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INSEL<br />
Schwanau: Ruth Mettler bewirtet Ausflügler auf geschichtsträchtigem Boden<br />
«Schwan 1872» steht auf der Glocke am Fährhaus. Ein kräftiges<br />
Läuten genügt, um die kleine Fähre herbeizurufen, die die Besucher<br />
in weniger als einer Minute vom Festland zur Schwanau<br />
bringt. «Wenn bei uns im Restaurant viel los ist oder wenn jemand<br />
zu zaghaft an der Glocke zieht, kann es schon vorkommen, dass<br />
wir das Läuten einmal nicht hören. Man muss halt immer wieder<br />
einen Blick aus dem Fenster werfen.» Ruth Mettler lebt mit ihrem<br />
Mann Edi und Tochter Chantal schon seit 21 Jahren jeweils von<br />
April bis Oktober auf der Insel Schwanau im Lauerzersee bei<br />
Schwyz, denn in dieser Zeit ist das Restaurant, das sie führen,<br />
geöffnet. Diesen Herbst ist der Abschied jedoch endgültig; Mettlers<br />
werden auf dem Festland sesshaft.<br />
Fotos: Thomas Schuppisser, Pia Zanetti, Georg Stärk<br />
Eine kleine Insel, die viel zu erzählen hat<br />
Die Schwanau, eigentlich nicht viel mehr als ein kleiner Klecks<br />
in einem ebenso kleinen See, der vier Kilomenter lang und einen<br />
Kilometer breit ist, hat eine bewegte Geschichte. Zeugen davon<br />
sind heute noch die drei Gebäude der Insel: die Turmruine aus<br />
dem 12. Jahrhundert, eine kleine Kapelle und das Haus, Restaurant<br />
und Wohnhaus der Pächter in einem. Damit wird es auf<br />
der nur 165 Meter langen und 33 Meter beiten Insel bereits<br />
ziemlich eng. Von oben gesehen erinnere sie die Insel immer an<br />
einen Wal, sagt Ruth Mettler. Neben der Bootsanlegestelle geht<br />
es ein paar Stufen hoch zur Kapelle, am Gasthaus vorbei zur Ruine<br />
des Burgfrieds, um diesen herum, und schon kommt der Ausflügler<br />
wieder zum Restaurant zurück. Einmal rundrum in nur drei<br />
Minuten.<br />
Die Gebäude sind zumindest im Sommer hinter den Bäumen<br />
gut versteckt. Ruth Mettler schätzt eben diese «Abgeschiedenheit»<br />
und Ruhe. Selbst eine Distanz von nicht einmal 150 Metern<br />
zum Ufer kann eben gross sein, wenn die einzige Verbindung ein<br />
kleines Fährboot ist. Doch wer die Schwanau einmal entdeckt<br />
hat, kehrt offenbar immer wieder zurück, die meisten zum Essen.<br />
Fisch ist die Spezialität des Hauses: Hecht aus dem Lauerzersee<br />
selber, andere Sorten aus dem Vierwaldstätter-, dem Zugerund<br />
dem Sempachersee.<br />
Nachdem die Schwanau im Mittelalter von den Lenzburgern<br />
zunächst an die Kyburger und dann an die Habsburger überging,<br />
war sie eine Zeitlang nicht mehr bewohnt, bis im 17. Jahrhundert<br />
ein Eremit eine Kapelle und eine Einsiedelei baute. Der Goldauer<br />
Bergsturz von 1809 löste eine Flutwelle aus, die die Schwanau<br />
stark in Mitleidenschaft zog: Einzig die Burgruine zuoberst<br />
auf der Insel blieb stehen. 1809 verkaufte die Kirchgemeinde<br />
Schwyz die Schwanau an den General und Landeshauptmann<br />
Ludwig auf der Maur, der sich fortan stolz «Ritter von<br />
Schwanau» nannte. Er war verpflichtet, die Kapelle wieder<br />
aufzubauen und sich um den Erhalt der Burgruine zu kümmern,<br />
eine Aufgabe, die seine Nachfahren offenbar nicht besonders<br />
ernst nahmen, trugen sie doch den Turm um die Hälfte ab,<br />
schütteten das Innere auf und kippten das nicht benötigte<br />
Material in den See. 1967 kaufte der Kanton Schwyz die Insel<br />
von den Nachfahren Auf der Maurs zurück und stellte sie unter<br />
Natur- und Heimatschutz. Wie es nach dem Wegzug der Mettlers<br />
weitergeht, ist noch nicht entschieden. Vielleicht bleibt es<br />
beim saisonalen Betrieb, vielleicht wird die Schwanau ganzjährig<br />
zugänglich sein, vielleicht aber auch nur für bestimmte Anlässe<br />
wie etwa Hochzeiten und Taufen geöffnet.<br />
Nach 21 Jahren Leben und Arbeiten auf der Schwanau blickt<br />
Ruth Mettler mit einem lachenden und einem weinenden Auge<br />
zurück. «Der Betrieb hat mir sehr gut gefallen. Das Restaurant<br />
liegt an einem wunderschönen Ort, der es auch unseren Gästen<br />
angetan hat.» In besonders guter Erinnerung geblieben ist ihr die<br />
«Fyyrabig»-Sendung mit Sepp Trütsch 1983 oder die Taufe ihrer<br />
Tochter Chantal in der kleinen Inselkapelle. Die Tatsache, dass<br />
das Restaurant ein Saisonbetrieb war, bedeutete für die Familie<br />
Mettler jedoch zweimal im Jahr zügeln. «Im Winterhalbjahr suchten<br />
wir uns jeweils eine Ferienwohnung in der Nähe und arbeiteten<br />
in irgendeinem Betrieb als Aushilfe. Man kann ja nicht fünf<br />
Monate lang nichts tun.» Dieses unstete Hin und Her gab nun<br />
auch den Ausschlag für den Wegzug. Ab Mitte November betreibt<br />
Ruth Mettler mit ihrem Mann das Restaurant Löwen in<br />
Seewen. «Ich freue mich aber jetzt schon darauf, später als Gast<br />
auf die Schwanau zu kommen», meint sie mit einem Augenzwinkern.<br />
Jacqueline Perregaux<br />
Credit Suisse<br />
Bulletin 5|<strong>01</strong><br />
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