antriebstechnik 4/2017
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Positionsabhängige Regelung<br />
von Werkzeugmaschinen<br />
Zum Erreichen einer hohen Produktqualität wird<br />
von Werkzeugmaschinen ein schwingungsfreier<br />
Betrieb verlangt. Diese Forderung steht aufgrund<br />
einer positionsabhängigen Steifigkeit der<br />
Vorschubachse einer hohen<br />
Bearbeitungsgeschwindigkeit und -genauigkeit<br />
entgegen. Zu diesem Zweck wurden<br />
positionsabhängige optimale Regler für einen<br />
steuerungsexternen Lageistwertfilter entwickelt.<br />
Dieses Verfahren wird am Beispiel eines<br />
positionsabhängigen dynamischen<br />
Maschinenverhaltens vorgestellt.<br />
E<br />
ine Beschränkung bei der Inbetriebnahme und im Betrieb von<br />
Werkzeugmaschinen ist die Limitierung der Reglerparameter<br />
der Vorschubachse. Im Allgemeinen ist der Regelkreis der Vorschubachse<br />
als ein Kaskadenregelkreis aufgebaut, bestehend aus Lage-,<br />
Geschwindigkeits- und Stromregelkreis. In Bild 01 sind der Lageund<br />
Geschwindigkeitsregelkreis am Beispiel einer Vorschubachse<br />
mit Kugelgewindetrieb dargestellt. Der Lageregler wird vorrangig<br />
als P-Regler ausgeführt, wobei die Einstellung des Proportionalwerts<br />
(K L<br />
-Wert) ein möglichst dynamisches Verfahren der Achse ermöglichen<br />
soll. Ausführlich konnte bei [BREC06] gezeigt werden,<br />
dass mit steigendem K L<br />
-Wert die Dämpfung der Vorschubachse<br />
sinkt, was zu einem unzulässigem Schwingungsverhalten führt. Aus<br />
diesem Grund ist der K L<br />
-Wert und damit die Dynamik sowie Genauigkeit<br />
der Werkzeugmaschine mit dem klassischen Kaskadenregelkreis<br />
begrenzt.<br />
In Bild 02 ist der Zusammenhang zwischen Dämpfung des Lageregelkreises<br />
und K L<br />
-Wert am Beispiel zweier Frequenzgangmessungen<br />
an einer Versuchsmaschine dargestellt. Während bei kleinerem<br />
K L<br />
-Wert der Amplitudengang unterhalb der 0 dB-Linie verläuft, ist<br />
für den größeren K L<br />
-Wert ein erhöhter Amplitudengang über der<br />
0 dB-Linie in einem Frequenzbereich bis 22 Hz deutlich zu erkennen.<br />
Hierbei ist eine maximale Überhöhung von 11,3 dB bei einem<br />
K L<br />
-Faktor von 3,5 m/(mm × min) feststellbar. Ziel der Regelkreisparametrierung<br />
muss es folglich sein, eine ausreichende Dämpfung<br />
auch bei erhöhtem K L<br />
-Wert zu garantieren. Übertragen auf die Darstellung<br />
im Bodediagramm soll der Amplitudengang in einem möglichst<br />
großen Frequenzbereich nahe 0 dB liegen.<br />
Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher ist Direktor am Werkzeugmaschinenlabor<br />
(WZL) der RWTH Aachen; Thomas Berners, M.Sc., ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen;<br />
Dipl.-Ing. Stephan C. Gsell ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor<br />
(WZL) der RWTH Aachen; Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing.<br />
Alexander Epple ist Oberingenieur am Werkzeugmaschinenlabor (WZL)<br />
der RWTH Aachen<br />
Um diese Anforderungen an den Regelkreis zu erfüllen, können<br />
konstruktive Anpassungen der Maschinenstruktur oder Änderungen<br />
in den Regelkreisen der Vorschubachse vorgenommen werden.<br />
Durch konstruktive Maßnahmen besteht die Möglichkeit die Steifigkeit<br />
der Vorschubachse zu erhöhen und eine für den Fertigungsprozess<br />
günstige Resonanzfrequenz einzustellen. Damit einher<br />
wird jedoch auch oft die Trägheitsmasse erhöht, woraus – bei<br />
gleichbleibenden Antrieben – eine verringerte Dynamik resultiert.<br />
Mit dem Ziel die Dynamik und die Energieeffizienz zu steigern, bezwecken<br />
daher aktuelle Bestrebungen in der Forschung und Entwicklung<br />
eine Verringerung der Trägheitsmasse.<br />
Neben konstruktiven Anpassungen der Maschinenstruktur besteht<br />
die Möglichkeit zur Schwingungsdämpfung durch Eingriffe in<br />
den Lageregelkreis der Vorschubachse. Dabei wird softwareseitig<br />
oder elektronisch in die Signalübertragung eingegriffen und das Systemverhalten<br />
gezielt verändert. Für die in Werkzeugmaschinen oft<br />
genutzte NC-Steuerung Sinumerik 840D der Firma Siemens existiert<br />
die Erweiterung Advanced Position Control [KUEN03]. Dabei wird<br />
eine Kombination aus Bandpassfiltern und Differenzialgliedern mit<br />
Verzögerung für eine Rückführung der Lageistwerte genutzt. Die<br />
Regelung ist dabei auf ein bestimmtes Frequenzspektrum festgelegt<br />
und kann nicht adaptiv auf veränderliche Frequenzen reagieren<br />
[SEKL12]. Ein Produkt der Firma Heidenhain – das Active Chatter<br />
Control – verwendet für eine regelungstechnische Dämpfung niederfrequenter<br />
Schwingungen ein Addieren eines phasenverschobenen<br />
Korrektursignals auf das Signal des Drehzahlreglers [KERN04].<br />
Damit ist es möglich, Schwingungen durch ungünstige Schnittbedingungen<br />
(sogenanntes Rattern oder Regenerativeffekt) zu mindern.<br />
Ein weiteres Verfahren lässt sich bei [NEUG11] finden, wobei mittels<br />
linearer Modelle für den Stromregelkreis sowie einem nichtlinearen<br />
Reibungsmodell das Schwingungsverhalten im Lageregelkreis<br />
gesenkt wurde. Hierbei wurde eine Regelung auf Basis einer<br />
Polzuweisung im Geschwindigkeitsregelkreis angewandt. Eine<br />
grundlegende Regelung der Dynamik einer Vorschubachse unter<br />
Berücksichtigung von Reibung ist zusätzlich bei [ISER07] beschrieben.<br />
Zur intuitiven Inbetriebnahme und zur Bereitstellung einer<br />
118 <strong>antriebstechnik</strong> 4/<strong>2017</strong>