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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Mühe meine Fassung gewann, ehe ich an die Tür ging, um zu öffnen.<br />

Glücklicherweise war das Wohnzimmer nur matt beleuchtet, sodass<br />

die Veränderung meiner Gesichtszüge minder sichtbar war.<br />

Ich öffnete die Tür. Margarete trat ein. Sie war ganz schwarz gekleidet<br />

und verschleiert; ihr Gesicht war hinter dem Spitzenschleier<br />

kaum zu erkennen.<br />

Sie trat in den Salon und hob den Schleier. Sie war weiß wie<br />

Marmor.<br />

„Hier bin ich, Armand“, sagte sie, „sie wünschten mich zu sehen<br />

... ich bin gekommen ...“<br />

Sie sprach nicht weiter, sie presste beide Hände vor das Gesicht<br />

und brach in Tränen aus.<br />

Ich trat auf sie zu.<br />

„Was fehlt Ihnen?“, fragte ich mit bewegter Stimme.<br />

Sie drückte mir die Hand, ohne zu antworten, denn die Tränen<br />

erstickten ihre Stimme. Endlich suchte sie sich zu fassen und sagte<br />

zu mir:<br />

„Sie haben mir sehr weh getan, Armand ... und ich habe ihnen<br />

doch nichts getan ...“<br />

„Nichts?“, erwiderte ich mit bitterem Lächeln.<br />

„Nichts, als was die Umstände mir zur Pflicht machten."<br />

Ich weiß nicht, ob Sie je im Leben empfunden haben oder empfinden<br />

werden, was ich bei Margaretens Anblick empfand.<br />

Das letzte Mal, als sie zu mir gekommen war, hatte sie auf derselben<br />

Stelle gesessen, auf der sie jetzt saß; aber seit jener Zeit war<br />

sie die Geliebte eines anderen geworden; ihr schöner Mund war<br />

durch einen anderen Mund berührt worden. Und dennoch fühlte ich,<br />

dass ich sie ebenso heiß und vielleicht noch heißer liebte als je zuvor.<br />

Gleichwohl wurde es mir schwer, das Gespräch auf den Gegenstand<br />

zu lenken, der sie zu mir geführt hatte. Margarete schien<br />

dies zu erraten, denn sie fuhr nach einer Pause fort:<br />

„Mein Besuch wird Ihnen unangenehm sein, Armand, denn ich<br />

habe sie um zweierlei zu bitten. Erstens, mir zu verzeihen, was ich<br />

gestern zu Fräulein Olympia gesagt habe, und zweitens, mir fortan<br />

mit Schonung zu begegnen. Seit Ihrer Rückkehr haben Sie mir, ab-<br />

sichtlich oder unabsichtlich, so weh getan, dass ich jetzt nicht im<br />

Stande sein würde, den vierten Teil des Schmerzes zu ertragen, den<br />

ich bis diesen Morgen ertragen habe. Sie werden Mitleid mit mir<br />

haben, nicht wahr? Und Sie werden einsehen, dass es für einen<br />

Mann von Charakter höhere Bestrebungen gibt, als sich an einem<br />

kranken, tief getrübten Weibe zu rächen. Fassen Sie meine Hand!<br />

Ich habe Fieber, ich habe das Bett verlassen, um Sie nicht um Ihre<br />

Freundschaft, sondern um ihre Gleichgültigkeit zu bitten.“<br />

Ich fasste Margaretens Hand, sie war glühend heiß, und das arme<br />

Mädchen zitterte vor Frost unter ihrem Samtmantel.<br />

Ich rollte den Armsessel, in dem sie saß, vor das Kaminfeuer.<br />

„Glauben Sie denn“, erwiderte ich, „dass ich keinen Schmerz gelitten<br />

habe, in jener Nacht, wo ich Sie auf dem Lande erwartete und<br />

nach Paris zurückeilte, um Sie aufzusuchen, und wo ich nichts fand<br />

als jenen Brief, der mich beinahe rasend machte? Wie konnten Sie<br />

mich auch so täuschen, Margarete? Wie konnten Sie es über sich<br />

bringen, meine Liebe so betrügen?“<br />

„Still davon, Armand, ich bin nicht gekommen, um davon zu reden.<br />

Ich wollte Sie nur verwöhnen und Ihnen noch einmal die Hand<br />

drücken. Sie haben eine junge, schöne Geliebte, und man sagt, Sie<br />

wären ihr sehr gut. Seien Sie glücklich mit ihr und vergessen Sie<br />

mich.“<br />

„Sie selber sind gewiss recht glücklich?“<br />

„Sehe ich denn glücklich aus, Armand? Spotten Sie nicht meines<br />

Schmerzes, dessen Ursache und Größe Ihnen besser als sonst jemandem<br />

bekannt ist.“<br />

„Es hing nur von Ihnen ab, nie unglücklich zu sein ... wenn Sie<br />

es anders wirklich sind, wie Sie sagen.“<br />

„Nein, lieber Armand, die Verhältnisse waren stärker als mein<br />

Wille. Ich bin keineswegs den Eingebungen weiblicher Laune gefolgt,<br />

wie sie zu glauben scheinen, ich habe mich einer traurigen<br />

Notwendigkeit gefügt. <strong>Die</strong> Gründe, die mich zu jenem verhängnisvollen<br />

Schritte trieben, werden Sie einst erfahren, und Sie werden<br />

mir verzeihen.“<br />

„Warum sagen Sie mir diese Gründe nicht heute?“

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