Die Kameliendame - GarboForever.com
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Man hatte soeben die Pfändung vorgenommen. Ich sagte, sie<br />
möge nur der so genannten Gerechtigkeit ihren Lauf lassen. Der<br />
Gerichtsdiener trat in mein Zimmer, mit dem Hut auf dem Kopfe.<br />
Er öffnete die Schubladen, schrieb alles auf, was sich vorfand, und<br />
schien gar nicht zu bemerken, dass in dem Bette, das mir die Barmherzigkeit<br />
des Gesetztes glücklicherweise lässt, eine Sterbende lag.<br />
Ehe er sich entfernte, zeigte er mir an, dass ich binnen neun Tagen<br />
Einspruch erheben könne, aber er ließ einen Hüter zurück. Mein<br />
Gott! Was soll aus mir werden? <strong>Die</strong>ser Auftritt hat mich noch kränker<br />
gemacht. Prudence wollte den Freund Deines Vaters um eine<br />
Summe Geldes ersuchen, aber ich gab es nicht zu.<br />
30. Januar.<br />
<strong>Die</strong>sen Morgen bekam ich Deinen Brief Es war wirklich ein Bedürfnis<br />
für mich. Wirst Du meine Antwort noch zeitig genug erhalten,<br />
wirst Du mich noch sehen, der heutige glückliche Tag lässt<br />
mich alle seit sechs Wochen verlebten traurigen Tage vergessen.<br />
Mich düngt, dass ich mich besser befinde, ungeachtet der trüben<br />
Stimmung, in der ich geantwortet habe. Man muss ja auch nicht<br />
immer unglücklich sein.<br />
Wenn ich mir denke, dass ich vielleicht doch nicht sterbe, dass<br />
Du wieder hierher kommst, dass ich den Frühling wieder sehe, dass<br />
Du mich noch liebst, und dass wir wieder so glücklich werden wie<br />
im verflossenen Jahre! ... Oh, wie töricht bin ich doch! Ich bin ja<br />
kaum im Stande, die Feder zu halten, mit der ich diesen wahnwitzigen<br />
Traum meines Herzens niederschreibe.<br />
Genug, Armand, ich bin auf alles gefasst. Ich wäre schon längst<br />
tot, wenn mich nicht die Erinnerung an unser Liebesglück und eine<br />
schwache Hoffnung, Dich noch bei mir zu sehen, aufrechterhielten.<br />
4. Februar.<br />
Der Graf von G*** ist wiedergekommen. Seine Geliebte hat ihn<br />
betrogen. Er ist sehr traurig, denn er war ihr zugetan. Er hat mir das<br />
alles erzählt. Der arme Graf befindet sich in etwas zerrütteten Umständen,<br />
aber er hat dennoch meinen Gerichtsdiener bezahlt und den<br />
Wächter fortgeschickt. Ich sprach von Dir, und er hat mir verspro-<br />
chen, Dir bei dem ersten Zusammentreffen von mir zu erzählen. In<br />
jenem Augenblick vergaß ich ganz, dass ich seine Geliebte gewesen<br />
war, und er bot ebenfalls alles auf, um meine Gedanken von diesem<br />
kurzen Verhältnisse, das nur peinliche Erinnerungen in mir wecken<br />
konnte, abzulenken. Er hat ein edles Herz.<br />
Gestern ließ sich der Herzog nach mir erkundigen, und diesen<br />
Morgen kam er selbst. Ich weiß nicht, was den alten Mann noch am<br />
Leben erhält. Er blieb drei Stunden und hat nicht zwanzig Worte zu<br />
mir gesprochen. Zwei dicke Tränen rollten ihm über die Wangen,<br />
als er mich so blass und elend sah. Gewiss wurden ihm diese Tränen<br />
durch die Erinnerung an den Tod seiner Tochter entlockt. Der<br />
arme, alte Mann, er wird nun auch bald ihr Eigenbild sterben sehen.<br />
Sein Rücken ist gekrümmt, sein Haupt zur Erde gebeugt, seine Lippe<br />
hängt herab, sein Blick ist erloschen, Alter und Schmerz lasten<br />
mit ihrem doppelten Gewicht auf seinem erschöpften Körper. Er<br />
machte mir keinen Vorwurf. Es schien sogar, als ob er sich meines<br />
hoffnungslosen Zustandes innerlich freute. Er schien stolz zu sein,<br />
dass er in seinem hohen Alter noch umhergehen, während ich, trotz<br />
meiner Jugend, durch Krankheit an mein Schmerzenslager gefesselt<br />
war.<br />
Das Wetter ist wieder stürmisch und unfreundlich geworden.<br />
Niemand besucht mich. Julie wacht bei mir, so viel als sie kann.<br />
Prudence, der ich nicht mehr so viele Geschenke machen kann wie<br />
sonst, fängt an, Geschäfte vorzuschützen, um sich entfernen zu<br />
können.<br />
Ich habe die Überzeugung, dass ich dem Tode nahe bin, trotz den<br />
Versicherungen der Ärzte, denn ich habe deren mehrere, ein Beweis,<br />
dass sich die Krankheit verschlimmert. jetzt bereue ich beinahe,<br />
den Vorstellungen Deines Vaters Gehör gegeben zu haben.<br />
Wenn es in meiner Macht gestanden hätte, nur ein Jahr von Deiner<br />
Zukunft zu nehmen, so würde ich dem Wunsche nicht widerstanden<br />
haben, dieses Jahr bei Dir zu verleben; ich würde dann in meinen<br />
letzten Augenblicken wenigstens die Hand eines Freundes halten.<br />
Wenn wir dieses Jahr beieinander gewesen wären, so würde ich<br />
freilich nicht so schnell sterben.<br />
Doch der Wille Gottes geschehe!