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Die Kameliendame - GarboForever.com

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Es unterlag keinem Zweifel, dass der Pförtner gemessene Befehle<br />

erhalten hatte. Ich konnte in Margaretes Wohnung eindringen, da<br />

ich den Schlüssel hatte; aber ich fürchtete einen Skandal, in dem ich<br />

mich doch nur lächerlich gemacht hätte, und ging.<br />

Doch die Straße zu verlassen, war mir unmöglich, ich ließ Margaretes<br />

Haus nicht aus den Augen. Es schien mir, als ob ich noch<br />

etwas zu erfahren hätte, oder wenigstens, dass mein Verdacht sich<br />

bestätigen werde.<br />

Gegen Mitternacht Welt ein Wagen, den ich wohl kannte, vor<br />

Nr. 9 an.<br />

Der Graf von G*** stieg aus und trat in Margaretes Haus, nachdem<br />

er seinen Wagen fortgeschickt hatte.<br />

Einen Augenblick hoffte ich, dass man ihm, wie mir, sagen würde,<br />

Margarete sei nicht zu Hause, und dass ich ihn wieder aus dem<br />

Hause kommen sehen würde; aber um vier Uhr früh wartete ich<br />

immer noch.<br />

Seit drei Wochen habe ich viel gelitten, aber es ist nichts im<br />

Vergleich mit dem, was ich in jener Nacht litt.<br />

Zweites Kapitel<br />

In meine Wohnung zurückkehrend, fing ich an zu weinen wie ein<br />

Kind. Es gibt wohl keinen Mann, der nicht wenigstens einmal von<br />

einer Geliebten, die ihm wirklich teuer, getäuscht worden wäre und<br />

der nicht wüsste, was man im ersten Augenblick leidet.<br />

Voll von jenen Entschlüssen, die man sagt, aber nicht auszuführen<br />

vermag, meinte ich, dass ich diese Liebe, die mich schon so unglücklich<br />

machte, sogleich ersticken müsse. Mit Ungeduld erwartete<br />

ich den Anbruch des Tages, um eine Fahrkarte für den Postwagen<br />

zu lösen und zu meinem Vater und zu meiner Schwester zurückzukehren,<br />

bei denen ich eine warme, ungeheuchelte Zuneigung und<br />

Teilnahme an meinen Leiden zu finden gewiss war.<br />

Ich wollte jedoch nicht abreisen, ohne Margarete von der Ursache<br />

meiner Abreise in Kenntnis zu setzen und ohne ihr zu schreiben,<br />

dass ich um den an mir verübten Verrat wisse.<br />

Nur ein Mann, der für seine Geliebte gar nichts empfindet, wird<br />

sie verlassen, ohne an sie zu schreiben.<br />

Ich sann mir wohl zwanzig Briefe aus, verwarf aber alle wieder.<br />

Es war ausgemacht, dass Margarete allen Filles entretenues ähnlich<br />

war, dass ich sie mir viel zu poetisch dargestellt hatte und dass sie,<br />

um mich zu hintergehen, eine List angewandt hatte, die eben wegen<br />

ihrer Einfachheit höchst beleidigend für mich war. Meine gekränkte<br />

Eigenliebe gewann die Oberhand, und ich fasste den Entschluss, sie<br />

zu verlassen, ohne ihr den Schmerz, den dieser Bruch mir verursachte,<br />

zu erkennen zu geben. Endlich setzte ich mich nieder und<br />

schrieb ihr Folgendes in den zierlichsten Schriftzügen und mit Tränen<br />

der Wut und des Schmerzes in den Augen:<br />

„Liebe Margarete!<br />

Ich hoffe, dass Ihre gestrige Unpässlichkeit nicht von Bedeutung<br />

gewesen ist. Um elf Uhr erkundigte ich mich nach Ihnen und erhielt<br />

zur Antwort, dass Sie noch nicht wieder zu Hause wären. Der Graf<br />

von G*** ist glücklicher gewesen als ich, denn er kam einige Augenblicke<br />

nachher, und um vier Uhr früh war er noch bei Ihnen.

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