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Die Kameliendame - GarboForever.com

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ich bedarf überdies der Ruhe zur Wiederherstellung meiner Gesundheit.<br />

Auf so lange Zeit kann ich aber Paris nicht verlassen, ohne<br />

meine Angelegenheiten zu ordnen und meiner Liebe zu leben ...<br />

ja, mein Lieber; du musst nicht lachen, ich bin so töricht, dich zu<br />

lieben! Und du nimmst einen hochfahrenden Ton an und sprichst<br />

wie ein Romanheld. Bedenke doch nur, dass ich dich liebe, und um<br />

das Übrige kümmere dich nicht ... Es bleibt also bei der Abrede,<br />

nicht wahr?“<br />

„Du weißt ja, es bleibt bei allem, was du willst.“<br />

„Dann sind wir in Monatsfrist auf dem Lande, lustwandeln am<br />

Ufer des Wassers und frühstücken unter grünen Bäumen. Es scheint<br />

dir sonderbar, dass ich, Margarete Gautier, eine solche Sprache führe;<br />

das kommt daher, lieber Freund, dass das Leben in Paris, das<br />

mich so glücklich zu machen scheint, mir im Grunde zu Last ist und<br />

dass ich mich oft nach einem stillen Leben sehen, das mich an meine<br />

Kindheit erinnert. <strong>Die</strong> Kindheit bleibt immer in Erinnerung zurück,<br />

was man auch später geworden sei ... Oh! Sei unbesorgt, ich<br />

werde dir keine Fabeln von meiner Herkunft erzählen; du wirst etwa<br />

hören, ich sei die Tochter einer Obersten außer <strong>Die</strong>nst und zu<br />

Saint-Denis erzogen worden. Ich bin ein armes Landmädchen und<br />

konnte vor sechs Jahren noch nicht einmal meinen Namen schreiben.<br />

jetzt bist du beruhigt, nicht wahr? ... Warum bist du der Erste,<br />

der Einzige, dem ich diesen Wunsch mitteilte und mit dem ich die<br />

lange ersehnten Freuden des Landlebens teilen möchte? Ohne Zweifel,<br />

weil ich erkannt habe, dass du mich um meiner selbst und nicht<br />

um deinetwillen liebst, während andere nur die Befriedigung ihrer<br />

Eitelkeit oder frivole Zerstreuung bei mir suchten. Ich bin sehr oft<br />

auf dem Lande gewesen, aber nie auf eine für mich befriedigende<br />

Weise. Von dir erwarte ich nun dieses leicht zu erreichende Glück.<br />

Bedenke nur, dass ich nicht alt werde und dass du es einst bereuen<br />

würdest, wenn du mir die erste, so leicht zu erfüllende Bitte abgeschlagen<br />

hättest.“<br />

Was sollte ich auf solche Worte erwidern, zumal bei der Erinnerung<br />

an die erste Liebesnacht und in der Erwartung der zweiten.<br />

Eine Stunde später lag Margarete in meinen Armen, und sie hätte<br />

ein Verbrechen von mir fordern können: Ich hätte es auf der Stelle<br />

begangen.<br />

Um sechs Uhr früh nahm ich Abschied von ihr.<br />

„<strong>Die</strong>sen Abend sehen wir uns wieder“, sagte ich.<br />

Margarete küsste mich zärtlich, aber sie antwortete mir nicht.<br />

Am Mittag erhielt ich folgende Zeilen von ihr:<br />

„Teuerster Armand, ich bin unpässlich, und der Arzt empfiehlt<br />

mir dringend Ruhe, ich werde mich diesen Abend zeitig schlafen<br />

legen und kann Dich daher nicht sehen. Um Dich aber zu entschädigen,<br />

werde ich Dich Mittag erwarten. Ich hebe Dich von ganzem<br />

Herzen.“<br />

Mein erster Gedanke war, sie betrügt mich. Ein kalter Schweiß<br />

bedeckte meine Stirn, denn ich liebte Margarete schon zu sehr, um<br />

bei diesem schrecklichen Verdacht, der fast zur Gewissheit wurde,<br />

gleichgültig zu bleiben.<br />

Und dennoch musste ich täglich so etwas erwarten. Dasselbe war<br />

mir bei meinen früheren Geliebten oft begegnet, ohne dass ich mich<br />

darum gekümmert hatte. Woher kam also der gewaltige Einfluss,<br />

den Margarete auf mein Leben gewann?<br />

Da ich den Schlüssel zu ihrer Wohnung hatte, so kam ich auf den<br />

Gedanken, sie zu der gewöhnlichen Zeit zu besuchen. Auf diese<br />

Weise konnte ich sehr leicht die Wahrheit erfahren und ich nahm<br />

mir in allem Ernste vor, keinen anderen Mann bei ihr zu dulden.<br />

Inzwischen begab ich mich nach den Champs Elyséees. Ich blieb<br />

vier Stunden auf der Promenade. Sie erschien nicht.<br />

Abends ging ich in alle Theater, welche sie zu besuchen pflegte.<br />

Sie war in keinem. Um elf Uhr begab ich mich in die Rue d’Antin.<br />

Margaretens Fenster waren dunkel, aber ich zog dennoch an der<br />

Glocke. Der Pförtner fragte mich, zu wem ich wollte.<br />

„Zu Fräulein Gautier“, antwortete ich.<br />

„Sie ist noch nicht zu Hause.“<br />

„So will ich hinaufgehen und sie erwarten“, sagte ich zu dem<br />

Türhüter.<br />

„Es ist niemand zu Hause“, erwiderte er.

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