Die Kameliendame - GarboForever.com
Die Kameliendame - GarboForever.com
Die Kameliendame - GarboForever.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
das Recht hatte, etwas anders von ihr zu verlangen, dass mancher<br />
andere überglücklich an meiner Stelle sein würde und dass ich, wie<br />
Vergils Hirt, nur die Freuden, die mir ein Gott oder vielmehr eine<br />
Göttin bereitete, zu genießen hätte.<br />
Ich versuche also, Prudences Theorien in Anwendung zu bringen<br />
und ebenso heiter zu sein wie meine beiden Gefährtinnen. Aber was<br />
bei ihnen natürliche Stimmung war, das war bei mir eine wirkliche<br />
Kraftanstrengung, und mein gezwungenes Lachen, das sie für natürliche<br />
Heiterkeit nahmen, war von Tränen nicht weit entfernt.<br />
Endlich war das Souper zu Ende, und ich blieb mit Margarete allein.<br />
Sie setzte sich ihrer Gewohnheit gemäß auf den Teppich und<br />
schaute nachsinnend in das Kaminfeuer.<br />
Woran sie dachte? Ich weiß es nicht. Ich sah sie mit zärtlichen<br />
Blicken an, und es wurde mir fast bange bei dem Gedanken an die<br />
Leiden, die ich um ihretwillen zu erdulden haben würde.<br />
„Setz dich zu mir!“, sagte sie zu mir.<br />
Ich legte mich an ihrer Seite auf den schwellenden Teppich.<br />
„Weiß du, woran ich dachte?“, fuhr sie fort, indem sie meine<br />
Hand fasste.<br />
„Nein.“<br />
„Ich sann über einen Plan nach, den ich entworfen habe.“<br />
„Und worin besteht dieser Plan?“<br />
Jetzt kann ich ihn dir noch nicht anvertrauen, aber ich will dir<br />
sagen, was daraus hervorgehen kann. In einem Monat kann ich frei<br />
sein und ohne Schulden, und dann können wir den Sommer miteinander<br />
auf dem Lande leben.“<br />
„Und du kannst mir nicht sagen, auf welche Weise du diesen<br />
Zweck erreichen willst?“<br />
„Nein, wenn du mich nur liebst, wie ich dich liebe, so wird alles<br />
gut gehen.“<br />
„Und du allein hast diesen Plan ersonnen?“<br />
„Ja.“<br />
„Und willst ihn allein ausführen?“<br />
„Ich allein werde die Mühe haben“, erwiderte Margarete mit einem<br />
Lächeln, das ich nie vergessen werde, „aber den Nutzen werden<br />
wir teilen.“<br />
<strong>Die</strong>ses Wort „Nutzen“ trieb mir das Blut in die Wangen; ich<br />
dachte an Manon Lescaut, die mit Desgrieur das Geld des B***<br />
verzehrte.<br />
Ich stand auf und antwortete etwas schroff. „Du wirst mir erlauben,<br />
liebe Margarete, dass ich nur den Nutzen solcher Unternehmungen<br />
teile, die ich begreife und die ich selbst ins Werk setze.“<br />
„Was soll das heißen?“<br />
„Dass ich den Grafen von G***, der soeben von hier fortging,<br />
für deinen Associé halte und dass ich weder an den Kosten noch an<br />
dem Nutzen dieses Unternehmens beteiligt sein mag.“<br />
„Du bist recht kindisch“, erwiderte Margarete sanft und traurig.<br />
„Ich glaubte, du liebtest mich, aber ich sehe, dass ich mich geirrt<br />
habe.“<br />
Sie stand auf, öffnete das Piano und spielte die „Aufforderung<br />
zum Tanz“ bis zu jener schwierigen Stelle, die ihr stets ein unüberwindliches<br />
Hindernis bot.<br />
Ich weiß nicht, ob sie dieses Stück aus Gewohnheit spielte, oder<br />
ob sie die Absicht hatte, mich an den Tag unserer Bekanntschaft zu<br />
erinnern; ich weiß nur, dass diese Melodie jene Gefühle, die ich<br />
damals gehegt, wieder in mir weckte. Ich trat auf sie zu, nahm ihr<br />
Köpfchen in beide Hände und küsste sie.<br />
„Du verzeihst mir?“, sagte ich.<br />
„Du siehst es ja“, antwortete sie; „aber merke dir wohl, dass wir<br />
uns erst seit zwei Tagen kennen und dass ich dir schon etwas zu<br />
verzeihen habe. Dein Versprechen unbedingten Gehorsams hältst du<br />
sehr schlecht.“<br />
„Wie kann ich anders, Margarete? Ich hebe dich zu sehr und bin<br />
auf deine geringsten Gedanken eifersüchtig. Was du mir eben vorgeschlagen<br />
hast, würde mich närrisch vor Freude machen, aber das<br />
Geheimnis, das der Ausführung dieses Planes vorangeht, tut mir<br />
sehr weh.“<br />
„Reden wir einmal vernünftig“, erwiderte sie, indem sie meine<br />
beiden Hände fasste und mich mit ihrem unwiderstehlichen Zauberlächeln<br />
ansah. „Du bebst mich, nicht wahr? Und es würde dir Freude<br />
machen, drei bis vier Monate mit mir allein auf dem Lande zu<br />
leben. Ich würde auch glücklich sein in solcher Einsamkeit, denn