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ECONOMICS & FINANCE<br />
FINANCIAL<br />
SERVICES<br />
Die Anschläge in Amerika haben Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Neben den<br />
unmittelbar betroffenen Versicherungen und Fluggesellschaften wird vor allem die<br />
Investitionsgüterbranche unter der Unsicherheit leiden. Martin Daepp, Economic Research & Consulting<br />
Foto: Eva-Maria Züllig<br />
Seit den Terroranschlägen vom 11. September<br />
20<strong>01</strong> in den USA nimmt eine breite<br />
Öffentlichkeit die Welt anders wahr als<br />
zuvor. Die Schockwelle, welche die Ereignisse<br />
ausgelöst haben, breitet sich seither<br />
global auf die einzelnen Volkswirtschaften<br />
aus. Und die Art und Weise wie die Krise<br />
politisch und militärisch bewältigt wird,<br />
dürfte die Weltkonjunktur in den nächsten<br />
Monaten massgeblich mitprägen.<br />
In welchem Grad die einzelnen Branchen<br />
weltweit und auch in der Schweiz in<br />
Mitleidenschaft gezogen werden, ist noch<br />
kaum zu bestimmen. Sicher ist jedoch,<br />
dass die einzelnen Sektoren unterschiedlich<br />
stark betroffen sind. Dies lässt sich<br />
zeigen, indem die direkten und indirekten<br />
Effekte der Schocks mit ihren unterschiedlichen<br />
Wirkungen auf die jeweiligen<br />
Branchen heruntergebrochen werden.<br />
Daraus ergibt sich ein Bild, das den<br />
Betroffenheitsgrad der Schweizer Wirtschaftszweige<br />
aufzeigt.<br />
Zahlungsströme sind nicht kollabiert<br />
Mit dem Anschlag auf das World Trade<br />
Center (WTC) war von Anfang an klar,<br />
dass der Finanzsektor stark getroffen war.<br />
Das WTC stellte – zumindest symbolisch –<br />
das Herz der Finanzindustrie dar. Dennoch<br />
ist es zu keinem Infarkt der globalen Zahlungsströme<br />
gekommen. Die Geschäftsbanken<br />
konnten dabei auf die Unterstützung<br />
der Zentralbanken zählen, die ihrer<br />
Aufgabe nachgekommen sind und für<br />
die nötige Liquidität zur Überbrückung<br />
gesorgt haben.<br />
Die Versicherungsgesellschaften gehören<br />
durch die wirksam gewordenen Ansprüche<br />
im Sach-, Lebens- und Rückversicherungsgeschäft<br />
zu den am stärksten<br />
betroffenen Branchen. Die grösste Rückversicherungsgesellschaft<br />
der Welt, die<br />
Münchner Rück, schätzt ihre Verpflichtungen<br />
auf 3 Milliarden Franken, und die<br />
Nummer zwei, die Swiss Re, veranschlagt<br />
diese auf 2 Milliarden Franken. Durch die<br />
veränderte Weltlage werden die Versicherer<br />
ihre Risikoeinschätzung überprüfen.<br />
Dies kann zu höheren Versicherungsprämien<br />
führen.<br />
Zu den Branchen, die am stärksten<br />
unter Druck geraten, gehören auch die<br />
Fluggesellschaften. Sie mussten in den<br />
ersten Tagen nach der Krise ein Flugverbot<br />
verkraften und sehen sich seither mit<br />
einem schwachen Passagieraufkommen<br />
konfrontiert. Die Krise trifft eine Branche,<br />
die global mit Überkapazitäten und einer<br />
unbefriedigenden Profitabilität zu kämpfen<br />
hat. Vor diesem Hintergrund haben nun<br />
einige Airlines drastische Abbaumassnahmen<br />
angekündigt. In vielen Ländern<br />
ist die Diskussion um staatliche Finanzspritzen<br />
angelaufen, die die negativen<br />
Effekte der Terroranschläge auf die Fluggesellschaften<br />
abfedern sollen.<br />
Mit dem gewachsenen Sicherheitsbedürfnis<br />
stehen die Anbieter von Sicherheitseinrichtungen<br />
und -diensten sowie<br />
Videoüberwachungen einer steigenden<br />
Nachfrage gegenüber.<br />
Wichtiger als diese direkten Auswirkungen<br />
sind für die meisten Schweizer<br />
Branchen jedoch indirekte Effekte, die<br />
sich über verschiedene Übertragungsmechanismen<br />
in den Geschäftsbüchern<br />
niederschlagen. Dazu zählen namentlich<br />
stimmungsbedingte Verhaltensänderungen<br />
bei den Konsumenten und den Investoren<br />
sowie Wechselkurs-, Zins- und<br />
Preiseffekte.<br />
STIMMUNGSLAGE BEEINFLUSST INVESTITIONSENTSCHEIDE<br />
Das Investitionskalkül eines Unternehmens basiert auf zwei Grössen: den<br />
zukünftigen erwarteten Gewinnen aus der Investition und einem Kapitalisierungssatz,<br />
welcher sich aus den Opportunitätskosten für das gebundene<br />
Kapital und einer Risikoprämie zusammensetzt.<br />
Stimmungen kommen hier gleich doppelt zum Tragen. Zum einen gehen sie<br />
in die Gewinnerwartungen ein. Je pessimistischer die Nachfrage eingeschätzt<br />
wird, desto geringer fallen die Gewinne aus. Infolgedessen schätzen die<br />
potenziellen Investoren weniger Projekte profitabel ein und realisieren entsprechend<br />
weniger Investitionsvorhaben. Zum andern fliessen Erwartungen<br />
auch in den Kapitalisierungssatz ein. Schätzen die Investoren nämlich die Zeiten<br />
unsicherer ein, so kalkulieren sie mit einer höheren Risikoprämie. Auch<br />
dies hat zur Folge, dass weniger Projekte als profitabel eingestuft werden und<br />
entsprechend weniger investiert wird.<br />
Die politische Grosswetterlage, die durch eine grosse Unsicherheit geprägt<br />
ist, stellt ein weiteres Argument für eine Verschlechterung des Investitionsklimas<br />
dar. Ein rational denkender Investor wird in diesem Fall den Investitionsentscheid<br />
möglichst lang aufschieben, bis sich die Unsicherheit verringert hat.<br />
Lediglich die tieferen Zinsen begünstigen die Investitionstätigkeit, weil dadurch<br />
die Opportunitätskosten für das eingesetzte Kapital sinken und zusätzliche<br />
Investitionsprojekte profitabel werden. Allerdings dürfte dieser Effekt die<br />
negativen Einflüsse auf die Ausrüstungsinvestitionen nicht kompensieren.<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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