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Credit Suisse bulletin, 2001/05

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INSEL<br />

Schwanau: Ruth Mettler bewirtet Ausflügler auf geschichtsträchtigem Boden<br />

«Schwan 1872» steht auf der Glocke am Fährhaus. Ein kräftiges<br />

Läuten genügt, um die kleine Fähre herbeizurufen, die die Besucher<br />

in weniger als einer Minute vom Festland zur Schwanau<br />

bringt. «Wenn bei uns im Restaurant viel los ist oder wenn jemand<br />

zu zaghaft an der Glocke zieht, kann es schon vorkommen, dass<br />

wir das Läuten einmal nicht hören. Man muss halt immer wieder<br />

einen Blick aus dem Fenster werfen.» Ruth Mettler lebt mit ihrem<br />

Mann Edi und Tochter Chantal schon seit 21 Jahren jeweils von<br />

April bis Oktober auf der Insel Schwanau im Lauerzersee bei<br />

Schwyz, denn in dieser Zeit ist das Restaurant, das sie führen,<br />

geöffnet. Diesen Herbst ist der Abschied jedoch endgültig; Mettlers<br />

werden auf dem Festland sesshaft.<br />

Fotos: Thomas Schuppisser, Pia Zanetti, Georg Stärk<br />

Eine kleine Insel, die viel zu erzählen hat<br />

Die Schwanau, eigentlich nicht viel mehr als ein kleiner Klecks<br />

in einem ebenso kleinen See, der vier Kilomenter lang und einen<br />

Kilometer breit ist, hat eine bewegte Geschichte. Zeugen davon<br />

sind heute noch die drei Gebäude der Insel: die Turmruine aus<br />

dem 12. Jahrhundert, eine kleine Kapelle und das Haus, Restaurant<br />

und Wohnhaus der Pächter in einem. Damit wird es auf<br />

der nur 165 Meter langen und 33 Meter beiten Insel bereits<br />

ziemlich eng. Von oben gesehen erinnere sie die Insel immer an<br />

einen Wal, sagt Ruth Mettler. Neben der Bootsanlegestelle geht<br />

es ein paar Stufen hoch zur Kapelle, am Gasthaus vorbei zur Ruine<br />

des Burgfrieds, um diesen herum, und schon kommt der Ausflügler<br />

wieder zum Restaurant zurück. Einmal rundrum in nur drei<br />

Minuten.<br />

Die Gebäude sind zumindest im Sommer hinter den Bäumen<br />

gut versteckt. Ruth Mettler schätzt eben diese «Abgeschiedenheit»<br />

und Ruhe. Selbst eine Distanz von nicht einmal 150 Metern<br />

zum Ufer kann eben gross sein, wenn die einzige Verbindung ein<br />

kleines Fährboot ist. Doch wer die Schwanau einmal entdeckt<br />

hat, kehrt offenbar immer wieder zurück, die meisten zum Essen.<br />

Fisch ist die Spezialität des Hauses: Hecht aus dem Lauerzersee<br />

selber, andere Sorten aus dem Vierwaldstätter-, dem Zugerund<br />

dem Sempachersee.<br />

Nachdem die Schwanau im Mittelalter von den Lenzburgern<br />

zunächst an die Kyburger und dann an die Habsburger überging,<br />

war sie eine Zeitlang nicht mehr bewohnt, bis im 17. Jahrhundert<br />

ein Eremit eine Kapelle und eine Einsiedelei baute. Der Goldauer<br />

Bergsturz von 1809 löste eine Flutwelle aus, die die Schwanau<br />

stark in Mitleidenschaft zog: Einzig die Burgruine zuoberst<br />

auf der Insel blieb stehen. 1809 verkaufte die Kirchgemeinde<br />

Schwyz die Schwanau an den General und Landeshauptmann<br />

Ludwig auf der Maur, der sich fortan stolz «Ritter von<br />

Schwanau» nannte. Er war verpflichtet, die Kapelle wieder<br />

aufzubauen und sich um den Erhalt der Burgruine zu kümmern,<br />

eine Aufgabe, die seine Nachfahren offenbar nicht besonders<br />

ernst nahmen, trugen sie doch den Turm um die Hälfte ab,<br />

schütteten das Innere auf und kippten das nicht benötigte<br />

Material in den See. 1967 kaufte der Kanton Schwyz die Insel<br />

von den Nachfahren Auf der Maurs zurück und stellte sie unter<br />

Natur- und Heimatschutz. Wie es nach dem Wegzug der Mettlers<br />

weitergeht, ist noch nicht entschieden. Vielleicht bleibt es<br />

beim saisonalen Betrieb, vielleicht wird die Schwanau ganzjährig<br />

zugänglich sein, vielleicht aber auch nur für bestimmte Anlässe<br />

wie etwa Hochzeiten und Taufen geöffnet.<br />

Nach 21 Jahren Leben und Arbeiten auf der Schwanau blickt<br />

Ruth Mettler mit einem lachenden und einem weinenden Auge<br />

zurück. «Der Betrieb hat mir sehr gut gefallen. Das Restaurant<br />

liegt an einem wunderschönen Ort, der es auch unseren Gästen<br />

angetan hat.» In besonders guter Erinnerung geblieben ist ihr die<br />

«Fyyrabig»-Sendung mit Sepp Trütsch 1983 oder die Taufe ihrer<br />

Tochter Chantal in der kleinen Inselkapelle. Die Tatsache, dass<br />

das Restaurant ein Saisonbetrieb war, bedeutete für die Familie<br />

Mettler jedoch zweimal im Jahr zügeln. «Im Winterhalbjahr suchten<br />

wir uns jeweils eine Ferienwohnung in der Nähe und arbeiteten<br />

in irgendeinem Betrieb als Aushilfe. Man kann ja nicht fünf<br />

Monate lang nichts tun.» Dieses unstete Hin und Her gab nun<br />

auch den Ausschlag für den Wegzug. Ab Mitte November betreibt<br />

Ruth Mettler mit ihrem Mann das Restaurant Löwen in<br />

Seewen. «Ich freue mich aber jetzt schon darauf, später als Gast<br />

auf die Schwanau zu kommen», meint sie mit einem Augenzwinkern.<br />

Jacqueline Perregaux<br />

Credit Suisse<br />

Bulletin 5|<strong>01</strong><br />

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