08.12.2012 Aufrufe

Die Kameliendame - GarboForever.com

Die Kameliendame - GarboForever.com

Die Kameliendame - GarboForever.com

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Margarete Gautier.“<br />

„Sie scheint sehr verändert zu sein, denn ich habe sie nicht erkannt“,<br />

sagte ich mit einer Bewegung, die Sie sogleich begreifen<br />

werden.<br />

„Sie ist krank gewesen“, erwiderte Eugen; „das arme Mädchen<br />

wird wohl nicht mehr lange leben.“<br />

<strong>Die</strong>se Worte sind mir so lebhaft im Gedächtnis, als ob ich sie<br />

gestern gehört hätte.<br />

Sie müssen wissen, lieber Freund, dass der Anblick dieses Mädchens<br />

damals – es ist länger als zwei Jahre her – jedes Mal einen<br />

eigentümlichen Eindruck auf mich machte.<br />

Ohne dass ich mir die Ursache zu erklären wusste, erblasste ich,<br />

und mein Herz schlug heftig. Ich halte es für eine Vorherbestimmung,<br />

für einen Wink des Schicksals, das mich zu Margaretens Geliebten<br />

erkor, für eine Ahnung, dass sie in meinem Leben eine Rolle<br />

spielen sollte, wie ich in ihrem Leben eine Rolle spielen sollte.<br />

Der tiefe Eindruck, den sie auf mich machte, war keineswegs eine<br />

Täuschung; mehrere meiner Bekannten waren Zeugen davon,<br />

und sie lachten mich aus, als sie sahen, wer diesen eigentümlichen<br />

Eindruck hervorbrachte.<br />

Zum ersten Male hatte ich sie auf dem Börsenplatz, vor Susses<br />

berühmtem Modegeschäft gesehen. Eine offene Kalesche hielt vor<br />

der Tür und eine weiß gekleidete Dame stieg aus. Ihr Eintritt in das<br />

Gewölbe war ein wahrer Triumph, alle Anwesenden gaben ihre<br />

Bewunderung durch ein Gemurmel zu erkennen. Ich stand wie festgewurzelt,<br />

bis sie wieder aus dem Laden kam. Ich sah durch das<br />

Fenster, wie sie war, und fürchtete, sie werde die Ursache meines<br />

Eintritts erraten und sich dadurch beleidigt fühlen. Ich konnte<br />

gleichwohl nicht hoffen, dass ich sie wiedersehen würde.<br />

Sie war elegant gekleidet; sie trug ein Musselinkleid mit Volants,<br />

ein Flortuch, einen feinen Strohhut ohne Blumen und ein Armband<br />

mit Diamanten.<br />

Wenn ich mich entsinne, wie sie damals aussah und wie ich sie<br />

jetzt mit Ihnen wiedergesehen habe, so werde ich von einem Schauer<br />

befallen.<br />

Sie stieg wieder in den Wagen und fuhr davon. Einer der Ladendiener<br />

blieb in der Tür stehen und schaute der eleganten Käuferin<br />

nach. Ich trat auf ihn zu und ersuchte ihn, mir den Namen der schönen<br />

Unbekannten zu sagen.<br />

„Es ist Fräulein Margarete Gautier“, antwortete er.<br />

Ich getraute mich nicht, ihn nach ihrer Wohnung zu fragen und<br />

entfernte mich.<br />

<strong>Die</strong> Rückerinnerung an diese Erscheinung – denn eine solche<br />

war es wirklich – kam mir nicht aus dem Sinn, wie manche andere<br />

derartige Erscheinungen, und ich suchte überall die herrliche weiße<br />

Dame.<br />

Einige Tage darauf fand in der Komischen Oper eine große Vorstellung<br />

statt. <strong>Die</strong> erste Person, die ich in der Parterreloge bemerkte,<br />

war Margarete Gautier.<br />

Mein Begleiter kannte sie auch, denn er sagte zu mir, auf sie deutend:<br />

„Sehen Sie das schöne Mädchen dort in der Parterreloge?“<br />

In diesem Augenblick bemerkte ihn Margarete, die ihre Lorgnette<br />

nach unserer Seite gerichtet hatte. Sie lächelte ihm zu und gab<br />

ihm einen kaum bemerkbaren Wink, zu ihr zu kommen.<br />

„Ich will ihr guten Abend sagen“, sagte er zu mir, „ich komme<br />

gleich wieder.“<br />

Ich konnte mich nicht enthalten auszurufen: „Wie glücklich sind<br />

Sie!“<br />

„Warum?“<br />

„Dass Sie dieses schöne Mädchen besuchen dürfen.“<br />

„Sind Sie etwa in sie verliebt?“<br />

„Nein“, sagte ich errötend, denn ich wusste in der Tat nicht, woran<br />

ich war; „aber ich möchte Sie gern kennen lernen.“<br />

„So kommen Sie doch mit, ich will Sie ihr vorstellen.“<br />

„Fragen Sie bitte erst um Erlaubnis.“<br />

„Ah! Parbleu, man hat nicht nötig, so viele Komplimente zu machen.<br />

Kommen Sie nur.“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!