Die Kameliendame - GarboForever.com
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<strong>Die</strong>se Worte elektrisierten mich, ich hätte Prudence um den Hals<br />
fallen mögen.<br />
Eine Viertelstunde nachher war ich zu Hause und schrieb an<br />
Margarete:<br />
„Jemand, der einen gestern an Sie geschriebenen Brief bereut<br />
und morgen abreisen wird, wenn Sie ihm nicht verzeihen, wünscht<br />
zu wissen, zu welcher Stunde er seine Reue zu Ihren Füßen niederlegen<br />
kann. Wann wird er Sie allein finden? Sie wissen ja, eine<br />
Beichte muss ohne Zeugen abgelegt werden.“<br />
Ich faltete dieses Madrigal in Prosa zusammen, siegelte es und<br />
schickte Josef damit ab. Er übergab es Margarete selbst und sie ließ<br />
mir sagen, sie werde später antworten.<br />
Ich entfernte mich nur kurze Zeit, um zu speisen, und um zehn<br />
Uhr abends hatte ich noch keine Antwort erhalten. Da fasste ich<br />
endlich den Entschluss, meinen Qualen ein Ende zu machen und am<br />
folgenden Tage abzureisen. Ich sah wohl ein, dass ich nicht würde<br />
schlafen können, wenn ich mich auch niederlegte, ich fing daher an,<br />
meine Sachen einzupacken.<br />
Drittes Kapitel<br />
Josef und ich waren etwa seit einer Stunde mit den Vorbereitungen<br />
zu meiner Abreise beschäftigt, als die Türglocke heftig gezogen<br />
wurde.<br />
„Soll ich öffnen?“, fragte Jose£<br />
„Ja“, sagte ich, mich im Stillen wundernd, wer zu dieser Stunde<br />
noch zu mir komme; denn dass es Margarete sei, wie es mir eine<br />
geheime Ahnung sagte, wagte ich nicht zu hoffen.<br />
„Es sind zwei Damen“, sagte Josef, „ich habe sie in den Salon<br />
geführt.“<br />
„Wir sind’s, Armand!“, rief mir eine Stimme zu, in der ich Prudence<br />
erkannte.<br />
Ich flog in den Salon.<br />
Prudence betrachtete einige Kunstsachen, die ich gesammelt hatte<br />
und in meinem Zimmer aufbewahrte. Margarete saß in nachsinnender<br />
Stellung auf dem Sofa.<br />
Ich ging sogleich auf sie zu, fasste ihre beiden Hände und flüsterte<br />
das Wort: Verzeihung.<br />
Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn und sagte zu mir:<br />
„Es ist schon das dritte Mal, dass ich Ihnen verzeihe.“<br />
„Ich wollte morgen abreisen“, sagte ich.<br />
„Mein Besuch darf Ihren Entschluss nicht ändern“, erwiderte<br />
Margarete. „Ich bin nicht gekommen, um Ihre Abreise zu verhindern,<br />
sondern weil ich heute noch keine Zeit gefunden habe, Ihnen<br />
zu antworten, und ich Ihnen nicht die Meinung lassen wollte, ich sei<br />
noch böse auf Sie. Prudence wollte auch nicht zugeben, dass ich<br />
hierher ginge, sie meinte, ich würde Sie vielleicht stören.“<br />
„Sie – mich stören, Margarete! Wie wäre das möglich?“<br />
„Es wäre doch möglich gewesen, dass wir ein zärtliches Tete-atete<br />
unterbrochen hätten“, antwortete Prudence, „und eine solche<br />
Unterbrechung würde für beide Teile nicht angenehm gewesen<br />
sein.“<br />
Während Prudence dies sagte, sah mich Margarete aufmerksam<br />
an.