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Dorfbuch Schwarzenberg

Dorbuch 750 Jahre Schwarzenberg

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Anhang | Alltag im Dorf<br />

den selbst stärkste Bäume wie Streichhölzer<br />

umgeknickt, Zwetschgenbäume entwurzelt,<br />

die Bohnenstangen und Zäune lagen um. Die<br />

vom Himmel strömenden Wassermassen,<br />

walzten das Getreide platt und spülten die<br />

Kartoffeln aus und weg. Am Galgenberg und<br />

Metzewinkel gab es Erdrutsche. Im Wald entstanden<br />

Windfälle, die Bäume lagen kreuz<br />

und quer durcheinander.<br />

Stundenlang tobten sich die Naturgewalten<br />

aus und als die Wolken verschwunden waren,<br />

bot sich ein Bild der Verwüstung. Das einzig<br />

Gute war, das bei dem Unwetter keine Menschen<br />

zu Schaden gekommen waren.<br />

Die Kräuterfrau<br />

Die Großmutter verrichtete früher allerlei<br />

nützliche Arbeiten im Haus und war auch für<br />

die Betreuung der Enkelkinder zuständig.<br />

Deshalb hielt sie sich meistens in Haus und<br />

Hof auf. Es gab aber Tage, die sogenannten<br />

Lostage, wie den goldenen Sonntag (1. Sonntag<br />

nach Ostern), den Himmelfahrtstag, und<br />

den 1. Mai, an denen sie entweder ganz früh,<br />

oder sehr spät, mit ihrer Kötze heimlich den<br />

Hof verließ und sich mit einigen Freundinnen<br />

traf.<br />

Wenn sie dann froh und munter wieder nach<br />

Hause kam, dann sagte sie: „Alles was da<br />

wächst und blüht, Krankheit aus dem Körper<br />

zieht; wir brauchen nichts zu kaufen. Ich habe<br />

gegen alles Böse bei Mensch und Tier, Tee<br />

und Kräuter. Ich habe für das liebe Vieh Gras<br />

gegen Hexen, und gelbe Butterblumen für die<br />

Kühe, damit die Butter schön gelb wird.“<br />

Sie kochte in den folgenden Tagen Säfte und<br />

trocknete die gesammelten Kräuter zu Tee.<br />

Nicht selten hatte sie 20 und mehr Sorten.<br />

Sie hatte die kostenlose Apotheke in Feld und<br />

Wald genutzt.<br />

Neben den kundigen Bauersfrauen, gab es<br />

noch die berufsmäßigen Kräuterfrauen. Diese<br />

kannten sich noch besser aus. Sie besaßen<br />

Kräuterbücher und streiften stundenlang<br />

durch Feld und Flur. In ihren Büchern waren<br />

teilweise Heilkunde, Zauber­ und Hexerei miteinander<br />

verquickt. Auch die Kurpfuscherei<br />

kam bei ihnen nicht zu kurz. So legten sie<br />

feuchte Wecke auf kranke Augen und riefen<br />

dann die Dreifaltigkeit Gottes an. Bei Zahnschmerzen<br />

wurden Knoblauch, Speck oder<br />

Nelken in die Löcher der Zähne gesteckt. Auf<br />

Geschwüre legte man Heilzwiebeln, geriebene<br />

Kartoffeln kamen auf die Brandwunden, auch<br />

Spinnweben wurden zur Heilung eingesetzt.<br />

Die Kräuterfrauen genossen bei de Bevölkerung<br />

großes Vertrauen, starben aber nach<br />

und nach aus. Mit ihnen gingen natürlich auch<br />

die Kenntnisse über die Heilpflanzen in der<br />

Bevölkerung zurück. Man ersetzte die natürlichen,<br />

durch chemische Präparate. Aber in der<br />

Wissenschaft erfolgte ein Umdenken und man<br />

versuchte beide Formen der Anwendung von<br />

Mitteln zu verbinden. Eine Kultivierung der<br />

Wildkräuter, brachte teilweise nicht den erhofften<br />

Erfolg, da die Wirkstoffanteile bei den<br />

wild wachsenden Kräutern höher waren, als<br />

die bei den Kulturpflanzen.<br />

Deshalb ist es auch in der heutigen Zeit noch<br />

wichtig, sich Kenntnisse über Heilpflanzen zu<br />

bewahren, sie zu sammeln und bei manchen<br />

Krankheiten anzuwenden, wie es einst die<br />

Großmutter getan hat.<br />

Ein Kastenmeister<br />

Der alte A.R. war viele Jahre hindurch wohlbestallter<br />

Kastenmeister der Kirchengemeinde<br />

in <strong>Schwarzenberg</strong> und erhielt als jährliche<br />

Besoldung 4,95 Mark. Er übte sein Amt treu<br />

und gewissenhaft aus, nur sehr selten fehlte<br />

er zu seiner Dienstausübung. Vorschriftsmäßig<br />

hielt er jedem einzelnen Kirchenbesucher<br />

den Klingelbeutel vor die Spenderhand.<br />

Die nun sonntäglich im Klingelbeutel gesammelten<br />

Kupferlinge, etwa 50 – 60 Heller,<br />

steckte er nach sorgfältiger Zählung, in seine<br />

vom vielem Gebrauch glänzende Kirchenrocktasche.<br />

Er versuchte bald, das Kleingeld<br />

in großes Geld umzutauschen. Das machte er<br />

dann, wenn er nachmittags zu seinem Freund<br />

D. in die Gastwirtschaft ging, der die Opferpfennige<br />

umtauschte und sie auch gleichzeitig<br />

zur Bezahlung der Zeche verrechnete, ohne<br />

das „große“ Geld für den Kirchenkasten zurückzugeben.<br />

Unser Freund R. hatte damit<br />

keine Möglichkeit, den Kirchenkasten seinerseits<br />

zu begleichen. Bei der Jahresabrechnung<br />

war daher immer Pleite im Opferstock. Und<br />

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