Die Kameliendame - GarboForever.com
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verlassen, wenn es zu spät ist und der Herzog nichts mehr für Sie<br />
tun will. Soff ich mit Armand über das alles reden?“<br />
Margarete schien nachzusinnen, denn sie antwortete nicht. Das<br />
Herz schlug mir fast hörbar, während ich ihre Antwort erwartete.<br />
„Nein“, erwiderte Margarete nach dieser langen Pause, „ich werde<br />
Armand nicht verlassen; ich werde mich nicht verstecken, um<br />
mit ihm zu leben. Es ist vielleicht eine Torheit, aber ich kann nicht<br />
anders, denn ich liebe ihn. Und überdies, da er daran gewöhnt ist,<br />
mich ohne Hindernis zu lieben, würde es ihm zu weh tun, wenn er<br />
gezwungen würde, Mich zu verlassen, und wäre es auch nur eine<br />
Stunde täglich. Was mich selbst betrifft, so habe ich nicht so lange<br />
zu leben, um mich unglücklich zu machen und nach dem Willen<br />
eines Greises zu handeln, dessen bloßer Anblick mich alt macht. Er<br />
mag sein Geld nur behalten, ich werde auch ohne seine Hilfe leben<br />
können.“<br />
„Aber wie werden Sie das anfangen?“<br />
„Ich weiß es nicht, aber was liegt mir daran?“<br />
Prudence war ohne Zweifel im Begriffe, etwas zu antworten, aber<br />
ich trat unerwartet ein, fiel Margarete zu Füßen und benetzte<br />
ihre Hände mit Freudentränen.<br />
„Mein Leben ist dir gewidmet, Margarete; du bedarfst der Hilfe<br />
des Herzogs nicht, denn ich bin ja da. Kannst du glauben, dass ich<br />
dich je verlassen würde, und werde ich jemals im Stande sein, dir<br />
das Glück zu vergelten, das du mir gewährst und das du durch das<br />
Geständnis dieser ungeteilten Liebe, nach der ich schon so lange<br />
strebe, noch verdoppelst? Keinen Zwang mehr, Margarete! Wir heben<br />
uns - was kümmert uns das Übrige!“<br />
„Sie sehen!“, sagte Margarete zu Prudence, indem sie mir zulächelte<br />
und mich mit dankbaren, liebevollen Bücken ansah. „Ja, ich<br />
liebe dich Armand“, hauchte sie, indem sie beide Arme um meinen<br />
Nacken schlang, „ich hebe dich mit meiner Innigkeit, deren ich<br />
mich nie fähig geglaubt hätte. Wir werden glücklich sein, wir werden<br />
in ungestörter Ruhe leben, und ich werde jenem Leben, das mir<br />
zur Last ist und dessen ich mich jetzt schäme, auf immer Lebewohl<br />
sagen. Du wirst mir die Vergangenheit nie vorwerfen, nicht wahr?“<br />
Tränen ersticken meine Stimme. Ich konnte nur antworten, indem<br />
ich Margarete an mein Herz drückte.<br />
„Erzählen Sie das dem Herzog“, sagte sie mit tief bewegter<br />
Stimme, indem sie sich zu Prudence wandte, „und fügen Sie hinzu,<br />
dass wir seiner nicht bedürfen.“<br />
Seit jenem Tage war von dem Herzog gar nicht mehr die Rede.<br />
Margarete war nicht mehr das Mädchen, das ich früher gekannt hatte.<br />
Es war eine gänzliche Umwandlung in ihr vorgegangen. Sie verriet<br />
alles, was mich an ihr früheres Leben, indem ich sie kennen gelernt,<br />
hätte erinnern können. Keine Frau, keine Schwester konnte<br />
ihren Gatten oder Bruder zärtlicher und inniger lieben, als sie mich<br />
liebte. <strong>Die</strong>se krankhaft reizbare Natur war für alle Eindrücke empfänglich,<br />
allen Gefühlen zugänglich. Sie hatte mit ihren Freundinnen<br />
wie it ihren Gewohnheiten, mit ihrer früheren Ausdrucksweise<br />
wie mit ihrem Aufwande gebrochen. Wer uns gesehen hätte, wenn<br />
wir aus dem Hause gingen, um in einem von mir angekauften hübschen<br />
Kahn eine Spazierfahrt auf der Seine zu machen, würde nie<br />
geglaubt haben, dass das schlanke Mädchen im einfachen weißen<br />
Kleide, mit dem großen Strohhut auf dem Kopf und mit der über<br />
den Arm geworfenen seidenen Mantille, die sie gegen die Kühle des<br />
Wassers schützen sollte, dieselbe Margarete Gautier sei, die vier<br />
Monate vorher durch ihren Luxus und ihre Modetorheiten so großes<br />
Aufsehen gemacht hatte.<br />
Ach! Wir beeilten uns, das uns gebotene Glück mit vollen Zügen<br />
zu genießen, als ob wir geahnt hätten, dass dieses Glück nicht von<br />
langer Dauer sein werde.<br />
Seit zwei Monaten waren wir nicht mehr in Paris gewesen. Niemand<br />
hatte uns besucht, ausgenommen Prudence und jene Julie<br />
Duprat, von der ich Ihnen bei unserer ersten Unterredung sagte und<br />
der ich Margarete später die rührende Erzählung einhändigte, die<br />
ich hier habe.<br />
Ich saß ganze Tage zu den Füßen meiner Geliebten. Wir pflegten<br />
die Fenster zu öffnen, die die Aussicht in den Garten boten, und<br />
lauschten dem geheimnisvollen Flüstern der Natur, oder wir saßen<br />
im Schatten der dicht belaubten Bäume und atmeten das Leben ein,<br />
das weder Margarete noch ich bisher verstanden hatten.