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Die Kameliendame - GarboForever.com

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5. Februar.<br />

O komm, komm, Armand, ich leide entsetzlich! Mein Gott, sollte<br />

mein Ende schon so nahe sein? Ich war gestern so traurig, dass ich<br />

den Abend, der so lang wie der vorige zu werden versprach, außer<br />

dem Hause zubringen wollte. Der Herzog war vormittags da gewesen.<br />

Mich düngt, der Anblick dieses vom Tode vergessenen Greises<br />

beschleunigt mein Ende.<br />

Trotz des Fiebers, das in mir glühte, ließ ich mich ankleiden und<br />

fuhr in das Vaudevilletheater. Julie hatte mich geschminkt, denn<br />

sonst hätte ich wie eine Leiche ausgesehen. Ich nahm die Loge, in<br />

der ich Dir unser erstes Stelldichein gegeben habe; ich ließ den<br />

Sperrsitz, den du damals innehattest, fast keine Minute aus den Augen.<br />

Gestern saß auf diesem Platze ein plumper, roher Mensch, der<br />

über alle schlechten Witze der Schauspieler aus vollem Halse lachte.<br />

Man hat mich halb tot nach Hause gebracht. Ich habe die ganze<br />

Nacht hindurch Blut gehustet. Heute kann ich nicht mehr sprechen,<br />

ich bin kaum im Stande, die Arme zu bewegen ... Mein Gott, mein<br />

Gott! Wenn das Vorzeichen des Todes wären! Ich war wohl darauf<br />

gefasst, aber ich kann mich nicht an den Gedanken gewöhnen, noch<br />

mehr zu leiden, als ich schon leide.<br />

*<br />

Alle Zeilen, die diesen Worten folgten, waren unleserlich. Julie<br />

Duprat hatte das Tagebuch fortgesetzt.<br />

18. Februar.<br />

Seit dem Tage, an dem Margarete in das Theater fuhr, wurde ihr<br />

Zustand mit jeder Stunde bedenklicher. Sie hat die Stimme ganz<br />

verloren und ist keiner freien Bewegung mehr mächtig. Was unsere<br />

arme Freundin leidet, ist nicht zu beschreiben. Ich bin an derlei<br />

Aufregung nicht gewöhnt und lebe beständig in Furcht und Schrecken.<br />

Wie sehr wünschte ich, dass Sie bei uns sein könnten. Margarete<br />

hat fast unaufhörlich fantasiert. Aber sie mag nun bei Besinnung<br />

sein oder nicht, so spricht sie immer Ihren Namen aus, wenn sie von<br />

Zeit zu Zeit, einige Worte zu stammeln vermag.<br />

Der Arzt sagt, es könne nicht mehr lange mit ihr dauern. Seit dieser<br />

großen Verschlimmerung ihres Zustandes ist der alte Herzog<br />

nicht wiedergekommen. Er hat zu dem Arzte gesagt, der Anblick sei<br />

ihm gar zu schrecklich.<br />

Frau Duvernoy hat sich sehr schlecht gegen Margarete benommen.<br />

<strong>Die</strong>se Frau, die fast ganz auf Margaretens kosten lebte, glaubte,<br />

von dieser noch mehr Geld erhalten zu können, und hat Verpflichtungen<br />

übernommen, denen sie nicht nachkommen kann. Da<br />

sie nun sieht, dass ihre Nachbarin ihr nichts mehr nutzen kann,<br />

macht sie ihr nicht einmal mehr einen Besuch. Jedermann verlässt<br />

sie. Der Graf von G***, der von seinen Gläubigern verfolgt wird,<br />

hat sich genötigt gesehen, wieder nach London zu gehen. Vor seiner<br />

Abreise hat er uns eine kleine Summe geschickt; er hat getan, was<br />

er konnte, aber man hat wieder gepfändet, und Margaretens Gläubiger<br />

erwarten nur ihren Tod, um ihre ganze Habe zu verkaufen.<br />

Ich wollte meine letzten Hilfsquellen daransetzen, um dieser<br />

Pfändung vorzubeugen; aber der Gerichtsdiener sagte mir, es sei<br />

unnütz: Es wären noch andere Urteile zu vollziehen. Da sie einmal<br />

nicht zu retten ist, so ist es besser, den Gläubigern alles zu überlassen,<br />

als ein Opfer zu bringen, aus dem doch nur Margaretens Verwandte,<br />

die ihr niemals gut waren, Nutzen ziehen würden. Sie können<br />

sich nicht vorstellen, in welchem schimmernden Elend das arme<br />

Mädchen stirbt. Gestern fehlte es uns an allen Mitteln. Bestecke,<br />

Geschmeide, Schals, alles ist versetzt, das Übrige ist teils verkauft,<br />

teils gepfändet. Margarete ist sich dessen, was um sie vorgeht, noch<br />

bewusst, und sie leidet am Körper, am Geist und am Herzen. Dicke<br />

Tränen rollen über ihre Wangen, die so eingefallen und bleich sind,<br />

dass Sie das Ihnen einst so teure Gesicht, wenn Sie es sehen könnten,<br />

kaum wieder erkennen würden. Ich musste ihr versprechen, Ihnen<br />

zu schreiben, wenn sie selbst zu schwach dazu sein würde, und<br />

ich schreibe vor dem Krankenbett. Sie wendet die Augen nach meiner<br />

Seite, doch sie sieht mich nicht, ihr Blick ist schon von dem nahen<br />

Tode verschleiert; aber sie lächelt noch immer, und ich bin überzeugt,<br />

dass alle ihre Gedanken bei Ihnen weilen.

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