Die Kameliendame - GarboForever.com
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nig Anziehendes; ich war nur mit ihr beschäftigt, ohne dies jedoch<br />
allzu deutlich zu erkennen zu geben.<br />
Sie wechselte fast unablässig Blicke mit einem Mädchen, das ihr<br />
gegenüber in einer Loge saß. Ich wandte meine Bücke auf die Loge<br />
und erkannte eine Person, die ich ziemlich genau gekannt hatte. Es<br />
war eine vormalige Femme entretenue, deren Bemühungen, ein Engagement<br />
bei einem Theater zu erhalten, ohne Erfolg geblieben waren,<br />
und die sodann, auf ihre Verbindungen mit der eleganten Welt<br />
zählend, ein Modemagazin errichtet hatte.<br />
Ich sah in ihr ein Mittel, mich Margarete zu nähern, und benutzte<br />
einen Augenblick, wo sie zu mir herüberschaute, um ihr einen Gruß<br />
zuzunicken.<br />
Was ich vorausgesehen hatte, geschah: Sie winkte. Ich eilte in ihre<br />
Loge. Sie hatte ihre etwa zwölfjährige Tochter bei sich.<br />
Prudence Duvernoy – dies war der Name der Modistin – war eine<br />
jener Frauen, bei denen es keiner großen diplomatischen Gewandtheit<br />
bedarf, um ihnen zu entlocken, was man wissen will, zumal<br />
wenn es sich um eine so einfache Frage handelt, wie ich sie an<br />
sie zu richten hatte.<br />
Ich benutzte einen Augenblick, wo sie mit Margarete wieder Blicke<br />
wechselte, um zu ihr zu sagen:<br />
„Nach wem sehen Sie denn?“<br />
„Nach Margarete Gautier.“<br />
„Sie kennen sie?“<br />
„Ja; ich bin ihre Modistin, und sie ist meine Nachbarin.“<br />
„Sie wohnen also in der Rue d’Antin?“<br />
„Ja, Nr. 7. Das Fenster ihres Toilettenzimmers ist so nahe an dem<br />
Fenster des meinigen, dass wir uns die Hand reichen können.“<br />
„Sie soll sehr schön und liebenswürdig sein.“<br />
„Sie kennen sie nicht?“<br />
„Nein, aber ich möchte sie kennen lernen.“<br />
„Soll ich sie zu mir herüberwinken?“<br />
„O nein, es wäre mir lieber, wenn Sie mich ihr vorstellen.“<br />
„Das wird kaum zu machen sein.“<br />
„Warum?“<br />
„Weil sie von einem alten, sehr eifersüchtigen Kavalier protegiert<br />
wird.“<br />
„Protegiert ist ein sehr glücklich gewählter Ausdruck.“<br />
„Jawohl, protegiert“, erwiderte Prudence, „denn sie war nie seine<br />
Mätresse und wird es auch nie werden.“<br />
„Prudence erzählte mir dann, auf welche Art Margarete in<br />
Bagnères die Bekanntschaft des Herzogs gemacht hatte.“<br />
„Und deshalb“, fuhr ich fort, „ist sie allein hier?“<br />
„Ja, das ist der Grund.“<br />
„Aber wer wird sie denn nach Hause begleiten?“<br />
„Der Herzog.“<br />
„Er wird sie also abholen?“<br />
„Ja, er wird sogleich erscheinen.“<br />
„Und wer begleitet Sie nach Hause?“<br />
„Niemand.“<br />
„So biete ich mich an.“<br />
„Ich glaubte, Sie haben einen Freund bei sich.“<br />
„Nun, wir beide bieten uns an; mein Freund ist ein sehr geistreicher,<br />
liebenswürdiger junger Mann, der sich freuen wird, Ihre Bekanntschaft<br />
zu machen.“<br />
„Schön, wir gehen also zusammen nach diesem Stücke fort, denn<br />
das nächste Stück ist mir bekannt.“<br />
„Sehr gern, ich will es meinem Freunde sagen.“<br />
„Gehen Sie ... Ah!“, sagte Prudence in dem Augenblick, als ich<br />
fortgehen wollte. „Da tritt der Herzog in Margaretens Loge.“<br />
Ich schaute hinüber. Ein etwa siebzigjähriger Herr setzte sich in<br />
der Tat hinter die junge Schöne und reichte ihr eine Tüte mit Zuckerwerk,<br />
von dem sie sogleich kostete. Dann warf sie Prudence<br />
einen Blick zu, der zu sagen schien: „Ist Ihnen etwas von meinen<br />
Bonbons gefällig?“<br />
„Nein“, war Prudences telegrafische Antwort. Margarete wandte<br />
sich nun zu dem alten Kavalier und fing an zu plaudern.<br />
Ich ging wieder in das Parterre hinunter und benachrichtigte Eugen<br />
von der für ihn und für mich getroffenen Verabredung.<br />
Er nahm den Vorschlag an, und wir begaben uns in die Loge der<br />
Frau Duvernoy.