Die Kameliendame - GarboForever.com
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er einen Teil meines seit vielen Jahren ersparten und für die Ausstattung<br />
meiner Tochter, für ihn und für die Ruhe meiner alten Tage<br />
bestimmten Vermögens verlieren können. Was hätte geschehen<br />
können, kann noch geschehen! Wenn mein Sohn Schulden macht,<br />
wenn er verliert, so werde ich zahlen, denn ich will lieber ein Bettler<br />
werden, als auf Armands Ruf einen Makel lassen. Wer würde<br />
dann meine Tochter versorgen? <strong>Die</strong> Zukunft dreier Menschen würde<br />
durch diesen einen Schlag vernichtet werden; die Zukunft eines<br />
Mannes, den Sie heben, eines Vaters, der Ihnen nichts getan hat,<br />
und eines armen jungen Mädchens, das mir vielleicht einst die Vereitlung<br />
des geträumten Glückes vorwerfen und meine Schwäche<br />
verwünschen würde. <strong>Die</strong>s alles, ich gebe es zu, sind Fantasiebilder,<br />
aber sie können Wirklichkeit werden. Überdies muss sich Armand<br />
eine Stellung gründen, er muss heiraten und eine Stütze im Alter<br />
haben.<br />
Wissen Sie gewiss, dass das Leben, das Sie um seinetwillen aufgeben,<br />
nie wieder einen Reiz für Sie haben wird? Wissen Sie gewiss,<br />
dass Sie nie einen anderen lieben werden? Wird es Ihnen nicht<br />
weh tun, wenn Sie Ihrem Geliebten in seinem Fortkommen hinderlich<br />
sind, und wenn Sie ihm vielleicht weder Trost noch Ersatz bieten<br />
können für die Fruchtlosigkeit seiner ehrgeizigen Bestrebungen,<br />
die mit den Jahren an die Stelle der Liebesträume treten?<br />
Bedenken Sie dies alles, mein Kind! Sie heben Armand? Beweisen<br />
Sie es ihm durch das einzige Mittel, dass Ihnen noch übrig<br />
bleibt: Bringen Sie seiner Zukunft Ihre Liebe zum Opfer. jetzt ist<br />
noch kein Unglück geschehen, aber es würde vielleicht ein noch<br />
größeres geschehen, als ich voraussehe. Armand kann eifersüchtig<br />
werden auf einen Mann, der Sie geliebt hat, er kann ihn herausfordern,<br />
kann sich schlagen und im Zweikampf fallen ... und bedenken<br />
Sie, wie viel Sie leiden würden, im Angesicht des Vaters, der Rechenschaft<br />
von Ihnen fordern würde über das Leben seines Sohnes.“<br />
Ich vergoss stille Tränen, als ich alle diese Gründe anhörte, die<br />
ich selbst oft erwogen hatte und die in dem Munde Deines Vaters<br />
eine noch ernstere Wirklichkeit annahmen. Ich sagte mir alles, was<br />
Dein Vater mir nicht zu sagen wagte und was ihm zwanzigmal auf<br />
den Lippen geschwebt hatte; dass ich im Grunde doch nur eine Fille<br />
entretenue sei und dass unser Verhältnis, welche Gründe ich auch<br />
immer dafür anführte, dennoch den Anschein einer Berechnung haben<br />
müsse; dass mein früheres Leben mich nicht berechtigte, eine<br />
solche Zukunft zu träumen, und dass ich eine mehrfache Verantwortlichkeit,<br />
für die mein Leben und mein Ruf keine Gewähr biete,<br />
zu übernehmen willens sei. Kurz, ich liebte Dich, Armand. <strong>Die</strong> väterlich<br />
warnenden Worte, die Dein Vater zu mir sprach, die keuschen<br />
Gefühle, die er in mir, dem unglücklichen, verlorenen Mädchen,<br />
weckte, die Achtung dieses ehrenwerten Greises und Deine<br />
Achtung, deren ich für die Zukunft gewiss war, – dies alles weckte<br />
in meinem Herzen edle Gefühle, die mich in meinen eigenen Augen<br />
erhoben und mich zu hohen Entschlüssen begeisterten. Als ich mir<br />
dachte, dass dieser Greis, der die Zukunft seines Sohnes in meine<br />
Hand legte, einst seine Tochter bitten werde, meinen Namen in ihr<br />
Gebet einzuschließen wie den Namen einer geheimnisvollen Freundin,<br />
fühlte ich mich ganz umgewandelt, und ich war stolz auf mich<br />
selbst.<br />
<strong>Die</strong> Begeisterung des Augenblicks übertrieb vielleicht die Wahrheit<br />
dieser Eindrücke, aber dies waren meine Gefühle, lieber Armand,<br />
und diese neuen Gefühle brachten die Erinnerung an die<br />
glücklichen Tage, die wir zusammen verlebt hatten, zum Schweigen.<br />
„Es ist gut, Herr Duval“, sagte ich zu Deinem Vater, indem ich<br />
meine Tränen trocknete. „Glauben Sie, dass ich Ihren Sohn hebe?“<br />
„Ja“, erwiderte er.<br />
„Halten Sie meine Lebe für uneigennützig?“<br />
„Ja.“<br />
„Glauben Sie, dass diese Liebe die Hoffnung, der Wonnetraum<br />
und die Sühne meines Lebens war?“<br />
„Ich bin fest davon überzeugt.“<br />
„Nun, so küssen Sie mich einmal, wie Sie Ihre Tochter küssen<br />
würden, und ich schwöre Ihnen, dass dieser Kuss, der einzige wahrhaft<br />
keusche, den ich je erhalten, mich stark machen wird gegen<br />
meine Liebe und dass Ihr Sohn binnen acht Tagen wieder bei Ihnen<br />
sein wird, vielleicht unglücklich auf einige Zeit, aber geheilt auf<br />
immer.“