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INSEL<br />
Länggrien: Verena und Simon Antener sorgen für Jubel und Trubel<br />
Für einen «schnellen» Schwatz ist die Familie Antener die falsche<br />
Adresse. Wer die «Inseli»-Bewohner besuchen will, muss Zeit<br />
mitbringen. Von der Postautohaltestelle Rössli in Nennigkofen<br />
bei Solothurn dauert es zu Fuss bis zur Aare etwa zwanzig<br />
Minuten. Die Festlandbasis der Familie ist eine einfache Holzhütte<br />
mit angebautem Autounterstand. Direkt daneben liegt der<br />
Anlegeplatz für die Transportfähre, die entlang einem Stahlseil<br />
mit Manneskraft über die Aare gezogen wird. Neben dem Briefkasten<br />
rechts am Hüttentor gibts einen wetterfesten, schwarzen<br />
Lichtknopf – die Klingel. Drückt man sie, passiert zuerst einmal<br />
gar nichts. Ungerührt fliesst das Wasser weiter die Aare<br />
hinunter. Die Minuten plätschern dahin. Dann nähert sich, so die<br />
Klingel irgendwo gehört wurde, auf dem Weg jenseits des Wassers<br />
eine Gestalt. Meistens ist es Simon Antener, der Bauer vom<br />
«Inseli». An diesem Tag springt er in ein kleines, hellblaues Boot.<br />
Gekonnt rudert er, den Bug schräg in der Strömung, über den<br />
Fluss. «Das passiert halt, wenn die faule Jugend lieber das Motorboot<br />
nimmt», brummt Antener. Zurück gehts mit Motorkraft.<br />
Für die Jugend bleibt am Ufer das kleine Ruderboot zurück.<br />
Fotos: Thomas Schuppisser, Pia Zanetti, Georg Stärk<br />
Die Landwirtschaft allein reicht nicht zum Überleben<br />
Vor 22 Jahren hat Simon Antener aus dem Emmental Verena,<br />
die einzige Tochter der Familie Laubscher vom «Inseli», geheiratet.<br />
Seither führen sie das Gut. Rund zehn Hektaren ist die<br />
Flussinsel gross. Weg, Baumgürtel und Hof beanspruchen etwa<br />
zweieinhalb Hektaren, bleiben für die landwirtschaftliche Nutzung<br />
noch etwas mehr als sieben Hektaren. «Um als Bauern<br />
überleben zu können, bräuchten wir etwa dreimal so viel», erklärt<br />
Simon Antener. Auf Legehühner oder Schweinezucht umzusteigen,<br />
kam ebenso wenig in Frage, wie auf dem Festland<br />
weitere Felder zu bewirtschaften. Zu gross ist der zusätzliche<br />
Aufwand für den kurzen, aber beschwerlichen Weg über die<br />
Aare. Antener: «Ich sage immer, Peter Reber singt von einer<br />
eigenen Insel und verdient Geld damit, und wir haben eine und<br />
verdienen nichts.»<br />
Dann kam vor neun Jahren aus heiterem Himmel eine Anfrage<br />
wegen eines Hochzeitsaperitifs. «Wir wussten gar nicht recht,<br />
was wir machen sollten», erzählt Verena Antener, «doch zum<br />
Glück war einer aus der Hochzeitsgesellschaft selber Wirt und<br />
hat uns beschwichtigt.» Der Anfang war gemacht. Seither wird<br />
die Saison der «Jubel-und-Trubel-Leute», wie sie Simon Antener<br />
immer noch leicht befremdet nennt, immer intensiver, aber auch<br />
lukrativer. Die Wochenenden von Juli bis September sind meistens<br />
schon Monate vorher ausgebucht. Dazu kommen immer<br />
mehr auch Anlässe unter der Woche. Mindestens 15 Personen<br />
muss die Gruppe gross sein. Erst dann lohnt für die an sich menschenscheuen<br />
Inselbewohner der Aufwand. Das kulinarische<br />
Angebot umfasst kalte Frühstücks- oder Salat-Buffets und<br />
Fleisch vom Grill. Einzig der Donnerstagabend bleibt wenn immer<br />
möglich frei. Dann hat Bauer Antener Jodelprobe. Ansonsten<br />
zieht es das Paar wenig ans andere Ufer. «Ich gehe nur rüber,<br />
wenn ich wirklich muss», sagt Verena Antener. Und Ferien gabs<br />
für das Paar seit der Hochzeitsreise in die Camargue auch nicht<br />
mehr. «Als Bauern muss man immer das Doppelte bezahlen: für<br />
die Ferien und die Aushilfe. Das können wir uns nicht leisten.»<br />
So lassen sich die Tage, die Verena Antener fern dem «Inseli»<br />
war, an wenigen Händen abzählen. Obwohl sie als Einzelkind<br />
aufwuchs, habe sie sich selbst in den langen Wintermonaten<br />
eigentlich nie einsam gefühlt. «Ich hatte ja die Tiere.» An denen<br />
fehlt es auch heute noch nicht. Neben den Milchkühen vervollständigen<br />
Hunde, Katzen, Ziegen und Gänse das idyllische<br />
Bild vom bäuerlichen Inselleben. Doch birgt das Wasser auch<br />
Gefahren. So ist der jüngste Sohn als Zweijähriger einmal in die<br />
Aare gefallen und von der Strömung mitgerissen worden. Zum<br />
Glück reagierte der ältere Bruder sehr schnell. «Ich hab meinen<br />
Kindern immer gesagt, wenn eines reinfällt, kommt uns ja nicht<br />
holen. Springt selber hinterher. Sonst ist es sowieso zu spät»,<br />
erzählt Verena Antener.<br />
Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten hoffen die Anteners,<br />
dass das «Inseli» in der fünften Generation weitergeführt<br />
wird, allerdings kaum als Bauernbetrieb. So absolvieren der Älteste<br />
(19 Jahre) und die mittlere Tochter (17 Jahre) beide eine<br />
Kochlehre, und der Jüngste (14 Jahre) möchte Gärtner werden.<br />
Daniel Huber<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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