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Credit Suisse bulletin, 2001/05

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INSEL<br />

Länggrien: Verena und Simon Antener sorgen für Jubel und Trubel<br />

Für einen «schnellen» Schwatz ist die Familie Antener die falsche<br />

Adresse. Wer die «Inseli»-Bewohner besuchen will, muss Zeit<br />

mitbringen. Von der Postautohaltestelle Rössli in Nennigkofen<br />

bei Solothurn dauert es zu Fuss bis zur Aare etwa zwanzig<br />

Minuten. Die Festlandbasis der Familie ist eine einfache Holzhütte<br />

mit angebautem Autounterstand. Direkt daneben liegt der<br />

Anlegeplatz für die Transportfähre, die entlang einem Stahlseil<br />

mit Manneskraft über die Aare gezogen wird. Neben dem Briefkasten<br />

rechts am Hüttentor gibts einen wetterfesten, schwarzen<br />

Lichtknopf – die Klingel. Drückt man sie, passiert zuerst einmal<br />

gar nichts. Ungerührt fliesst das Wasser weiter die Aare<br />

hinunter. Die Minuten plätschern dahin. Dann nähert sich, so die<br />

Klingel irgendwo gehört wurde, auf dem Weg jenseits des Wassers<br />

eine Gestalt. Meistens ist es Simon Antener, der Bauer vom<br />

«Inseli». An diesem Tag springt er in ein kleines, hellblaues Boot.<br />

Gekonnt rudert er, den Bug schräg in der Strömung, über den<br />

Fluss. «Das passiert halt, wenn die faule Jugend lieber das Motorboot<br />

nimmt», brummt Antener. Zurück gehts mit Motorkraft.<br />

Für die Jugend bleibt am Ufer das kleine Ruderboot zurück.<br />

Fotos: Thomas Schuppisser, Pia Zanetti, Georg Stärk<br />

Die Landwirtschaft allein reicht nicht zum Überleben<br />

Vor 22 Jahren hat Simon Antener aus dem Emmental Verena,<br />

die einzige Tochter der Familie Laubscher vom «Inseli», geheiratet.<br />

Seither führen sie das Gut. Rund zehn Hektaren ist die<br />

Flussinsel gross. Weg, Baumgürtel und Hof beanspruchen etwa<br />

zweieinhalb Hektaren, bleiben für die landwirtschaftliche Nutzung<br />

noch etwas mehr als sieben Hektaren. «Um als Bauern<br />

überleben zu können, bräuchten wir etwa dreimal so viel», erklärt<br />

Simon Antener. Auf Legehühner oder Schweinezucht umzusteigen,<br />

kam ebenso wenig in Frage, wie auf dem Festland<br />

weitere Felder zu bewirtschaften. Zu gross ist der zusätzliche<br />

Aufwand für den kurzen, aber beschwerlichen Weg über die<br />

Aare. Antener: «Ich sage immer, Peter Reber singt von einer<br />

eigenen Insel und verdient Geld damit, und wir haben eine und<br />

verdienen nichts.»<br />

Dann kam vor neun Jahren aus heiterem Himmel eine Anfrage<br />

wegen eines Hochzeitsaperitifs. «Wir wussten gar nicht recht,<br />

was wir machen sollten», erzählt Verena Antener, «doch zum<br />

Glück war einer aus der Hochzeitsgesellschaft selber Wirt und<br />

hat uns beschwichtigt.» Der Anfang war gemacht. Seither wird<br />

die Saison der «Jubel-und-Trubel-Leute», wie sie Simon Antener<br />

immer noch leicht befremdet nennt, immer intensiver, aber auch<br />

lukrativer. Die Wochenenden von Juli bis September sind meistens<br />

schon Monate vorher ausgebucht. Dazu kommen immer<br />

mehr auch Anlässe unter der Woche. Mindestens 15 Personen<br />

muss die Gruppe gross sein. Erst dann lohnt für die an sich menschenscheuen<br />

Inselbewohner der Aufwand. Das kulinarische<br />

Angebot umfasst kalte Frühstücks- oder Salat-Buffets und<br />

Fleisch vom Grill. Einzig der Donnerstagabend bleibt wenn immer<br />

möglich frei. Dann hat Bauer Antener Jodelprobe. Ansonsten<br />

zieht es das Paar wenig ans andere Ufer. «Ich gehe nur rüber,<br />

wenn ich wirklich muss», sagt Verena Antener. Und Ferien gabs<br />

für das Paar seit der Hochzeitsreise in die Camargue auch nicht<br />

mehr. «Als Bauern muss man immer das Doppelte bezahlen: für<br />

die Ferien und die Aushilfe. Das können wir uns nicht leisten.»<br />

So lassen sich die Tage, die Verena Antener fern dem «Inseli»<br />

war, an wenigen Händen abzählen. Obwohl sie als Einzelkind<br />

aufwuchs, habe sie sich selbst in den langen Wintermonaten<br />

eigentlich nie einsam gefühlt. «Ich hatte ja die Tiere.» An denen<br />

fehlt es auch heute noch nicht. Neben den Milchkühen vervollständigen<br />

Hunde, Katzen, Ziegen und Gänse das idyllische<br />

Bild vom bäuerlichen Inselleben. Doch birgt das Wasser auch<br />

Gefahren. So ist der jüngste Sohn als Zweijähriger einmal in die<br />

Aare gefallen und von der Strömung mitgerissen worden. Zum<br />

Glück reagierte der ältere Bruder sehr schnell. «Ich hab meinen<br />

Kindern immer gesagt, wenn eines reinfällt, kommt uns ja nicht<br />

holen. Springt selber hinterher. Sonst ist es sowieso zu spät»,<br />

erzählt Verena Antener.<br />

Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten hoffen die Anteners,<br />

dass das «Inseli» in der fünften Generation weitergeführt<br />

wird, allerdings kaum als Bauernbetrieb. So absolvieren der Älteste<br />

(19 Jahre) und die mittlere Tochter (17 Jahre) beide eine<br />

Kochlehre, und der Jüngste (14 Jahre) möchte Gärtner werden.<br />

Daniel Huber<br />

Credit Suisse<br />

Bulletin 5|<strong>01</strong><br />

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