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Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und wenn es etwas nicht<br />

mehr gibt, an das wir uns gewöhnt haben, dann ärgern wir<br />

uns. Mein Lieblingsitaliener hat neulich renoviert, und jetzt<br />

schmeckt es irgendwie nicht mehr so wie früher. Wahrscheinlich<br />

kocht er genauso, aber die Augen essen mit und ich bin<br />

ein bisschen verärgert. Ja, ich gehe noch hin, aber nicht mehr<br />

so gerne. Was soll man auch machen?<br />

Nun, man könnte sich ja beschweren, zum Beispiel im Internet.<br />

Und vielleicht wür<strong>de</strong> man damit ja sogar etwas erreichen. Das<br />

dachten sich je<strong>de</strong>nfalls neulich die Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r riesigen amerikanischen<br />

Mo<strong>de</strong>marke Gap, als die Unternehmensleitung auf<br />

die I<strong>de</strong>e kam, das alte Firmenzeichen – ein blaues Rechteck<br />

mit <strong>de</strong>n drei Buchstaben in einer leicht verschnörkelten, altmodischen<br />

Schrift – könnte eine kleine Auffrischung brauchen.<br />

Sie ließen sich von einem teuren Schrift<strong>de</strong>signer beraten,<br />

und <strong>de</strong>r schlug ihnen ein mo<strong>de</strong>rnes, schlankes Logo ohne<br />

Kasten drum herum vor. Der gefi el <strong>de</strong>n Managern offenbar so<br />

gut, dass sie stolz die Nachricht in die Welt hinausposaunten:<br />

„Gap geht mit <strong>de</strong>r Zeit.“<br />

Fragt sich nur, wohin. Im Gegensatz zur Firmenleitung hat <strong>de</strong>r<br />

neue Schriftzug <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n nämlich ganz und gar nicht gefallen.<br />

Man muss dazu wissen, dass die „blue box“ mit <strong>de</strong>n drei<br />

Buchstaben von New York bis Los Angeles überall zum Stadtbild<br />

gehört, und viele empfan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Wegfall als Verlust. Sie<br />

rotteten sich also auf Facebook zusammen o<strong>de</strong>r ließen ihrem<br />

Unmut per Twitter freien Lauf. Das artete schließlich in einer<br />

digitalen Lawine aus, mit Zehntausen<strong>de</strong>n von wüten<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

sarkastischen Kommentaren, die schließlich in <strong>de</strong>m Aufruf<br />

gipfelten, so lange nicht mehr bei Gap einzukaufen, bis die<br />

blaue Box wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>ntüren prangt.<br />

Und da Firmenleitungen von Konzernen wie Gap inzwischen<br />

sehr sensibel auf das reagieren, was in Foren und Communities<br />

ProFirma 12 2010<br />

Cole's Corner<br />

Die Wucht<br />

digitaler Lawinen<br />

Von Tim Cole<br />

Tim Cole Der IT-Journalist und Chefredakteur<br />

mehrerer Elektronikzeitschriften<br />

ist ein gefragter Autor und Redner zum<br />

Thema E-Commerce.<br />

Info: www.cole.<strong>de</strong><br />

abgeht, kam die PR-Abteilung auf die geniale I<strong>de</strong>e, die Kun<strong>de</strong>n<br />

zu bitten, selbst Vorschläge für ein neues Logo einzureichen.<br />

Doch auch dieser Schuss ging voll nach hinten los. Jetzt fühlten<br />

sich die Kun<strong>de</strong>n komplett auf <strong>de</strong>n Arm genommen.<br />

Die Online-Protestwelle wuchs und wuchs, und nach genau<br />

einer Woche musste Firmenchef Marka Hansen sich zerknirscht<br />

bei seinen Kun<strong>de</strong>n entschuldigen. „Ich glaube, wir<br />

haben da etwas falsch gemacht“, schrieb er am En<strong>de</strong> ganz<br />

kleinlaut auf <strong>de</strong>r Facebook-Seite <strong>de</strong>s Unternehmens. Die Fans<br />

<strong>de</strong>s blauen Rechtecks feierten sich und ihren Sieg noch tagelang<br />

- online versteht sich.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, es steckt eine Lehre in dieser kleinen Geschichte:<br />

Im Internet-Zeitalter ist es wichtiger <strong>de</strong>nn je, zu wissen, was<br />

<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> wirklich will. Alles an<strong>de</strong>re ist Blindfl ug. Es reicht<br />

auch nicht, irgendwelche „Fokus-Gruppen“ so lange von <strong>de</strong>r<br />

Marketingabteilung befragen zu lassen, bis am En<strong>de</strong> das herauskommt,<br />

was <strong>de</strong>r Chef ohnehin will. Echte Kun<strong>de</strong>nbeteiligung<br />

sieht an<strong>de</strong>rs aus.<br />

Die gute Nachricht: Das Internet gibt <strong>de</strong>m Anbieter die Mittel<br />

an die Hand, <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n zu befragen. Nur sollte man es<br />

vielleicht vorher tun, nicht nachher wie Gap. Es ist in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Jahren viel die Re<strong>de</strong> gewesen von <strong>de</strong>r „neuen Macht<br />

<strong>de</strong>s Online-Kun<strong>de</strong>n“. Und es stimmt: Nie war „König Kun<strong>de</strong>“<br />

mächtiger als heute. Nicht nur, weil er dank Internet unbegrenzt<br />

einkaufen und nach Herzenslust Preise vergleichen<br />

kann. Er hat jetzt auch eine Stimme – und gemeinsam mit <strong>de</strong>n<br />

Stimmen an<strong>de</strong>rer bil<strong>de</strong>t er einen machtvollen Chor, <strong>de</strong>n kein<br />

Anbieter mehr überhören kann.<br />

Lei<strong>de</strong>r weiß mein Italiener nichts davon, <strong>de</strong>r hat nicht mal eine<br />

Homepage, auf <strong>de</strong>r ich mich beschweren könnte. Ich wer<strong>de</strong> es<br />

ihm wohl ins Gesicht sagen müssen. Vielleicht hole ich mir<br />

vorher noch ein bisschen Mut im Internet …<br />

Kolumne<br />

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