Die Kameliendame - GarboForever.com
Die Kameliendame - GarboForever.com
Die Kameliendame - GarboForever.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ich bedarf überdies der Ruhe zur Wiederherstellung meiner Gesundheit.<br />
Auf so lange Zeit kann ich aber Paris nicht verlassen, ohne<br />
meine Angelegenheiten zu ordnen und meiner Liebe zu leben ...<br />
ja, mein Lieber; du musst nicht lachen, ich bin so töricht, dich zu<br />
lieben! Und du nimmst einen hochfahrenden Ton an und sprichst<br />
wie ein Romanheld. Bedenke doch nur, dass ich dich liebe, und um<br />
das Übrige kümmere dich nicht ... Es bleibt also bei der Abrede,<br />
nicht wahr?“<br />
„Du weißt ja, es bleibt bei allem, was du willst.“<br />
„Dann sind wir in Monatsfrist auf dem Lande, lustwandeln am<br />
Ufer des Wassers und frühstücken unter grünen Bäumen. Es scheint<br />
dir sonderbar, dass ich, Margarete Gautier, eine solche Sprache führe;<br />
das kommt daher, lieber Freund, dass das Leben in Paris, das<br />
mich so glücklich zu machen scheint, mir im Grunde zu Last ist und<br />
dass ich mich oft nach einem stillen Leben sehen, das mich an meine<br />
Kindheit erinnert. <strong>Die</strong> Kindheit bleibt immer in Erinnerung zurück,<br />
was man auch später geworden sei ... Oh! Sei unbesorgt, ich<br />
werde dir keine Fabeln von meiner Herkunft erzählen; du wirst etwa<br />
hören, ich sei die Tochter einer Obersten außer <strong>Die</strong>nst und zu<br />
Saint-Denis erzogen worden. Ich bin ein armes Landmädchen und<br />
konnte vor sechs Jahren noch nicht einmal meinen Namen schreiben.<br />
jetzt bist du beruhigt, nicht wahr? ... Warum bist du der Erste,<br />
der Einzige, dem ich diesen Wunsch mitteilte und mit dem ich die<br />
lange ersehnten Freuden des Landlebens teilen möchte? Ohne Zweifel,<br />
weil ich erkannt habe, dass du mich um meiner selbst und nicht<br />
um deinetwillen liebst, während andere nur die Befriedigung ihrer<br />
Eitelkeit oder frivole Zerstreuung bei mir suchten. Ich bin sehr oft<br />
auf dem Lande gewesen, aber nie auf eine für mich befriedigende<br />
Weise. Von dir erwarte ich nun dieses leicht zu erreichende Glück.<br />
Bedenke nur, dass ich nicht alt werde und dass du es einst bereuen<br />
würdest, wenn du mir die erste, so leicht zu erfüllende Bitte abgeschlagen<br />
hättest.“<br />
Was sollte ich auf solche Worte erwidern, zumal bei der Erinnerung<br />
an die erste Liebesnacht und in der Erwartung der zweiten.<br />
Eine Stunde später lag Margarete in meinen Armen, und sie hätte<br />
ein Verbrechen von mir fordern können: Ich hätte es auf der Stelle<br />
begangen.<br />
Um sechs Uhr früh nahm ich Abschied von ihr.<br />
„<strong>Die</strong>sen Abend sehen wir uns wieder“, sagte ich.<br />
Margarete küsste mich zärtlich, aber sie antwortete mir nicht.<br />
Am Mittag erhielt ich folgende Zeilen von ihr:<br />
„Teuerster Armand, ich bin unpässlich, und der Arzt empfiehlt<br />
mir dringend Ruhe, ich werde mich diesen Abend zeitig schlafen<br />
legen und kann Dich daher nicht sehen. Um Dich aber zu entschädigen,<br />
werde ich Dich Mittag erwarten. Ich hebe Dich von ganzem<br />
Herzen.“<br />
Mein erster Gedanke war, sie betrügt mich. Ein kalter Schweiß<br />
bedeckte meine Stirn, denn ich liebte Margarete schon zu sehr, um<br />
bei diesem schrecklichen Verdacht, der fast zur Gewissheit wurde,<br />
gleichgültig zu bleiben.<br />
Und dennoch musste ich täglich so etwas erwarten. Dasselbe war<br />
mir bei meinen früheren Geliebten oft begegnet, ohne dass ich mich<br />
darum gekümmert hatte. Woher kam also der gewaltige Einfluss,<br />
den Margarete auf mein Leben gewann?<br />
Da ich den Schlüssel zu ihrer Wohnung hatte, so kam ich auf den<br />
Gedanken, sie zu der gewöhnlichen Zeit zu besuchen. Auf diese<br />
Weise konnte ich sehr leicht die Wahrheit erfahren und ich nahm<br />
mir in allem Ernste vor, keinen anderen Mann bei ihr zu dulden.<br />
Inzwischen begab ich mich nach den Champs Elyséees. Ich blieb<br />
vier Stunden auf der Promenade. Sie erschien nicht.<br />
Abends ging ich in alle Theater, welche sie zu besuchen pflegte.<br />
Sie war in keinem. Um elf Uhr begab ich mich in die Rue d’Antin.<br />
Margaretens Fenster waren dunkel, aber ich zog dennoch an der<br />
Glocke. Der Pförtner fragte mich, zu wem ich wollte.<br />
„Zu Fräulein Gautier“, antwortete ich.<br />
„Sie ist noch nicht zu Hause.“<br />
„So will ich hinaufgehen und sie erwarten“, sagte ich zu dem<br />
Türhüter.<br />
„Es ist niemand zu Hause“, erwiderte er.