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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Ein unbeschreiblicher Zauber war ihr eigen. Man sah, dass sie<br />

gleichsam noch in der Jungfräulichkeit des Lasters war. Ihr sicherer,<br />

entschiedener Gang, ihr schlanker Wuchs, ihre leicht geröteten<br />

Wangen, ihre großen, schwärmerischen Augen bekundeten eine jener<br />

feurigen Naturen, die einen wollüstigen Duft um sich verbreiten,<br />

wie die orientalischen Flakons, die selbst im festgeschlossenen<br />

Zustande den Duft ihres kostbaren Inhalts entschlüpfen lassen.<br />

Welch einen wundervollen Ausdruck hatte dieses Auge! Welche<br />

Seligkeit musste in diesen Blicken liegen für einen Mann, den sie<br />

wirklich geliebt hätte! Aber wie groß auch die Zahl derer war, die<br />

durch ihre Schönheit gefesselt worden waren, so hatte sie doch noch<br />

keinen geliebt.<br />

Kurz, man erkannte in diesem Mädchen die Jungfrau, die der geringste<br />

Umstand zur Buhlerin gemacht hatte, und die Buhlerin, die<br />

der geringste Umstand zur reinen, zärtlich liebenden Jungfrau gemacht<br />

hätte.<br />

Überdies besaß Margarete Stolz und Unabhängigkeitsgefühl.<br />

Und diese beiden Gefühle, wenn sie verletzt werden, vermögen dasselbe,<br />

was ein keusches Gemüt vermag.<br />

Ich sagte nichts, meine ganze Seele schien mir in das Herz und<br />

mein Herz in die Augen getreten zu sein.<br />

„Sie waren es also“, fuhr sie, sich plötzlich zu mir wendend, fort<br />

„der sich so oft nach mir erkundigte, als ich krank war?“<br />

„Ja."<br />

„Das war sehr schön von Ihnen. Wie kann ich Ihnen dafür danken!“<br />

„Dadurch, dass Sie mir erlauben, Sie von Zeit zu Zeit zu besuchen.“<br />

„Sooft Sie wollen, von fünf bis sechs und von elf bis zwölf abends<br />

... Eugen, spielen Sie mir doch die Aufforderung zum Tanz.“<br />

„Warum?“<br />

„Erstens zu meinem Vergnügen und dann, weil ich allein nicht<br />

ganz damit zu Stande komme.“<br />

„Was ist Ihnen denn so schwierig?“<br />

„Der dritte Teil, die Stelle mit den vielen Kreuzen,“ Eugen stand<br />

auf, setzte sich ans Piano und begann nach den aufgeschlagenen<br />

Noten die herrliche Melodie des Webers zu spielen.<br />

Margarete stand neben ihm; mit der Hand auf das Piano gestützt,<br />

betrachtete sie die Noten und sang die Melodie leise mit. Als Eugen<br />

an die angedeutete Stelle kam, wurde ihre Stimme lauter und ungeduldiger,<br />

und sie ließ ihre Finger auf dem Deckel des Instrumentes<br />

tanzen.<br />

„Ré, mi, ré, do, ré, fa, mi, ré, das kann ich nicht herausbringen.<br />

Fangen Sie wieder an.“<br />

Eugen fing wieder an; dann unterbrach ihn Margarete mit den<br />

Worten: „Jetzt lassen Sie mich versuchen.“<br />

Sie nahm seinen Platz ein und fing ebenfalls an zu spielen; aber<br />

ihre widerspenstigen Finger griffen immer fehl, wenn sie an die oben<br />

genannten Noten kam.<br />

„Sollte man es glauben“, sagte sie mit komischer Ungeduld,<br />

„dass ich diese Stelle nicht herausbringen kann? Glauben Sie wohl,<br />

dass ich oft bis zwei Uhr nachts dabeisitze? Und wenn ich mir denke,<br />

dass der einfältige Graf diese Stelle sehr geläufig und ohne Noten<br />

spielt, so möchte ich aus der Haut fahren ... Ich glaube, dass eben<br />

dies mich so gegen ihn erbittert.“<br />

Sie fing wieder an, aber wiederum ohne Erfolg.<br />

„Der Teufel hole Weber, die Noten und die Pianos!“ rief sie, indem<br />

sie das Notenheft auf den Boden warf „Nicht einmal acht<br />

Kreuze nacheinander bringe ich heraus.“<br />

Sie stand mit verschränkten Armen vor dem Piano und stampfte<br />

mit dem Fuße. Das Blut stieg ihr in die Wangen, und ein leichtes<br />

Hüsteln öffnete ihre einen Augenblick verschlossenen Lippen.<br />

„Nicht so stürmisch!“, sagte Prudence, die unterdessen ihren Hut<br />

abgenommen hatte und sich vor dem Spiegel den Scheitel glatt<br />

strich.<br />

„Sie regen sich auf und schaden Ihrer Gesundheit. Wir wollen<br />

soupieren, das ist besser, ich habe Hunger.“ Margarete zog wieder<br />

die Glocke. Nanine trat ein.<br />

„Ist das Souper bereit?“<br />

„Ja, gnädige Frau, den Augenblick.“

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