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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Sooft die Tür aufgeht, fangen Margaretens Augen an zu leuchten,<br />

und sie glaubt immer, Sie wären es. Wenn sie dann sieht, dass<br />

Sie es nicht sind, so nimmt ihr Gesicht, den vorigen schmerzlichen<br />

Ausdruck wieder an, ein kalter Schweiß bedeckt ihre Stirn, und ihre<br />

Wangen werden glühend rot.<br />

19. Februar, Mitternacht.<br />

Welchen traurigen Tag haben wir heute erlebt! <strong>Die</strong>sen Morgen<br />

war Margarete dem Ersticken nahe, der Arzt hat ihr eine Ader geöffnet,<br />

und sie hat einigermaßen den Gebrauch der Sprache wiederbekommen.<br />

Der Doktor hat ihr geraten, einen Priester kommen zu<br />

lassen. Sie willigte ein, und er selbst holte einen Geistlichen. Unterdessen<br />

rief mich Margarete an ihr Bett, ersuchte mich, ihren<br />

Schrank zu öffnen, bezeichnete mir eine Haube und ein mit vielen<br />

Spitzen besetztes langes Hemd, und sagte mit matter Stimme zu<br />

mir:<br />

„Ich werde jetzt beichten; dann bekleide mich mit diesen Sachen<br />

... Es ist eine Eitelkeit, die ich selbst im Tode nicht verleugnen<br />

kann.“<br />

Dann küsste sie mich unter Tränen und setzte hinzu:<br />

„Ich kann sprechen, aber ich ersticke, wenn ich rede. Luft! Ich<br />

ersticke!“<br />

Ich brach in Tränen aus und öffnete das Fenster. Einige Augenblicke<br />

danach trat der Priester ein. Ich ging ihm entgegen.<br />

Als er erfuhr, bei wem er war, schien er einen üblen Empfang zu<br />

fürchten.<br />

„Treten Sie nur ein, hochwürdiger Herr“, sagte ich zu ihm.<br />

„Fürchten Sie nichts.“<br />

Er blieb nicht lange in dem Krankenzimmer. Als er wieder herauskam,<br />

sagte er zu mir:<br />

„Sie hat wie eine Sünderin gelebt, aber sie wird wie eine Christin<br />

sterben.“<br />

Einige Minuten später kam er zurück in Begleitung eines Chorknaben,<br />

der ein Kruzifix trug, und eines Messners, der klingelnd vor<br />

ihnen herging.<br />

Sie traten alle drei in das Krankenzimmer. Ich kniete nieder. Ich<br />

weiß nicht, wie lange der Eindruck, den dieser feierliche Akt auf<br />

mich machte, dauern wird; aber ich glaube nicht, dass mich bis zu<br />

meinem letzten Augenblick irgendein Anblick so tief ergreifen<br />

wird.<br />

Der Priester benetzte Hände, Füße und Stirn der Sterbenden mit<br />

dem heiligen Öl, sprach ein kurzes Gebet, und Margarete war bereit,<br />

aus diesem Leben zu scheiden. Gott wird ihr gnädig sein, wegen<br />

der Prüfungen, die sie im Leben überstanden, und wegen der<br />

Frömmigkeit, die sie im Tode bewiesen hat.<br />

Seit jenem Augenblick hat sie kein Wort mehr gesprochen und<br />

keine Bewegung mehr gemacht. Zwanzigmal hätte ich sie für tot<br />

gehalten, wenn ich ihr schweres Atmen nicht gehört hätte.<br />

20. Februar, 5 Uhr nachmittags.<br />

Es ist vorüber. Margarete hatte in dieser Nacht etwa um zwei<br />

Uhr ihren letzten Kampf zu bestehen. Das arme Mädchen muss in<br />

ihrer letzten Stunde schrecklich gelitten haben, denn ihr Angstgeschrei<br />

war herzzerreißend. Zwei- oder dreimal richtete sie sich im<br />

Bette auf, als ob sie das zu Gott entfliehende Leben zurückhalten<br />

wollte.<br />

Zwei- oder dreimal rief sie auch Ihren Namen, dann war alles<br />

still, sie sank erschöpft auf das Kissen zurück. Stille Tränen perlten<br />

aus ihren Augen, und sie verschied. Ich trat an das Bett und rief ihren<br />

Namen. Da sie mir nicht antwortete, drückte ich ihr die Augen<br />

zu und küsste sie auf die Stirn.<br />

Arme, teure Margarete, ich hätte eine Heilige sein mögen, um<br />

durch diesen Kuss alle Deine Vergehen zu sühnen.<br />

Dann kleidete ich sie an, wie sie es gewünscht hatte, holte einen<br />

Priester, zündete zwei Wachskerzen an und betete eine Stunde lang<br />

in der Kirche. Das wenige Geld, das ich vorfand, gab ich den Armen.<br />

Ich weiß nicht viel von der Religion, aber ich glaube, der gütige<br />

Gott wird die Wahrheit meiner Tränen, die Inbrunst meines Gebetes<br />

und die Aufrichtigkeit meiner Almosen anerkennen. Ich hoffe, er<br />

wird sich der Verblichenen erbarmen, die in ihrer Jugend und

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