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Unternehmensführung – Titelthema<br />
INTERVIEW I<br />
„Männer sind eher eindimensional“<br />
Roland Kopp-Wichmann, Psychologe und Führungskräftetrainer,<br />
über weibliches und männliches Führungsverhalten.<br />
Herr Kopp-Wichmann, im Mittelstand<br />
dominieren nach wie vor Männer die<br />
Unternehmensspitzen. Führen Männer<br />
und Frauen eigentlich unterschiedlich?<br />
Kopp-Wichmann: Auf je<strong>de</strong>n Fall! Frauen<br />
kommunizieren mehr und besser mit ihrem<br />
Umfeld – und sie hören besser zu.<br />
Die Fragetechniken von Frauen sind unschlagbar.<br />
Schon in ihrer Kindheit haben<br />
sie gelernt: In Mädchen-Spielen muss<br />
man re<strong>de</strong>n, bei Jungs-Spielen dagegen<br />
stört ein verbaler Austausch. Jungs erkämpfen<br />
sich beim Spielen ihren Platz,<br />
sie üben ihre Wettbewerbsorientierung.<br />
In <strong>de</strong>n Rollenspielen <strong>de</strong>r Mädchen geht<br />
es um Beziehungen, nicht um Ziele. Man<br />
muss nicht dauernd gewinnen. Diese<br />
Spiele sind offen, sie haben kein En<strong>de</strong>,<br />
es geht immer weiter. Das alles ist tief<br />
in die Psyche eingeprägt.<br />
Welche typisch weiblichen Talente sind<br />
bei <strong>de</strong>r Unternehmensführung hilfreich?<br />
Kopp-Wichmann: Frauen sprechen<br />
Spannungen eher an, sie sind sich ihrer<br />
Konfl iktfähigkeit sicher. Eine weibliche<br />
Führungsqualität ist das Gespür für Beziehungen<br />
und die Antizipation von Störungen.<br />
Nach meiner Erfahrung eskalie-<br />
Catrin Graf,<br />
Graf Dichtungen, München,<br />
www.graf-dichtungen.<strong>de</strong><br />
ren die Dinge weniger leicht, wenn Frauen<br />
ein Thema ansprechen. Sie erkennen leichter<br />
die Vielschichtigkeit <strong>de</strong>r Situation und<br />
können sie handhaben. Männer sind eher<br />
eindimensional und in <strong>de</strong>n Kategorien<br />
richtig/falsch o<strong>de</strong>r Recht/Unrecht gefangen<br />
– für die Lösung <strong>de</strong>r meisten Probleme<br />
ist das ungeeignet. Zu<strong>de</strong>m haben Frauen<br />
mehr Erfahrung, Ambivalenzen auszuhalten<br />
und Wi<strong>de</strong>rsprüche stehen zu lassen.<br />
Oft wird erfolgreichen Unternehmerinnen<br />
unterstellt, sie entwickelten männliche<br />
Verhaltensmuster. Was sagen Sie dazu?<br />
Kopp-Wichmann: Manchmal ist das eine<br />
gute Strategie, aber Verhalten muss authentisch<br />
sein, sonst verliert es seine Wirksamkeit.<br />
Männer ernten für dominantes<br />
Auftreten in <strong>de</strong>r Regel Beifall, Frauen wer<strong>de</strong>n<br />
meistens dafür abgestraft. Auch hier<br />
muss man zurückschauen, was wir als Kin<strong>de</strong>r<br />
gelernt haben: Für Männer ist es völlig<br />
okay, wenn sich jemand an die Spitze stellt<br />
– sie ordnen sich unter. Bei Frauen wer<strong>de</strong>n<br />
diejenigen, die Ambitionen auf die Anführerschaft<br />
erkennen lassen, ten<strong>de</strong>nziell ausgegrenzt.<br />
Das ist für viele Mädchen eine<br />
bittere Lektion, die sie bis ins Erwachsenenleben<br />
hinein begleitet.<br />
Wie kommt es, dass es trotz<strong>de</strong>m eine Menge<br />
Unternehmerinnen gibt?<br />
Kopp-Wichmann: Viele Frauen an <strong>de</strong>r<br />
Spitze von Firmen sind in Unternehmerhaushalten<br />
aufgewachsen. Sie haben von<br />
Anfang an mitbekommen, wie man eine<br />
Firma leitet. Unternehmerkin<strong>de</strong>r bekommen<br />
eine entsprechen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rung, aktiv<br />
und auch nebenbei. <strong>Als</strong> Chefi n kommen<br />
ihnen diese innere Stimmigkeit und Unverkrampftheit<br />
zugute. Diese Frauen sind für<br />
unsere Kin<strong>de</strong>r, Mädchen wie Jungen, wichtige<br />
Vorbil<strong>de</strong>r.<br />
Sie coachen Führungsfrauen und Unternehmerinnen.<br />
Worum benei<strong>de</strong>n diese ihre<br />
männlichen Kollegen manchmal?<br />
Kopp-Wichmann: Großen Eindruck macht<br />
immer wie<strong>de</strong>r die Chuzpe von Männern.<br />
Sie haben zwar häufi g wenig Ahnung,<br />
quasseln aber wild draufl os und verkaufen<br />
eine mittelprächtige I<strong>de</strong>e als Wahnsinnsprojekt.<br />
Dieses Selbstbewusstsein nach<br />
<strong>de</strong>m Motto „Verkün<strong>de</strong>n statt begrün<strong>de</strong>n“<br />
beeindruckt. Frauen sind sehr selbstkritisch,<br />
was ihre eigene Leistung angeht. Im<br />
Kontakt mit solchen Männern wer<strong>de</strong>n sie<br />
eher unsicher, statt das Verhalten zu hinterfragen<br />
o<strong>de</strong>r zu entlarven.<br />
DIE KOKETTE:<br />
„Männer <strong>de</strong>n Hel<strong>de</strong>n spielen lassen“<br />
„Für mich ist Geduld typisch weiblich – gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rerziehung lernt man, ab und zu tief durchzuatmen. Ich bin<br />
ungern auf Hilfe angewiesen und benei<strong>de</strong> die Männer <strong>de</strong>shalb manchmal um ihre körperliche Kraft. Bei mir geht es<br />
oft darum, Ware durch die Gegend zu schleppen. An<strong>de</strong>rerseits genieße ich es, Frau zu sein – ich weiß, es klingt zynisch,<br />
aber in <strong>de</strong>r Regel macht es Männer doch glücklich, <strong>de</strong>r Held sein zu dürfen und mir beispielsweise meine schweren<br />
Sachen zu tragen.<br />
In meiner Branche, <strong>de</strong>m Groß- und Einzelhan<strong>de</strong>l und <strong>de</strong>r Herstellung von Dichtungen, müssen Frauen von vornherein<br />
mehr können und dies ständig unter Beweis stellen. Das ist ungerecht und sehr anstrengend. Die Momente am Telefon,<br />
wenn mein Gesprächspartner verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n will, um eine technische Auskunft zu bekommen, hasse ich. Meine<br />
Mutter hat früher manchmal einen Kuchen mit zum Kun<strong>de</strong>n gebracht und mit <strong>de</strong>n Hausmeistern einen Schnaps getrunken<br />
– das war wahres weibliches Guerilla-Marketing!<br />
Übrigens: Wir Frauen arbeiten immer mit einem Plan B – und es gibt noch Plan C, wenn gar nichts klappt.“<br />
28 ProFirma 12 2010<br />
Fotos: privat