

erinnere mich nicht, dass mir das Leben jemals so schön und so<br />

vollkommen erschienen wäre. <strong>Die</strong> Erinnerung an meine Unterredung<br />

mit Margarete trat mir nun ohne düstere Schatten, ohne Hindernisse<br />

vor die Seele. Ich kleidete mich schnell an. Ich war unaussprechlich<br />

heiter und hätte allen Menschen Gutes tun mögen. Von<br />

Zeit zu Zeit pochte mein Herz ungestüm vor Freude und Liebe. Ich<br />

kümmerte mich nicht mehr um die Gründe, die in der Nacht meinen<br />

Schlaf verscheucht hatten, ich sah nur das Resultat, ich dachte nur<br />

an die Stunde, wo ich Margarete wieder sehen sollte.<br />

Es war mir unmöglich, zu Hause zu bleiben. Mein Zimmer<br />

schien mir zu klein, um mein Glück zu fassen; ich bedurfte der ganzen<br />

Natur, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben.<br />

Ich ging aus. Ich ging unwillkürlich in die Rue d’Antin. Margaretens<br />

Wagen hielt vor der Tür; wohin anders hätte ich gehen sollen<br />

als in die von Spaziergängern wogenden Alleen der Champs Elysées?<br />

Allen Menschen, die mir begegneten, war ich geneigt, ohne<br />

sie zu kennen. Wie gut doch die Liebe macht.<br />

Nach einer Stunde vergeblichen Harrens sah ich in der Ferne<br />

Margaretens Wagen; ich erkannte sie nicht, ich erriet sie. Sie saß,<br />

wie immer, allein im Wagen. Ihr Schleier war heruntergefallen, aber<br />

ich bemerkte dennoch ihre Blässe. Als sie mich sah, nickte sie mir<br />

zu; ihr Lächeln war für andere fast unbemerkbar, für mich aber sehr<br />

bezeichnend. Sie fuhr vorüber.

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