Die Kameliendame - GarboForever.com
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lick erscheinen zu sehen. Es war neben mir ein Sperrsitz, der den<br />
ganzen Abend leer blieb, und ich meinte, er müsse von Ihnen gemietet<br />
worden sein.“<br />
„Warum sollte ich denn hingehen, wo Margarete ist?“, sagte ich<br />
zu Eugen, als ich alles erfahren hatte, was ich wissen wollte.<br />
„Na hören Sie mal: Sie sind doch ihr Geliebter!“<br />
„Wer hat Ihnen das gesagt?“<br />
„Prudence, die mir gestern begegnete. Ich wünsche Ihnen Glück,<br />
heber Armand, Margarete ist ein schönes, geistreiches Mädchen,<br />
das sich nicht an jedermann wegwirft. Suchen Sie sie nur zu behalten,<br />
sie wird Ihnen Ehre machen.“<br />
<strong>Die</strong>se einfache Bemerkung Eugens zeigte mir, wie lächerlich<br />
meine Empfindlichkeit war. Wenn er mir am Abend vorher begegnet<br />
wäre und ebenso zu mir gesprochen hätte, so würde ich den abgeschmackten<br />
Brief gewiss nicht geschrieben haben.<br />
Ich war im Begriffe, zu Prudence zu gehen und Margarete sagen<br />
zu lassen, dass ich mit ihr zu reden hätte; aber ich fürchtete, dass sie<br />
mich nicht vorlassen würde und kehrte nach Hause zurück, nachdem<br />
ich durch die Rue d’Antin gegangen war.<br />
Ich fragte den Hausmeister noch einmal, ob ein Brief an mich da<br />
sei. Es war nichts da.<br />
Sie hat ohne Zweifel warten wollen, ob ich einen neuen Schritt<br />
tun und meinen Brief von diesem Morgen widerrufen würde; wenn<br />
sie aber sieht, dass ich ihr nicht schreibe, so wird sie morgen an<br />
mich schreiben.<br />
Besonders an jenem Abend bereute ich, was ich getan hatte. Ich<br />
war allein in meinem Schlafzimmer, Unruhe und Eifersucht verseuchten<br />
mir den Schlaf. Hätte ich den Dingen ihren Lauf gelassen,<br />
so wäre ich bei Margarete gewesen und hätte ihre süßen Liebesworte<br />
gehört, die ich nur zweimal vernommen hatte und die mir in meiner<br />
Einsamkeit in den Ohren klangen.<br />
Mein Zustand wurde hauptsächlich dadurch schrecklich, dass ich<br />
mir bei ruhigem Nachdenken Unrecht geben musste. Es vereinigte<br />
sich in der Tat alles, um mich zu überzeugen, dass Margarete mich<br />
liebte. Zuerst der Plan, einen Sommer mit mir allein auf dem Lande<br />
zu leben, dann die Gewissheit, dass sie durch nichts gezwungen<br />
war, meine Geliebte zu sein, denn mein Vermögen konnte ja nicht<br />
einmal ihre Launen, geschweige denn ihre mannigfaltigen Bedürfnisse<br />
befriedigen. Sie hatte folglich nur die Hoffnung gehabt, bei<br />
mir eine aufrichtige Zuneigung zu finden, die ihr eine Erholung bieten<br />
könne mitten in ihrem Scheinglück, und schon am zweiten Tage<br />
zerstörte ich diese Hoffnung und belohnte mit verletzender Ironie<br />
die Liebe, die sie nur für mich allein hatte. Mein Benehmen war also<br />
mehr als lächerlich, es war unzart.<br />
Welches Recht hatte ich, ihr Leben zu tadeln? Bekam ich durch<br />
mein Zurücktreten nicht das Ansehen eines Schmarotzers, der sich<br />
fürchtet, man werde ihm die Rechnung für seine Mahlzeit übergeben?<br />
Ich kannte Margarete erst seit sechsunddreißig Stunden und<br />
erst seit vierundzwanzig Stunden war ich ihr Geliebter, und ich<br />
spielte schon den Empfindlichen; und statt mich überglücklich zu<br />
fühlen durch ihre uneigennützige liebe, wollte ich sie ganz allein<br />
besitzen und sie zwingen, alle ihre früheren Verhältnisse, die ihre<br />
einzige Gewähr für die Zukunft waren, auf einmal abzubrechen!<br />
Was hatte ich ihr vorzuwerfen? Nichts. Sie hatte mir geschrieben,<br />
dass sie unpässlich sei, während sie mir mit der widerlichen Aufrichtigkeit<br />
mancher anderen Schönen geradeheraus hätte sagen<br />
können, dass sie einem Geliebten ein Stelldichein gegeben; und statt<br />
ihrem Briefe Glauben zu schenken, statt in allen Straßen von Paris,<br />
mit Ausnahme der Rue d’Antin, umherzugehen, statt meinen freien<br />
Abend im Kreise meiner Freunde zu verleben und mich am folgenden<br />
Tage zur festgesetzten Stunde einzufinden, spielte ich den Othello<br />
bei einer Buhlerin, beobachtete ihr Tun und Lassen und<br />
glaubte sie durch mein Ausbleiben zu bestrafen. Sie musste indessen<br />
hocherfreut sein über die Trennung, sie musste mich höchst abgeschmackt<br />
finden, und ihr Stillschweigen war kein Groll, sondern<br />
Verachtung. Ich hätte Margarete ein Geschenk machen sollen, das<br />
ihr Über meine Großmut keinen Zweifel lassen konnte; ich würde<br />
sie auf diese Weise als Fille entretenue behandelt haben. Aber dies<br />
würde in meinen Augen eine Herabwürdigung unserer gegenseitigen<br />
Gefühle gewesen sein; meine bebe zumal war so rein, dass sie<br />
durch kein Geschenk, wie schön es auch sein mochte, das von ihr<br />
gewährte, wenn auch kurze Glück bezahlen konnte.