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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Briefe Prudences aufbewahrte, so benutzte ich einen Augenblick,<br />

wo sie im Garten war, und versuchte, das Schubfach zu öffnen; aber<br />

meine Bemühungen waren fruchtlos, es war sorgfältig verschlossen.<br />

Dann suchte ich in den übrigen Schubfächern, in denen sie ihre<br />

Schmucksachen und Brillanten aufzubewahren pflegte. <strong>Die</strong>se Fächer<br />

waren nicht verschlossen, aber die Schmuckkästchen waren<br />

verschwunden, bis auf wenige, die Gegenstände von geringerem<br />

Werte enthielten.<br />

Eine peinliche Angst schnürte mir das Herz zusammen. Ich ging<br />

zu Margarete, die ohne Zweifel in meinem Gesichte las, wie sehr<br />

ich aufgeregt war, und vielleicht auch, was mich so aufgeregt hatte,<br />

denn sie erblasste, als sie mich erblickte.<br />

Ich war schon im Begriff, sie über den Gegenstand meines Argwohns<br />

zu befragen, aber ich wusste im Voraus, dass sie mir die<br />

Wahrheit nicht gestehen würde, und sagte zu ihr:<br />

„Liebe Margarete, erlaube mir, nach Paris zu gehen, in meiner<br />

Wohnung weiß man nicht, wo ich bin, und es müssen Briefe von<br />

meinem Vater da sein. Er wird gewiss sehr besorgt um mich sein,<br />

und ich muss ihm antworten.“<br />

„Geh, lieber Armand“, erwiderte sie, „aber lass nicht zu lang auf<br />

dich warten.“<br />

Ich reiste ab. Gleich nach meiner Ankunft begab ich mich zu<br />

Prudence.<br />

„Antworten Sie ganz offen“, sagte ich ohne Vorrede zu ihr. „Wo<br />

sind Margaretes Pferde?“<br />

„Verkauft.“<br />

„Der Kaschmirschal?“<br />

„Verkauft.“<br />

„<strong>Die</strong> Brillanten?“<br />

„Versetzt.“<br />

„Wer hat alle diese Sachen verkauft und versetzt?“, rief ich.<br />

„Ich habe es getan?“<br />

„Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?“<br />

„Weil Margarete mir’s verboten hatte.“<br />

„Warum haben Sie mich nicht um Geld angesprochen?“<br />

„Weil sie es nicht wollte.“<br />

„Wozu ist das Geld verwendet worden?“<br />

„Zur Bezahlung einiger Schulden.“<br />

„Margarete ist also noch viel schuldig?“<br />

„Noch etwa dreißigtausend Frank ... Ach, lieber Armand, ich hatte<br />

es Ihnen ja gesagt, aber Sie wollten mir nicht glauben, jetzt müssen<br />

Sie sich doch überzeugt haben. Dem Tapezierer, bei dem sich<br />

der Herzog für Margarete verbürgt hatte, ist von der <strong>Die</strong>nerschaft<br />

des Herzogs die Tür verwiesen worden, und der Herzog hat ihm den<br />

Tag darauf geschrieben, dass er nichts mehr für Fräulein Gautier tun<br />

werde. Der Tapezierer hat sein Geld verlangt, man hat ihm Abschlagszahlungen<br />

gegeben, und dies ist das Geld, um das ich sie ansprach.<br />

Dann hat er von liebreichen Seelen erfahren, seine von dem<br />

alten Herzog verlassene Schuldnerin sei die Geliebte eines jungen<br />

Mannes ohne Vermögen; die übrigen Gläubiger sind auf gleiche<br />

Weise gewarnt worden, sie haben Geld verlangt und die Pfändung<br />

vorgenommen. Margarete wollte alles verkaufen, aber es war nicht<br />

mehr Zeit, und überdies hätte ich es nicht zugegeben. Es musste gezahlt<br />

werden, und um Ihnen kein Geld abzufordern, hat sie ihre<br />

Pferde und ihre Schals verkauft und ihre Juwelen versetzt. Wollen<br />

Sie die Quittungen der Käufer und die Leihhausscheine sehen?“<br />

Prudence öffnete ein Schubfach und zeigte mir die Papiere.<br />

„Sie glauben“, fuhr Prudence mit einer gewissen Genugtuung<br />

fort, „Sie glauben, es sei genug, sich zu heben und auf dem Lande<br />

ein idyllisches Leben zu führen? Sie irren sehr, lieber Freund. Neben<br />

dem idealen Leben steht das materielle Leben und die hochfliegenden<br />

Entschlüsse werden durch selten geachtete, aber schwer zu<br />

zerreißende starke Fäden auf der Erde zurückgehalten. Margarete<br />

hat Sie nicht hintergangen, weil sie eine seltene Ausnahme ist. An<br />

gutem Rate habe ich es nicht fehlen lassen, denn es war mir peinlich<br />

zu sehen, wie das arme Mädchen nach und nach alles hingeben<br />

musste, um nur die Gläubiger zu beschwichtigen. Sie wollte mir<br />

nicht folgen; sie antwortete immer, sie könne sich um keinen Preis<br />

entschließen, Sie zu täuschen. Das ist alles sehr schön und poetisch,<br />

aber die Gläubiger kann man damit nicht befriedigen. Jetzt schuldet<br />

sie noch dreißigtausend Frank, wie Sie wissen ... Ohne diese Summe<br />

kann sie sich nicht aus der Verlegenheit ziehen.“

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