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Die Kameliendame - GarboForever.com

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mir immer, als ob ich einen Brief von Dir zu erwarten hätte, aber<br />

der Brief kommt nicht und wird auch wohl nie kommen. Nur die<br />

Menschen haben die Kraft, nicht zu verzeihen. Der Herzog hat mir<br />

nicht geantwortet.<br />

Prudence hat ihre Wanderung zum Leihhause wieder angefangen.<br />

Ich huste fast unaufhörlich Blut. Oh! Mein Anblick würde dir<br />

recht peinlich sein, wenn du mich sähest. Du bist sehr glücklich,<br />

unter einem warmen Himmel zu leben und Deine Brust von keinem<br />

eisigen Winter belastet zu fühlen. Heute bin ich aufgestanden und<br />

habe am Fenster das geräuschvolle Pariser Leben betrachtet, aus<br />

dem ich nun wohl für immer geschieden bin. Einige bekannte Menschen<br />

eilten heiter und sorglos vorüber. Nicht ein Einziger hat zu<br />

meinem Fenster heraufgeblickt, doch haben einige junge Herren ihre<br />

Karten abgegeben. Ich war schon einmal krank, und Du erkundigtest<br />

Dich jeden Morgen nach meinem Befinden, obwohl du mich<br />

nicht kanntest und sogar bei unserem ersten Zusammentreffen von<br />

mir verhöhnt worden warst. Jetzt bin ich wieder krank. Wir haben<br />

uns sechs Monate innig und aufrichtig geliebt ... und nun bist Du<br />

fern und verwünschest mich, und ich erhalte kein Wort des Trostes<br />

von Dir. Aber ich bin überzeugt, dass diese Verlassenheit nur ein<br />

Werk des Zufalls ist; denn wärest Du in Paris, so würdest Du gewiss<br />

nicht von meinem Krankenlager weichen.<br />

23. Dezember.<br />

Mein Arzt hat mir streng verboten, täglich zu schreiben. Mein<br />

Fieber wird auch in der Tat immer heftiger, wenn ich mich all diesen<br />

Erinnerungen überlasse. Aber gestern erhielt ich einen Brief,<br />

der mich weit mehr durch die darin ausgedrückten Gefühle, als<br />

durch die materielle Hilfe, die er mir brachte, erfreut hat. Ich kann<br />

Dir also heute schreiben. Der Brief war von Deinem Vater und enthielt<br />

Folgendes:<br />

..Mein Fräulein, eben erfahre ich, dass Sie krank sind. Wenn ich<br />

in Paris wäre, so würde ich mich persönlich nach ihrem Befinden<br />

erkundigen; wenn mein Sohn bei mir wäre, so würde ich ihn<br />

sogleich auffordern, sich zu Ihnen zu begeben; aber ich kann mich<br />

von C*** nicht entfernen, und Armand ist tausend Meilen von hier.<br />

Erlauben Sie mir also, Ihnen mein inniges Bedauern über Ihre<br />

Krankheit schriftlich auszudrücken, und halten Sie sich überzeugt,<br />

dass ich Ihre baldige Genesung aufrichtig wünsche.<br />

Ein Freund von mir, Herr H***, wird Ihnen in meinem Namen<br />

einen Besuch machen; er hat sich eines Auftrags bei Ihnen zu entledigen,<br />

und ich erwarte mit Ungeduld, dass er mir das Ergebnis seines<br />

Besuches anzeige.<br />

Genehmigen Sie die Versicherung meiner wärmsten Teilnahme.“<br />

<strong>Die</strong>s ist der Brief, den ich erhalten habe, Armand. Halte Deinen<br />

Vater stets in Ehren, denn er ist ein edler Mann, und es gibt wenige<br />

Menschen, die der liebe und Hochschätzung so würdig sind wie er.<br />

<strong>Die</strong>ses mit seinem Namen unterzeichnete Schreiben hat einen heilsameren<br />

Einfluss auf mein Befinden gehabt, als alle Rezepte meines<br />

berühmten Arztes.<br />

<strong>Die</strong>sen Morgen kam Herr H***. Der Auftrag, den er von Herrn<br />

Duval erhalten hatte, schien ihn sehr verlegen zu machen. Er überbrachte<br />

mir tausend Taler von Deinem Vater. Ich wollte das Geschenk<br />

anfangs ablehnen, aber Herr H*** versicherte, eine Weigerung<br />

würde Deinen Vater beleidigen. Und er sei von diesem ermächtigt,<br />

mir diese Summe sogleich zu übergeben und sodann noch<br />

für alle meine Bedürfnisse zu sorgen. Ich nahm diesen <strong>Die</strong>nst endlich<br />

an, den ich nicht als Almosen betrachten kann, da Dein Vater<br />

ihn mir erwiesen hat. Wenn ich tot bin, so sage ihm, das arme Mädchen,<br />

dem er diesen Trostbrief geschrieben, habe Tränen des Dankes<br />

dabei vergossen und für ihn gebetet.<br />

4. Januar.<br />

Ich habe mehrere schmerzliche Tage verlebt. Ich wusste nicht,<br />

dass man so viel leiden könne. Oh, ich büße schwer für mein vergangenes<br />

Leben.<br />

Meine Wärterin war alle Nächte hindurch vor meinem Bette. Ich<br />

konnte kaum noch atmen und fantasierte fast unaufhörlich.<br />

Mein Speisezimmer ist voll von Leckerbissen und Geschenken<br />

aller Art, die mir meine Freunde gebracht haben. Einige unter ihnen<br />

hoffen wahrscheinlich, in der Folge noch manche Stunde mit mir

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