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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Er empfing seinen Sohn mit Freudentränen und drückte mir mit<br />

Wärme die Hand. Ich bemerkte wohl, dass das Vatergefühl alle übrigen<br />

Gefühle des Steuereinnehmers beherrschte.<br />

Seine Tochter Blanche hatte jene Klarheit der Augen und des<br />

Blickes, jene Heiterkeit des Mundes, die beweist, dass der Geist nur<br />

Raum hat für fromme Gedanken und dass der Mund nur züchtige<br />

Worte spricht. Sie freute sich innig über die Rückkehr ihres Bruders;<br />

sie wusste ja nicht, dass fern von ihr eine Buhlerin um des<br />

keuschen Mädchens willen ihr Glück geopfert hatte.<br />

Ich blieb einige Zeit bei dieser achtbaren, glücklichen Familie.<br />

Armand, der mit genesendem Herzen zurückgekehrt war, bekam<br />

nach und nach seine Heiterkeit und seinen Lebensmut wieder, in<br />

dem stillen, trauten Kreise.<br />

Als ich nach Paris zurückgekehrt war, schrieb ich diese Geschichte,<br />

so wie sie mir erzählt worden war, nieder. Sie hat nur ein<br />

Verdienst, das ihr gewiss nicht abgesprochen werden wird: Nämlich,<br />

sie ist wahr.<br />

Ich ziehe aus dieser Erzählung keineswegs den Schluss, das jede<br />

Verirrte dessen fähig sei zu tun, was Margarete Gautier getan hat.<br />

Ich habe nur die Geschichte einer Buhlerin erzählt, die durch eine<br />

wahre Liebe bekehrt worden ist, die in dieser Liebe ein kurzes<br />

Glück gefunden und für ihre früheren Vergehen durch ein trauriges<br />

Ende gebüßt hat.<br />

Ich bin kein Apostel des Lasters, aber ich werde mich überall,<br />

wo ich den Angstruf edlen Unglücks höre, zum Echo desselben machen.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte Margaretens ist allerdings eine Ausnahme. Aber<br />

wenn sie nicht von der allgemeinen Regel abwiche, so hätte ich mir<br />

nicht die Mühe genommen, sie aufzuzeichnen.<br />

Nachwort<br />

Alexander Dumas, der Sohn des Vielschreibers gleichen Namens,<br />

1824 in Paris geboren, 1895 gestorben, hat eine lange Reihe<br />

von Romanen und Dramen verfasst: Einen gewissen Wert haben<br />

indes nur die beiden Romane „La dame aux camélias“ (1848) und<br />

„L’affaire Clémenceau“ (1864). Rückständige in Vorurteilen befangene<br />

Kritiker haben in der „<strong>Kameliendame</strong>“ eine „Verherrlichung<br />

und Rehabilitierung des Lasters“ gesehn. In Wirklichkeit handelt es<br />

sich um einen moralisierenden Thesenroman mit allen Vorzügen<br />

und allen Gebrechen eines solchen. Dumas, persönlich liebenswürdig,<br />

hilfsbereit und gütig, schlägt als Schriftsteller oft schreiend falsche<br />

Töne an, und die Charaktere seiner Gestalten sind fast immer<br />

brüchig. Immerhin: <strong>Die</strong> „<strong>Kameliendame</strong>“ gehört zu den Büchern,<br />

die man gelesen haben muss. Der moderne Mensch steht freilich<br />

dem Thema der „Femme entretenue“ ganz anders gegenüber als die<br />

Zeitgenossen Dumas'. Wir sehen in diesen Geschöpfen nicht mehr<br />

schlechthin Verworfene, sondern urteilen von Fall zu Fall. Eine<br />

„Femme entretenue“ kann, wie der Börsenjobber, ein verächtliches<br />

Wesen sein; sie kann aber auch Anspruch darauf haben, ganz anders<br />

gewertet zu werden. Will man erfahren, wie ein echter Dichter einen<br />

solchen Stoff behandelt, so lese man Theodor Fontanes Romane<br />

„Cécile“ und „Stine“. jedenfalls hat die Gesellschaft, die der Nährboden<br />

für solche zumeist tief unglückliche Wesen ist, durchaus kein<br />

Recht, den Stab über sie zu brechen ... Man ist heute wieder mit<br />

dem Vorwurf der Unsittlichkeit schnell bei der Hand. Aber nicht<br />

der ist unsittlich, der Wunden und Schäden bloßgelegt, sondern der,<br />

der sie unter heuchlerischem Schweigen begräbt. <strong>Die</strong> größten und<br />

edelsten Dichter – ich nenne nur Goethe, Hebbel, Gottfried Keller,<br />

Fontane und Saar – haben heikle Stoffe ohne jede Beschönigung<br />

behandelt. <strong>Die</strong> mit Titeln und Würden geschmückten Gesetzemacher<br />

von heute und ihre dummen oder bösartigen Einbläser scheinen<br />

davon nichts zu wissen.<br />

Karl Quenzel

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