Die Kameliendame - GarboForever.com
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„Es ist gut“, erwiderte ich, „diese Summe sollen Sie haben.“<br />
„Sie wollen diese Summe auftreiben?“<br />
„Mein Gott, ja.“<br />
„Das wäre eine große Unbesonnenheit“, entgegnete Prudence;<br />
„Sie würden sich mit Ihrem Vater überwerfen und sich Ihre Hilfsquellen<br />
verstopfen ... Überdies ist es auch gar nicht so leicht, dreißigtausend<br />
Frank zu erhalten. Glauben Sie mir, lieber Armand, ich<br />
kenne die Frauen besser als Sie: Begehen Sie diese Torheit nicht,<br />
Sie würden es einst bitter bereuen. Seien Sie vernünftig. Ich will<br />
nicht sagen, dass Sie Margarete verlassen sollen, aber leben Sie mit<br />
ihr, wie sie im Frühjahr mit ihr lebten. Entziehen Sie ihr nicht die<br />
Mittel, sich dieser Verlegenheit zu entreißen. Der Herzog wird sich<br />
ihr allmählich wieder nähern. Der Graf von N*** sagte mir noch<br />
gestern, er wolle alle ihre Schulden bezahlen und ihr vier- bis fünftausend<br />
Frank monatlich geben. Er hat zweihunderttausend Frank<br />
Renten. Sie hingegen müssen Margarete früher oder später verlassen.<br />
Warten Sie nicht, bis Sie völlig ruiniert sind, umso mehr, da<br />
Graf von N*** ein Gimpel ist, der Sie nicht hindern wird, Margaretens<br />
Geliebter zu sein. Anfangs wird sie wohl ein wenig weinen,<br />
aber endlich wird sie sich daran gewöhnen und Ihnen einst sehr<br />
dankbar sein. Denken Sie sich nur, Margarete sei verheiratet und<br />
Sie täuschten den Mann. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt.<br />
Damals war es nur ein guter Rat, heute dagegen ist es beinahe eine<br />
Notwendigkeit.“<br />
Prudence hatte leider Recht.<br />
„Das ganze Geheimnis“, fuhr sie fort, indem sie die Papiere wieder<br />
verschloss, liegt in Folgendem: die Femmes entretenues sehen<br />
voraus, dass sie Liebe einflößen werden, aber sie sehen nie voraus,<br />
dass sie selbst jemals heben werden, denn sonst würden sie Geld<br />
zurücklegen und mit dreißig Jahren könnten sie sich einen Geliebten<br />
nach ihrem Gefallen wählen. Wenn ich gewusst hätte, was ich<br />
jetzt weiß! Kurz, sagen Sie nichts zu Margarete, führen Sie sie nach<br />
Paris zurück. Sie haben vier bis fünf Monate allein mir ihr gelebt,<br />
das ist recht hübsch. Drücken Sie die Augen zu, das ist alles, was<br />
man von Ihnen verlangt. Nach vierzehn Tagen wird sie den Grafen<br />
von N*** erhören, sie wird im Winter etwas ersparen, und im<br />
Sommer fangen Sie Ihr idyllisches Leben wieder an.“<br />
Prudence schien entzückt von ihrem Rat, ich aber wies ihn mit<br />
Entrüstung zurück. Meine liebe und mein Selbstgefühl sträubten<br />
sich gegen diese Handlungsweise, und ich war auch überzeugt, dass<br />
Margarete lieber gestorben wäre, ehe sie sich zu dieser Berechnung<br />
entschlossen hätte.<br />
„Genug des Scherzes!“, sagte ich zu Prudence. „Wie viel braucht<br />
Margarete?“<br />
„Ich habe es Ihnen schon gesagt, dreißigtausend Frank!“<br />
„Und wann muss die Summe bezahlt werden?“<br />
„Binnen zwei Monaten.“<br />
„Sie soll das Geld haben.“<br />
Prudence zuckte die Achseln.<br />
„Ich will es Ihnen Übergeben“, fuhr ich fort; „aber Sie werden<br />
mir feierlich versprechen, dass Sie Margarete nicht sagen wollen,<br />
dass ich es Ihnen übergeben habe.“<br />
„Seien Sie unbesorgt“<br />
„Und wenn sie Ihnen andere Sachen zu verkaufen oder zu versetzen<br />
schickt, so setzen Sie mich davon in Kenntnis.“<br />
„In diese Verlegenheit werden wir nicht mehr kommen", erwiderte<br />
Prudence; „sie hat nichts mehr.“<br />
<strong>Die</strong>se Worte zerrissen mir das Herz. Ich sann sogleich auf die<br />
Mittel, Margaretens Gläubiger zu befriedigen und begab mich zuerst<br />
in meine Wohnung, um zu sehen, ob Briefe von meinem Vater<br />
da wären.<br />
Es waren vier Briefe da.